Als ich vor über 20 Jahren in Mali für meinen ersten und bislang auch einzigen Marathon trainiert habe, konnte ich mir das nur deshalb leisten, weil ich eine weiße Haut hatte. Da lässt man manches durchgehen – die Weißen haben ja viele komische Ideen. Jeden Tag, wenn andere nach der Arbeit gemütlich beieinander sitzen und Tee schlürfen durch die Gegend rennen ohne Ziel und Zweck, das war schon ein bisschen sehr seltsam. Erwachsene Menschen rennen nicht einfach so. Kinder tun das – vielleicht auch noch Jugendliche aber kein erwachsener Mann, der was auf sich hält.
Aber das hat sich geändert. Kultur wandelt sich! Immer mehr Menschen in Mali leiden unter den sogenannten Zivilisationskrankheiten: Bluthochdruck, Diabetes, Adipositas und mehr und mehr setzt sich durch, dass das mit Ernährung aber auch mit fehlender Bewegung zu tun hat. Es freut mich sehr, dass wir jetzt immer öfter von gestandenen Männern (und manchmal auch Frauen) hören, die Sport treiben: mancher beginnt damit, dass er sein Motorrad stehen lässt und auch mal zu Fuß zur Arbeit geht. Das ist gar nicht so einfach, denn sobald ein Bekannter vorbei kommt, wird sofort angehalten: „Ist Dein Motorrad kaputt? Alles in Ordnung bei Dir? Komm ich nehme Dich gerne mit!“ Trotzdem fangen immer mehr Leute auch an zu laufen – Jogging, um den Bauch abzutrainieren, den Blutdruck zu verbessern. Der Arzt in mir ist beglückt: tatsächlich eine Bewusstseinsveränderung von wesentlichen Teilen der Gesellschaft hier!
Daniel erinnert mich an Amadou, der vor Jahren als Krankenpfleger in einem entlegenen Dorf arbeitete und der schon damals trainierte. Als Daniel im Dorf fragte, wie sie denn so mit ihm zufrieden wären, sagten die Dorfbewohner: „Der ist wirklich klasse, der macht eine super Arbeit! Aber etwas ist komisch, das kapieren wir nicht: Morgens rennt der immer, obwohl er gar nichts jagt und auch niemand hinter ihm her ist!?!“