Beersheba 4

3 Tage in Beersheba – gut 100 km entfernt von der Hauptstadt Dakar. Ein

Permakultur

Projekt, das verblüfft: mitten in einer Gegend, in der bis auf ein paar wenige Affenbrotbäume so gut wie nichts wächst, liegt ein zig-Hektar großes Areal mit Bäumen, so weit das Auge reicht, Gemüsebeeten, Papayabäumen, Permakultur, Biohühner- und Rinderzucht, einer Schule, einer Krankenstation, einem Heilpflanzengarten und und und. Vor über 20 Jahren hatten ein französischer Missionar und ein senegalesischer Pastor die Vision hier ein Zentrum zu errichten, in dem Christsein nicht nur gepredigt, sondern ein biblischer Umgang mit der Schöpfung in der Praxis gelehrt und umgesetzt wird.

Manuel bei Erfolgskontrolle

Schon vor Jahren habe ich von diesem Projekt gehört und mich sofort begeistert, als ich hörte, dass einige Malier die Initiative ergriffen haben, so etwas auch in ihrem Land zu starten. Jetzt habe ich Gelegenheit, selbst zu sehen, was hier geworden ist, meine Fragen zu stellen und zu überlegen, wie das in Mali aussehen könnte.

Die Früchte der Arbeit

Und ich treffe auf eine Reihe interessanter Leute: Da ist D., ein Senegalese, der für die Permakultur verantwortlich ist und den verschiedenen Praktikanten geduldig erklärt, wie man so eine Symbiose aus verschiedenen Pflanzen anlegt. Da ist A., ebenfalls aus dem Senegal, der nach den Erfahrungen in Beersheba nun in seinem Dorf eine Schweine- und Hühnerzucht startet. Und ich lerne J. kennen, einen nur aus Haut und Knochen bestehenden Niederländer, dem es besonders darum geht, den jungen Leuten

Ich darf auch mal gießen

die Bibel und einen biblischen Umgang mit Gottes Schöpfung beizubringen. Außerdem lässt er mich in seinem Lehmhaus mitwohnen und sein Bioclo benutzen. F. ist Spezialist darin Bäume zu pfropfen und eine Baumschule anzulegen – und er richtet sich streng nach den Regeln, die im alten Testament vorgegeben werden für alles, was mit Landwirtschaft zu tun hat. Außerdem bin ich zu Gast bei E. und H., die mich hierhin eingeladen haben – er aus Frankreich, sie aus Corea und beide mit einer starken Vision und viel Glauben für dieses Projekt. Sie erzählen von den schönen wie von den schweren Erlebnissen in den vergangenen Jahren. Es ist hier nicht alles rosig. Hier leben und arbeiten Menschen zusammen, manche sind engagiert, andere kaum zu motivieren, einige identifizieren sich mit

Heilpflanzenproduktion

Beersheba und sind von Anfang an dabei, manch anderer macht sein eigenes Ding und da gibt es auch schmerzhafte Trennungen. Auch am Konzept scheiden sich die Geister: Manche sehen darin ein Modell, bei dem es keine Rolle spielt, dass viel Geld aus dem Ausland geflossen ist, andere wünschten sich einen Ansatz, der leichter von ganz normalen Menschen aus den Dörfern hier selbst zu realisieren ist. Aber egal ob man mit allem 100% „d’accord“ ist oder manches kritisch sieht: es ist ein Stück weit eine Oase, die Menschen Arbeit gibt, sie lehrt, dass Gott so viel in Seine Schöpfung hineingelegt hat und man sie nicht ausbeuten muss, um sich davon ernähren zu können.

Beersheba Senegal hat schon eine lange Geschichte. Beersheba Mali hat gerade erst begonnen. Wird es seine ganz eigene Entwicklung machen und ebenfalls zu einer Oase in der malischen Savanne werden? Werden vielleicht auch wir in Europa von solchen Initiativen lernen, dass der sorgsame Umgang mit Gottes Schöpfung zu unserem Glauben dazu gehört?

