Tod eines Perlhuhns

Auf der Fahrt nach Niamana kommen wir mit Etienne an einem Hühnerverkaufsstand vorbei. Da steht es und lächelt mich an: ein Perlhuhn! Wie lange habe ich kein Perlhuhn mehr gegessen! Die letzten Jahre habe ich mir immer mal wieder vorgenommen ein Perlhuhn in Mali zu verzehren und es dann doch nicht geschafft – aber diesmal kommt es mir nicht davon! Auf der Rückfahrt von unserem Schulbesuch ist es immer noch da und wartet auf mich. Etienne bittet mich nicht so dicht am Stand zu parken, denn es würde den Preis in die Höhe treiben, wenn die Weißen dabei sind. So steigt er aus und kauft mein Perlhuhn, das nach abgeschlossenen Preisverhandlungen mit zusammengebundenen Beinen in unserem Auto landet. Ich weiß, ich sollte mich schämen, aber ich mache mir gar keine Gedanken über artgerechten Perlhuhntransport – immerhin, das Auto ist klimatisiert! Zuhause angekommen hüpft es erst mal trotz Laufhandicap aus dem Auto und versucht zu verschwinden, wird aber mit geschickter Hand und Mithilfe unseres Hundes wieder eingefangen und an eine Leine gelegt. Kurze Zeit später kümmert sich Sidiki, unser Wächter, um sein weiteres Ergehen und schneidet ihm die Kehle durch, rupft es und brennt die restlichen Federn über dem offenen Feuer ab – Männerarbeit. Christine, die uns hier im Haus hilft, ist für das Ausnehmen zuständig – Frauenarbeit. So bekomme ich nun mein Perlhuhn splitterfasernackt in einer Plastiktüte in die Hand gedrückt.

Im Kühlschrank darf es dann noch einen Tag die angenehme Frische genießen, bevor ich heute Abend mit der Tüte in der Hand ein paar Straßen weiter durch Bamako laufe – ein Straßengrill mein Ziel. Herr Tolo hat haufenweise Hühner auf die Spieße gesteckt, die sich nun schmackhaft tropfend auf seinem Grill drehen. Als er mich sieht, bekomme ich erst mal Vorwürfe gemacht, weil ich so lange nicht bei ihm war. Jetzt hofft er darauf ein paar Hähnchen bei mir loswerden zu können. Aber ich hole die Tüte hervor und zeige ihm mein Perlhuhn. Zwar wirkt er nicht gerade glücklich, aber dann zieht er ein Hähnchen vom Spieß, schiebt stattdessen mein Perlhuhn darauf, steckt das Ganze wieder auf den Grill und sagt mir, ich solle in einer Stunde wiederkommen – alles kein Problem.

Das tue ich dann auch gerne – Jochen und ich haben schon den Tisch gedeckt und freuen uns auf ein gutes Mahl. Jedoch als ich ankomme, erklärt mit Herr Tolo, dass es leider einen Stromausfall gegeben hat; somit konnte sich der Spieß nicht drehen und er keine Hähnchen und erst recht nicht mein Perlhuhn grillen – ich möge doch bitte in 20 Minuten wiederkommen. Na, da bleib ich doch lieber direkt eine halbe Stunde. Und dann, tatsächlich, ist mein Perlhuhn gar! Noch schnell gewürzt, ein paar Zwiebeln und ein paar Pommes dazu und ab nach Hause. Dort lassen wir es uns schmecken, stellen aber fest, dass wir uns doch besser nach dem Alter meines Perlhuhns hätten erkundigen sollen.

… wie wunderschön anders das Leben ist ohne Tiefkühlkost!

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