eng, laut, erfrischend

Sonntagmorgen in einer Gemeinde etwas außerhalb von Bamako:

Das Begrüßungsteam weist uns unsere Plätze zu: Karsten, der die Predigt halten wird, sitzt mit dem Pastor und den Ältesten vorne -der Gemeinde gegenüber. Manuel kommt nach links auf die Seite der Männer, ich nach rechts auf die Seite der Frauen und Kinder. Einmal mehr tauche ich in ein Meer an Farben ein, die bunten, aufwändig genähten Kleider der Frauen! Mehrere Paare großer dunkler Kinderaugen fixieren mich.

Als der Gottesdienst recht pünktlich beginnt, ist der Gemeindesaal schon recht voll. Das scheint mir ungewöhnlich, denn meistens kommen vor allem die Frauen erst nach und nach an. Ich beobachte fasziniert und amüsiert, wie immer noch Platz geschaffen wird. Das „Platzanweise-Team“ hat gut zu tun.

Kurze Zeit später wird das Platzproblem von vorne thematisiert: Der Pastor appelliert an die Mitglieder aufmerksam auf Gäste zu achten. Letztens seien Besucher gekommen, hätten gesehen, dass kein Platz mehr war und seien wieder gegangen. Das ginge nicht! Zur Not müsse der Chor (der im vorderen Seitenteil seinen festen Platz hat) diesen Bereich freimachen und nur zum Singen reinkommen. Das sei doch kein Problem, oder? – fragt er seine Gemeinde. Nein, kein Problem, wird ihm laut bestätigt.

Das Problem des zu klein gewordenen Raumes sei nicht einfach und schnell zu lösen. Bis sie gemeinsam eine Lösung gefunden hätten, zu der sie auch gemeinsam (durch Spenden für eine bauliche Erweiterung -Anm. der Redaktion 😉) beitragen könnten, müssten sie zusammenrücken und auch immer mal Platz für andere machen.

Wie viele Gemeinden in Deutschland hätten gerne dieses Problem?

Die 90 Minuten bis zur Predigt sind mit viel Gesang gefüllt. Während die Männer hier recht ruhig sitzen und singen, ist auf unserer Seite viel Bewegung. Mehrere Frauen stehen auf, klatschen im Rhythmus und tanzen im Rahmen dessen, was in den engen Reihen möglich ist.

Die Frau vor mir mit dem Baby auf dem Schoß bittet eine andere hinter ihr, den Reißverschluss ihres Kleides zu öffnen, damit sie ihr Kind besser stillen kann. Ich genieße dieses natürliche, unkomplizierte Miteinander.

Nach einigen gemeinsamen Lieder ist der Chor an der Reihe. Die meisten hier haben deutlich kräftigere Singstimmen als wir und regelmäßig frage ich mich, ob das Mikro wirklich nötig ist. Ein interessantes Phänomen ist auch, dass die Lieder von Sängern angestimmt werden. Das stammt aus der Zeit, als die Begleitung nur aus Rhythmusinstrumenten bestand. Für die inzwischen hinzugekommenen Gitarristen und Pianisten ist die Herausforderung oft groß, sich dann nachträglich „einzuklinken“.

Heute fällt mir die Lautstärke wieder stark auf. Liegt es an den vielen kleinen Kindern um mich herum, die mich an meine Enkel in dem Alter erinnern? Unsere Kinder (ihre Eltern) hätten beim Einsetzen der Musik panikartig den Raum mit ihnen verlassen, um ihre zarten Ohren zu schonen! Die Kids hier sind es offensichtlich gewohnt, keines wirkt auf mich irgendwie verstört.

Nach 90 Minuten verlassen dann ca. 40 Kinder den Raum zum Kindergottesdienst. Dadurch entsteht freier Platz und einige rutschen gerne wieder etwas auseinander.

Da Karsten nicht in der üblichen Sprache der Gemeinde, sondern auf Französisch predigt, dauert dies mit der nötigen Übersetzung auch seine Zeit.

Nach dem Gottesdienst spreche ich mit einem Mitglied der Gemeindeleitung über das schnelle Wachstum der Gemeinde in den letzten Jahren. Die meisten sind- wie er und seine Familie- zugezogen, weil sie in diesem Stadtteil ein Grundstück gekauft und darauf gebaut haben. Wie an vielen Orten „verschieben“ sich so die Mitglieder von einer Gemeinde in eine andere.

Danach haben einige Frauen für uns gekocht. Eine große Platte mit tollem Salat und eine Platte mit Hühnchen und Pommes. Wir sitzen alle um eine Bank zwischen uns und essen mit der Hand von den Platten. Da wir nicht alle gleichzeitig an alles drankommen, schlägt Djob, der Pastor, vor, dass wir mit der Salatplatte beginnen. Das wird auch angenommen, aber nach einigen Minuten wird zwar spaßig, aber wohl doch mit einem ernsten Hintergrund, die Befürchtung geäußert, dass wir uns an dem „Grünfutter“ sattessen und dann nicht mehr zu dem „eigentlichen“ Essen kommen. Also werden die Platten getauscht und es ist offensichtlich, was unsere malischen Brüder lieber essen…🙂 Dass wir uns in Deutschland größtenteils fleischlos ernähren, thematisieren wir hier eher nicht.

Der Pastor ist gleichzeitig ein Missionar aus Kamerun, der von einer dänischen Missionsgesellschaft nach Mali gesandt wurde. Im nächsten Jahr wird er mit seiner Familie in den Senegal weiterziehen. Warum? Zum einen reagiert die Missionsleitung auf die sich weiter verschlechternde Sicherheitslage. Man will vermeiden, dass die Mitarbeiter „Hals über Kopf“ eine Arbeit verlassen müssen. Und zum Zweiten liegt Job die Gründung und Unterstützung kleiner Gemeinden am Herzen. Hier ist viel gewachsen, reife Christen gehören zur Gemeinde.

Wir freuen uns über seine engagierte Art und klare Überzeugung. Und sein lautes, herzliches Lachen steckt an und tut gut!

 

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