Ich erzähle auch nicht alles…

Nun bin ich wieder zurück in Leipzig an meinem Schreibtisch. Drei Wochen Mali liegen hinter mir. Gerade zischen Blitze und dröhnen Donner über meinem Kopf – das hätte ich mir in Mali gewünscht, wird aber wohl mindestens noch 6 Wochen dauern, bis der erste richtige Regen fällt. Bis dahin lass ich die Malier allein mit der Hitze, aber, wie ich am letzten Tag im Gespräch mit Etienne schon festgestellt habe, „geteiltes Leid ist halbes Leid“, stimmt leider bei den Temperaturen nicht. Also würde es ihnen auch nichts nützen, wenn ich mitschwitzen würde…

Ich habe Euch manches erzählt aus Mali: spannendes, witziges, nerviges – Dinge, die Mut machen wie solche, die einen eher frustriert sein lassen. Aber alles habe ich Euch natürlich nicht erzählt. Manches ist einfach nicht für öffentliche Ohren bestimmt und anderes lässt sich kaum vermitteln, wenn man nicht selbst in der Kultur gelebt hat. Besonders habe ich kaum etwas über die politischen Entwicklungen berichtet, obwohl das sehr häufig Thema war. Und das hat vor allem folgenden Grund:

Die Meinungen in Mali über das, was sich dort politisch ereignet, driften so auseinander, dass es nicht möglich ist, ein irgendwie einheitliches Bild zu bekommen. Gerüchte machen die Runde, Interpretationen werden zu vermeintlichen Tatsachen. Manche sind fast begeistert, andere ziehen den Kopf ein. Und bei dem, was vor Ort passiert, lerne ich mehr und mehr (und das nicht nur in Mali!), dass es keine „unabhängige Berichterstattung“ gibt, wie wir uns das so oft wünschen. Wir hören von erfolgreichen Schlägen gegen die Jihadisten und andere sprechen bei demselben Ereignis von Massakern gegen die Bevölkerung. Was stimmt? Keiner war dabei und keiner, der darüber berichtet, tut das, ohne irgendeine Intention. Weder Malier noch Ausländer haben eine neutrale Sicht. Und keiner, der nach Mali kommt, um zu helfen (zumindest auf politisch, militärischer Ebene), tut das aus Nächstenliebe. Egal ob Franzosen (die abziehen wollten und dann vielleicht lieber doch nicht), Chinesen (die in zumindest einem Viertel Bamakos zahlreicher sind als die Malier), Russen (von denen mittlerweile keiner mehr bezweifelt, dass sie im Land sind) und wer sonst noch immer: alle haben wirtschaftliche oder geo-politische Interessen, die wenig damit zu tun haben, was die „normale“ Bevölkerung Malis braucht. Wer sind die Guten und wer die Bösen? Nein, darüber schreibe ich nichts, denn, egal was ich alles gehört, gelesen und gesehen habe, es ist nur ein kleiner Teil der Wahrheit und manchmal auch das Gegenteil davon.

Und auch den Maliern habe ich einiges über Deutschland und Europa erzählt: Wie sehr uns der Krieg zwischen Russland und der Ukraine betroffen macht und wie nah wir diesem Konflikt auch geografisch sind, wie Menschen in Deutschland ihr Heizöl nicht mehr bezahlen können, weil es 3 x soviel kostet wie noch vor 2 Jahren, wie Deutsche mit ihren Privatautos an die Grenze zur Ukraine fahren, um Lebensmittel und Medikamente zu bringen und vor dem Krieg geflüchtete Menschen mit zurück zu nehmen , wie Corona so verbreitet war, wie nie zuvor und doch keiner mehr „Lust“ hat, sich darüber aufzuregen.

Aber auch ihnen erzähle ich nicht alles. Dass zum Beispiel schon wieder das Clopapier in vielen Läden ausgegangen ist, weil panische Krisendeutsche es hamstern, oder dass ich aus Deutschland Schokoladenostereier für Manuel mitgebracht habe, damit der ein bisschen deutsche Ostern feiern kann (nein, das war NICHT seine Idee!).

Manches kann man erzählen, anderes behält man besser für sich und bespricht es mit Gott. Aber auch Er gibt mir keine objektive Berichterstattung. Wie sollte auch ein die Menschen liebender Gott objektiv sein? Oder ist vielleicht gerade das wahre Objektivität?

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