Abstecher in den Senegal

Überraschung – ich bin nicht in Mali, sondern im Senegal gelandet. Nicht weil das Flugzeug den falschen Flughafen angesteuert hat, sondern vielmehr, weil ich einen mehrtägigen Aufenthalt hier geplant habe. Erinnert Ihr Euch noch an das Projekt Beersheba, von dem ich schon zweimal berichtet habe? Im senegalesischen Beersheba, aus dem der Grundgedanke für Mali entstanden ist, macht Manuel gerade ein mehrmonatiges Praktikum und so habe ich Gelegenheit ihn zu besuchen und das Projekt aus eigener Anschauung kennen zu lernen. Daher sitze ich nun in Dakar am Flughafen und warte auf die netten Leute, die mich abholen und zu dem Projektort bringen – die Flüge liefen problemlos, das Gepäck ist da und das Klima ist angenehm. Was will man mehr?

 

„Der Doktor macht sich wieder ab nach Afrika“

Es ist jetzt über 17 Jahre her, dass ich unsere Allgemeinarztpraxis in Leipzig übernommen habe. Vieles hat sich seitdem in dieser Welt und in unserem Leben verändert. Aber eine Sache beweist eine unglaubliche Beständigkeit: die Gerüchte, dass wir wieder zurück gehen nach Mali. Es reicht, dass auch nur für 2 Wochen ein Medizinstudent ein Praktikum bei uns absolviert und es dauert nur wenige Tage, bis uns von irgendwo zugetragen wird, dass das ja wohl der neue Arzt sei, dem ich die Praxis übergebe, wenn wir wieder nach Mali zurück gehen. Einmal wurde diese zweifelhafte Ehre sogar einem 16-jährigen zuteil, der nur sein Pflicht-Schulpraktikum bei mir machte. Was da wohl hinter steht? Eher Hoffnung („egal wer kommt – kann ja nur besser werden“) oder doch ein bissen Wehmut? Wer will das beurteilen?

Auf jeden Fall waren auch die letzten Wochen wieder interessant. Die neusten Vermutungen sagten, mein Kollege Alex habe gekündigt, die Praxis würde geschlossen und Gerlind und ich hätten uns eine Villa in Afrika gebaut. Nun, Alex ist immer noch da (und wird es hoffentlich auch noch sein, wenn ich schon in Rente bin, die Praxis hat die Türen weiter geöffnet und das mit der Villa überlegen wir uns noch 😊.

Aber in einer Sache haben die Gerüchte recht: „Der Doktor macht sich wirklich wieder ab nach Afrika“ – wenn auch nur für ein paar Wochen. Und dass ich die Absicht habe wiederzukommen, sieht man daran, dass ich Gerlind in Leipzig gelassen habe. Und so werden Euch in den nächsten Tagen wieder ein paar Mails ins Haus flattern von dem, was mir auf dem anderen Kontinent so begegnet. Ich blicke der Zeit gespannt entgegen, denn wie immer lässt sich vieles von Deutschland aus nur sehr schlecht planen und etliches vom Programm wird erst vor Ort entstehen. Ich freue mich, wenn Ihr mich wieder in Gedanken (und manche auch in Gebeten) begleitet.

Deutschland – Mali und zurück

Letzter Tag in Bamako. Auf dem Dach unserer Zentrale. Die Sonne geht auf. Bei uns wie bei Euch. Nur 30 °C Unterschied und ob Ihr sie sehen könnt, weiß ich nicht. Wir treffen uns noch mit einer Gruppe von Missionaren verschiedener Missionsgesellschaften, die in Mali arbeiten. Wenige sind es geworden. Und sie sehen nicht alle europäisch oder nord-amerikanisch aus. Heute sitzen zwei kamerunische Missionare mit am Tisch. Ein Brasilianer konnte leider nicht kommen. Wie erfrischend, dass Christen aus verschiedenen Kontinenten und Ländern Jesu Liebe zu den Menschen in Mali bringen möchten. Und wie schade, dass es so viel schwieriger geworden ist. Vor nun 99 Jahren haben die ersten evangelischen Missionare aus den USA ihren Fuß auf malischen Boden gesetzt. Mittlerweile sind in Mali verschiedene Kirchen mit vielen tausend Christen entstanden. Und doch werden voraussichtlich nur noch einige wenige Mitarbeiter dieser Missionsgesellschaft das 100ste Jubiläum in Mali feiern können – und das auf gepackten Koffern, weil sie alle zurückbeordert wurden. Zu gefährlich?

