Jacques und Naomi

Gut angekommen in Mali – entgegen der Nachricht der Fluggesellschaft flog das Flugzeug ungehindert von Paris nach Bamako – konnte ich trotz 30°C Temperaturunterschied gut schlafen und in den ersten Malitag einsteigen. Der begann mit ein paar Gesprächen mit Mitarbeitern unserer Zentrale und dem Leiter unserer Partnerkirche. Dabei ist es besonders interessant, die unterschiedlichen Einschätzungen der politischen Veränderungen in Mali zu hören: von „jetzt wird alles gut“ bis zu „an der Oberfläche scheinen die Konflikte besser zu werden, aber darunter ist es schlimmer als vorher“ ist hier alles zu hören. Die Spannung zwischen der malischen Regierung und Frankreich steigt: Gestern wurden zwei Sender von französischem Radio und Fernsehen in Mali verboten, weil die Berichterstattung über ein Massaker nicht den Tatsachen entsprochen haben soll. Heute ist der Vorsitzende der ECOWAS (westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft) in Bamako angekommen, um weiter mit der Übergangsregierung über Neuwahlen zu verhandeln. Und das Leben wird deutlich teuer, denn Mali bekommt nicht nur die Sanktionen der ECOWAS zu spüren, sondern gleichzeitig machen sich die wirtschaftlichen Folgen des Ukrainekrieges bemerkbar.

Und bei all diesen Veränderungen geht das ganz normale Leben weiter. Heute treffen wir Jacques und Naomi, ein Pastorenehepaar, das vor ein paar Jahren in Rente gegangen ist und immer wieder mithilft, wenn ein Pastor gebraucht wird. Vor ein paar Wochen sind sie nach Bamako gezogen, um ein Bibel-Verteilprojekt zu betreuen. Ein zuverlässiger Mann wurde gesucht, der letztlich nicht viel mehr tun muss als die Bibeln an die entsprechenden Kirchen und Organisationen rauszugeben und darüber Buch zu führen. Dafür freies Wohnen in Bamako und einen stattlichen Zuschuss zur Rente: kein schlechter Deal. Jacques und Naomi sind 1991 mit als erste Pastoren zur Arbeit der Allianz-Mission gestoßen und sie haben die meiste Zeit im Norden gearbeitet: zunächst in Sofara, einer sehr islamisch geprägten Stadt, dann in Kouna, wo das Kirchengrundstück und Pastorenhaus auf einem alten Friedhofsgelände standen („Wenn ich die Erde zum Pflanzen umgegraben habe, habe ich immer mal Knochen gefunden“) und sie mühsam versuchten zu den Menschen aus dem Dorf Vertrauen aufzubauen. Und zuletzt haben sie in Soufouroulaye gearbeitet: auch da haben sie über viele Jahre eine kleine Gemeinde betreut, gearbeitet und gebetet, dass Menschen dort den Mut finden, sich für Jesus zu öffnen. Treue Arbeiter, treue Beter, die nie viel Aufhebens um sich gemacht haben. Jacques und Naomi haben 11 Kinder. „Wieviel Enkel hast Du jetzt eigentlich, Jacques?“, frage ich, um mit meinen 8 Enkeln angeben zu können. Aber da bin ich an den Falschen geraten: „10“, antwortet er, ohne groß zu überlegen. Dann fängt er an seine Kinder durchzugehen. Die erste Tochter hat 8 Kinder, dann noch eine 8, ein Sohn 2… und so geht es weiter und weiter. Bei Enkel Nr. 28 komme ich nicht mehr mit. Fängt er jetzt wieder von vorne an oder geht das wirklich noch weiter? Enoc lacht und sagt: „Wenn Du in Afrika jemanden zum Beispiel fragst, wieviel Kühe er hat und er antwortet ‚wenigsten 2‘, dann kannst Du davon ausgehen, dass Du mindestens mit dem Faktor 10 multiplizieren musst, um die wirkliche Anzahl zu kennen.“ Na gut, aber Enkel sind ja keine Kühe – denn 100 haben Jacques und Naomi nun wirklich (noch) nicht!

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