Haben Sie meinen Zahn gesehen?

Heute morgen fahren wir mit Meiers in den Nationalpark Malis. Bei der Vorstellung sollte man sich gedanklich nicht auf eine Safari in Ostafrika verirren. Es handelt sich um einen großen, sehr schön angelegten Park (ohne Tiere, die befinden sich im angrenzenden Zoo), mit diversen Fitnessangeboten. Es tut in einem Land wie Mali, noch dazu in einer Großstadt wie Bamako unglaublich gut, soviel Grün zu sehen und zu genießen. Das tun wir vier dann auch jeder auf seine Weise: Meiers und Karsten betätigen sich sportlich und ich entspanne lieber schlendernd oder lesend. Um diese Zeit sind nur wenige Besucher hier, aber viele Angestellte sind dabei zu gießen, zu kehren und weitere Pflegearbeiten zu verrichten.

Ich sitze auf einer Bank im Schatten und merke, wie sich ein gut gekleideter Malier nähert. Ich überlege, ob ich aufsehen und grüßen oder einfach weiter in meine Zeitschrift blicken soll. Grüßen ist in Mali eigentlich sehr wichtig, aber eine Situation wie diese ist nicht so klar.

Ich entscheide mich für’ s Grüßen. Der Mann kommt auf mich zu, grüßt ebenfalls, sieht dann auf den Boden und fragt: “Haben Sie hier einen Zahn gefunden?”

Es soll ja Listen geben im Sinne von: Die 20 originellsten Arten der Kontaktaufnahme u.ä., aber nein, mir ist sofort klar, dass diese Frage völlig ernst gemeint ist! Da mir bisher kein Zahn aufgefallen ist, ich zugegeben auch noch nicht danach gesucht hatte, stehe ich sofort auf und gemeinsam umrunden wir mit intensiven Blicken auf Schotter und Gras die Bank, auf der er, wie er mir dann erzählt, gestern Abend gesessen und dabei eine Brücke verloren habe… Leider werden wir nicht fündig, überlegen noch gemeinsam, ob hier vielleicht schon gekehrt wurde. Zum Abschied versichere ich ihm, wenn ich den Zahn noch fände, würde ich ihn vorne bei der Frau an der Kasse abgeben… Malische Alltagsbegegnungen – immer wieder eine Freude!

Wenn Jesus heute in Mali leben würde, vielleicht würde er nicht die Geschichte vom verlorenen Groschen oder Schaf erzählen. “Der verlorene Zahn” – das wäre doch mal eine kontexualisierte Fassung des Gleichnisses!

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