Vertrieben im eigenen Land

Er begegnet uns an allen Ecken und Enden: der Konflikt zwischen den Ethnien der Peulh und der Dogon. Menschen verlassen ihr Zuhause, andere bleiben und leben mit der ständigen Unsicherheit, was als nächstes passiert. Vor ein paar Tagen wieder einmal dieses Szenario: Die Dschihadisten befehlen einem ganzen Dorf dieses zu verlassen. Und sie stellen ein Ultimatum: wer bis dahin nicht weg ist, wird getötet. Was dahinter steht, weiß keiner so genau? Warum dieses Dorf und nicht ein anderes? Geht es nur darum Macht zu demonstrieren?

Was sollen die Leute anderes tun? Sie machen sich auf den Weg. Sie packen ihre sieben Sachen zusammen und ziehen in die nächste Stadt. Sie lassen ihr Dorf, ihre Heimat, ihre Felder allein. Mit Stöcken und Hacken kommt man nicht an gegen Kalaschnikows. Auch nicht mit Jagdgewehren. Also heißt es: irgendwohin abhauen. Irgendeinen Verwandten finden, bei dem man unterkommen kann. Mal sind es die Peulh, die vor den Dogon flüchten, mal ist es umgekehrt, mal flüchten beide gemeinsam vor einem unbekannten Feind. Keiner weiß mehr, wer hier was ist. Freund oder Feind? Opfer oder Täter? Und dann kommt der Hunger. Was soll man essen, wenn man sein Feld nicht mehr bebauten kann? Was hilft eine gute Regenzeit, wenn man auf der Flucht ist? Und dann sind da die Verwandten, bei denen man untergekommen ist. Schön, wenn man helfen kann, aber wenn man selbst kaum etwas hat, wird es sehr eng, wenn plötzlich 10 Leute im Hof stehen und Unterkunft und Essen brauchen.

Heute Morgen erzählte mir N., dass seine alte Mutter krank ist und dringend medizinisch versorgt werden muss. Sie wohnt in seinem Heimatdorf im Dogonland. Für einen Sohn in Mali ist es ein absolutes Muss ins Dorf zu fahren und der Mutter zu helfen – mit Geld, mit Nähe, mit mutmachenden Worten. N. fährt nicht ins Dorf, seine eigene Familie dort hat ihm gesagt, dass er das auf keinen Fall tun soll. Er sei bekannt bei den Dschihadisten. Wenn er in ein Sammeltaxi steigt, würde es nicht lange dauern und irgendwer würde dort anrufen und ihn ankündigen. Dann sind die Überlebenschancen nur noch klein… Sein eigenes Zuhause wird zum Selbstmordkommando.

Heute bin ich bei Amagana, dem Leiter von SIL-Mali (einer eng mit den Wycliff-Bibelübersetzern verbundene Organisation). Eigentlich gehören humanitäre Projekte überhaupt nicht in zu ihrem Aufgabenfeld, aber die Not der Menschen hier im Land haben sie bewogen uns zu kontaktieren, damit die Menschen auf der Flucht dieses Jahr ein bisschen zu Essen haben. Gemeinsam haben wir einen Partner gefunden, der Geld für Getreidekauf gegeben hat. Die Allianz-Mission hat mit dem, was möglich war, das Kapital etwas aufgestockt. Jetzt werden Hirse und Reis gekauft und über die Kirchen im Land verteilt. Im Vergleich zu dem, was da wirklich benötigt würde, ist das wenig, aber es ist zumindest ein Zeichen: wir haben Euch nicht vergessen. Und auch wenn wir nicht nachvollziehen können, was Ihr im Moment durchmachen müsst, wir bleiben an Eurer Seite.

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