Wer hat den Strom geklaut?

Wir kennen das sonst aus der heißen Jahreszeit: alle brauchen Strom. Die Ventilatoren laufen durchgehend und vor allem die Klimaanlagen saugen das Stromnetz leer. Und auf der anderen Seite laufen die Dieselgeneratoren heiß, können nicht auf volle Leistung gehen. Auch das Wasserkraftwerk produziert wenig Strom, weil der Niger in der Trockenzeit nur wenig Wasser führt.

Aber jetzt sind wir in der „kühlen“ Jahreszeit: der Bedarf ist geringer, die Generatoren können besser arbeiten und der Niger hat ausreichend Wasser. Und doch, in Bamako, der 4-5-Millionen-Hauptstadt Malis, sind die Stromausfälle mittlerweile die Regel. Oft über 8-10 Stunden wird der öffentliche Strom abgestellt. Mal gibt es in einem Viertel Strom, dann wieder in einem anderen. Eine Regelmäßigkeit lässt sich nicht ableiten – es bleibt jeden Tag eine Überraschung. Wir behelfen uns abends mit Taschenlampen, die Hofbeleuchtung ist eh schon länger über Solarleuchten gesichert. Immer wieder müssen aber unsere Mitarbeiter mehr oder weniger untätig im Büro sitzen, wenn die Akkus ihrer Laptops entladen sind. Hier und da schmeißen wir dann den alten Generator an: ein Museumsstück, das wir damals, als wir unsere jetzige Zentrale, die ehemalige Botschaft der DDR, kauften, mit übernommen haben und das nach unzähligen Reparaturen zwar immer noch arbeitet, aber ein ökologischer Supergau ist und Diesel trinkt wie ein Kamel nach eine Wüstenwanderung.

Aber das ist klagen auf hohem Niveau. Für zahlreiche Leute sind diese Stromausfälle existenzgefährdend: wenn die Kühlschränke ausfallen, vergammelt das gesamte Fleisch, das zum Weiterverkauf gelagert wurde, die Schneider können ihre Maschinen nicht mehr betreiben, die Schweißer erst recht nicht und in den Büros ist immer Kaffeepause (falls die Kaffeemaschinen einen Akku haben). Die Regierung erklärt öffentlich, dass die Kraftwerksbetreiber Unmengen an Diesel abzweigen und für die eigene Tasche verhökern. Auch seien nicht die bestellten, sondern billige, störanfällige Dieselgeneratoren angekauft worden. Die Kraftwerksbesitzer wehren sich und weisen alle Schuld von sich – erinnert mich irgendwie an Deutschland… Wo auch immer der Hase im Pfeffer liegt: die Situation ist mehr oder weniger katastrophal und schnelle Abhilfe dringend nötig. Jedoch die Gelassenheit, mit der die Bevölkerung darauf reagiert, ist für mich erstaunlich: immer wieder höre ich, dass es eben Situationen gibt, wo man durch muss. Die Hoffnung, dass die aktuelle Übergangsregierung die Dinge in den Griff bekommt und es daher normal ist, dass es bis dahin auch mal Einschnitte geben muss, ist groß. Respekt! Dass man über die eigene aktuelle Situation hinaussieht und im Blick auf langfristige Verbesserung auch vorübergehende Schwierigkeiten in Kauf nimmt, das ist etwas, was wir in Deutschland durchaus von den Maliern lernen können.

Für unsere Zentrale sind die Zukunftsaussichten deutlich besser: In hoffentlich ein paar Wochen kommt eine Solaranlage hier an, die uns weitestgehend autonom werden lässt und unseren Dieselgenerator überflüssig macht.

 

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