Nicht Holz – nicht Krokodil!

Unterwegs in den Norden. So vieles läuft ab wie so viele Begegnungen in Mali und ich liebe dieses mir Frühstückvertraute Geplänkel: Ich spreche den Omelettbudenbesitzer auf Peulh an und er antwortet, denn es ist seine Muttersprache. Wir flachsen und tauschen ein paar Floskeln aus. Es stellt sich heraus, dass er mein „Cousin“ ist und jetzt nehmen wir uns erst recht gegenseitig hoch. Ein paar Koranschüler kommen, stecken ihre Köpfe zusammen um den Weißen zu sehen, der Peulh spricht. Als die Leute hören, dass wir viele Jahre in Mali gelebt haben, kommt ein Satz, den wir bei solchen Gelegenheiten immer wieder hören: „Du bist einer von uns!“: du sprichst unsere Sprache, du hast hier gelebt, du kennst unseren Humor. Das ist nett gemeint, aber wir alle wissen, dass es nicht stimmt. Und zum 100sten Mal erinnere ich sie an ihr eigenes Sprichwort: „Ein Stück Holz kann noch so lange im Wasser liegen, ein Krokodil wird nie daraus werden“ und zum ersten Mal wird mir bewusst, wie paradox die Situation ist: Indem ich ihr eigenes Sprichworte in ihrer Sprache zitiere, versuche ich auszudrücken, dass ich zu ihnen gehöre, dass ich ihr Denken und ihre Kultur verstehe – und sage im Sprichwort genau das Gegenteil: „Ich werde nie einer von Euch sein!“ Wie sehr spiegelt das mein Leben in Mali wieder, diesen andauernden Konflikt zwischen „ich bin anders“ und „ich möchte den Maliern ein Malier sein“. Manchmal gibt sich das Stücken Holz der Illusion hin, wenigstens ein bisschen Krokodil zu sein – manchmal ist das Krokodil in mir froh sagen zu können, dass es ja nur ein Stück Holz ist.

Am Abend lesen wir über Bonhoeffers „gemeinsames Leben“ und zum ersten Mal verstehe ich nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit dem Herzen, was er meint, wenn er über geistliche und seelische Gemeinschaft schreibt: „Innerhalb der geistlichen Gemeinschaft gibt es niemals und in keiner Weise ein unmittelbares Verhältnis des einen zum anderen… Weil Christus zwischen mir und dem Anderen steht, darum darf ich nicht nach unmittelbarer Gemeinschaft mit ihm verlangen.“

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