Was bleibt ist die Erinnerung

Als wir noch in Mali lebten, kam es ja immer mal wieder vor, dass Besuch zu uns nach Sévaré kam. Die Ankunft von „frische Weißen“, das war für die Ketten-, Decken- Kunstgewerbeverkäufer immer ein Moment, in dem die Augen zu leuchten begannen: Die haben Geld in den Taschen und meist wenig Ahnung von den Preisen. Also: gute Chance auf reichlich Verdienst. Und ebenso groß wie die Vorfreude war dann die Enttäuschung, wenn ich ihnen sagte, das seien meine Freunde und sie sollten sich unterstehen ihnen horrende Preise abzunehmen. Ich passte auf – das vermasselte das Geschäft. Dann kam es eines Tages dazu, dass ich einen Touristen, der mit einem Campingbus nach Mali gekommen war und dort eine Art Schlaganfall bekam, notfallmäßig evakuieren lassen musste. Spät am Abend kam ein Rettungsflugzeug mit Arzt, Piloten, Bordpersonal, das ihn nach Europa zurück brachte. Nur durften sie nicht direkt zurückfliegen, sondern mussten eine Nacht pausieren und übernachteten in einem nahen gelegenen Hotel. Und natürlich waren die Ketten-, Decken, Kunstgewerbeverkäufer zur Stelle und hofften auf Gewinn. Diesmal bekamen sie von mir andere Informationen: „Hört zu, ich habe euch immer gesagt, ihr sollt faire Preise machen, aber heute ist das anders: Die Leute hier kommen aus Deutschland, haben alle richtig viel Geld, kennen die Preise nicht und wollen ihren Frauen und Freundinnen sicher etwas mit nach Hause bringen. Also: verkauft was ihr könnt und ich werde nichts sagen, egal was für Preise ihr nehmt…“ Noch Monate später wurde ich von ihnen mit strahlendem Gesicht und hochgestreckten Daumen begrüßt und dem Notfallteam hat es sicher nicht geschadet.

Warum ich diese Geschichte erzähle? Vorgestern traf ich einen Ketten- … na Ihr wisst schon- Verkäufer hier in Bamako und sofort sprach er mich an, erkannte mich und wusste, dass ich in Sévaré gewohnt hatte. Ich selbst kannte vielleicht vage das Gesicht (die Geschichte ist mindestens 15 Jahre her). Als ich darüber meine Verwunderung ausdrückte, sagte er, jemanden, der ihm etwas so Gutes getan hätte, könne er doch nicht vergessen. Ob er damals im Hotel dabei war? Vermutlich, denn ansonsten hätte ich keine Erklärung für seine Begeisterung. …nur eigentlich hätte ich mir gewünscht, hier wegen anderer Dinge in Erinnerung geblieben zu sein – desillusionierend! Aber natürlich, wenn Menschen täglich von der Hand in den Mund leben, dann ist eine solche „Sondereinnahme“ schon etwas, das ihnen im Gedächtnis bleibt.

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