Rüstzeit in Ségou

Benjamin kann leider nicht mitkommen, denn in der letzten Nacht hat ein Zahn im so starke Schmerzen bereitet, dass er zum Zahnarzt in die Nachbarstadt muss, um sich den Zahn ziehen zu lassen. Er sieht wirklich ziemlich mitgenommen aus. Seine Frau Rachel aber kommt mit uns. In Ségou angekommen ruft uns der Präses an, dass es bei ihm später wird. Der Bus, der um 14:00 fahren sollte, steht 2 Stunden später immer noch in der Hauptstadt. Irgendwann ruft er noch mal an, wir sollen schon mal anfangen, es würde wohl Nacht werden, bis er da ist… Wir, das sind 2 Frauen und 6 Männer, sitzen draußen auf einer Kirchenbank und ein paar Plastikstühlen und plaudern über die verschiedensten Themen. Es macht uns immer wieder Freude einfach dabei zu sein, zuzuhören, wenn Geschichten erzählt werden, über die besten Fernbusgesellschaften philosophiert oder über Politik diskutiert wird. Es fällt uns immer wieder auf, wie viel einfach miteinander gelacht wird – selbst bei kurzen spontanen Begegnungen. Zwischendurch fahren wir ein Stück aus der Stadt raus. Hier hat das nationale Frauenkomitee der Kirche schon vor ein paar Jahren eEcksteinin Grundstück gekauft und wünscht sich, dort eine Schule bauen zu können. Gewissenhaft wird uns jeder Grenzstein gezeigt, der Brunnen begutachtet und ebenfalls ein kleines Zimmerchen, das schon gebaut wurde. Beim Plumpsklo wagen wir dann doch mal zu sagen, dass er nicht unbedingt nötig ist, uns alles zu zeigen… Abdias bekommt einen Anruf seiner Frau, dass seine Tochter bei einem Verkehrsunfall wohl den Arm gebrochen hat und ins Krankenhaus gebracht wird. Wir beten miteinander für ihre Gesundheit und eine Stunde später kommt die Nachricht, dass der Arm nicht gebrochen ist. Ein Mann kam bei dem Unfall ums Leben – auch das gehört hier zum Alltag; gerade im Verkehrt sterben so viele Leute. Nach dem Abendessen, das die Frauen aus der Gemeinde gemeinsam im Hof gekocht haben, wird Hezechiel dann doch sehr müde, so dass wir es irgendwann nicht mehr mit ansehen können und die Gesellschaft auflösen, damit er ins „Bett“ kann. Wir dürfen auf dem Dach unser Zelt aufschlagen und genießen es einmal mehr unter freiem Himmel bei Vollmond schlafen zu können. Irgendwann in der Nacht ist dann Enoc auch noch gekommen und so können wir am Morgen mit dem eigentlichen Programm starten. Zuerst denken für über einen Bibeltext nach. Ich wurde gebeten, die Bibelarbeit zu halten und bei den verschiedenen Gedanken ist mal ein zustimmendes Nicken und mal ein nicht zu interpretierendes vor sich hin schauen zu registrieren. Als ich dann allerdings einen Abschnitt des Textes anhand einer Tierfabel erläutere, sind alle hellwach, lachen, gehen mit, schütteln den Kopf und sagen mir nachher, dass sie zu diesem Text noch nie eine so leicht verständliche Auslegung gehört hätten – ich verstehe schon, warum Jesus so viel in Gleichnissen geredet hat. Und dann beten wir ein paar Stunden miteinander. Tatsächlich halten sich alle daran: das ist keine Sitzung, sondern eine Gebetszeit! Es wird nicht diskutiert, sondern verschiedene Dinge kurz erläutert und dann dafür gebetet. Wir sind dankbar, dass wir uns so treffen können und es uns wohl tatsächlich allen gut tut, eine solche Gemeinschaft miteinander zu haben.

Und nun sind wir wieder zurück in Bamako. Eine Woche im Norden, viel zu kurz für unser Empfinden, aber doch eine gute Zeit. Jetzt hat uns die Hauptstadt wieder. Mit allem wüsten Treiben, nahezu kompletter Anarchie im Straßenverkehr, Staub, Lärm, deutlich besserem Baguette und eindeutig mehr „Bleichgesichtern“ als in Sévaré (wo wir tatsächlich in der ganzen Zeit keinen einzigen dieser Gattung – außer uns selbst – zu Gesicht bekommen haben).

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