Der kamerunische Pastor erzählt uns die biblische Geschichte, wie Jesus erst im Boot schläft, von den ängstlichen Jüngern geweckt wird und den Sturm stillt. Und er vergleicht den See mit Mali, macht uns Mut nicht zuerst den Sturm, sondern Jesus zu sehen.

Am Nachmittag heißt es Koffer packen, verabschieden, die letzten Reste aus dem Kühlschank verwerten.

 

Letzter Abend in Bamako. Auf dem Dach unserer Zentrale. Der Vollmond geht auf. Bei uns wie bei Euch. Aber so viel Unterschied – zwischen hier und dort, zwischen dem, was wir hier gerade erleben und der Welt, in der wir ab morgen wieder zu Hause sein werden. Und Gott lässt seine Sonne und seinen Mond aufgehen in Mali wie in Deutschland.

 

 

 

 

 

 

 

 

Ohne Schulbesuch geht nicht!

Klar, das gehört dazu – der Besuch bei der Schule, die wir mit Hilfe der Kinder des Bundes Freier evangelischer Gemeinden bauen und ausstatten konnten. Aber diesmal war fest geplant die zweite Schule zu besuchen, die ca. 400 km im Nordosten von Bamako, in San, liegt. Das Schulgebäude hatten wir vor ein paar Jahren in einem Neubaugebiet gebaut, aber leider ging der Zuzug doch langsamer vonstatten, als wir das gedacht hatten und so scheiterte der erste Versuch, die Schule zu eröffnen daran, dass nicht genug Schüler kamen. Dieses Jahr wurde ein ortsansässiger Lehrer in Rente engagiert, um über die neue Schule zu informieren. So ging er von Tür zu Tür und erklärte den neu Hinzugezogenen, dass zum neuen Schuljahr das erste Schuljahr beginnen würde. Und tatsächlich schrieben sich 16 Schüler ein und so konnte ein guter Anfang gemacht werden. Dachten wir… Drei Tage vor dem ersten Schuljahr kündigte plötzlich unser Lehrer, der vorher selbst um die Versetzung von Bamako nach San gebeten hatte. Das war natürlich ein harter Schlag, die Suche nach einem Ersatz lief auf Hochtouren, eine junge Dame wurde gefunden und tatsächlich war zum ersten Schultag alles bereit.

Kräftemessen in der Pause

Nur unser Besuch wurde vereitelt: als wir aufbrechen wollten, stellte sich heraus, dass die Studenten mal wieder aufgrund der schlechten Studienbedingungen streikten und, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, sorgten Streikwächter dafür, dass auch alle Schulen mitstreikten. Das leere Gebäude wollten wir uns allerdings nicht anschauen und so fiel unsere Reise ins Wasser.

Kinder der ersten Stunde

Stattdessen besuchten wir die Schule, die mittlerweile schon die 6. Klasse hat. Eine kleine Gruppe von Kids hat die Schule von der 1. bis zur 6. Klasse besucht und es ist schön zu sehen, wie aus den kleinen Erstklässlern mit ihren unbeholfenen Schreibversuchen mittlerweile junge „Damen und Herren“ mit einer vernünftigen Ausbildung geworden sind. Ob sie auch noch in der Mittelstufe dabei sein werden? Die beginnt im nächsten Jahr.

(Und hier ein kleines Video der Vorschulkinder!)

Auf die Müllhalde geflüchtet

2018 fing es an – immer wieder massive Konflikte zwischen den Ethnien der Peulh und der Dogon. Das jahrhundertelange Zusammenleben von Viehhirten und Ackerbauern wurde durch wechselseitige tödliche Angriffe abrupt beendet. Hass statt friedlicher Nachbarschaft. Gewalt statt Konfliktlösung durch Verhandlungen. Dort wo mehrheitlich Peulh wohnten, wurden die Dogon vertrieben und umgekehrt. Wem sein Leben lieb war, der suchte das Weite. Aber was heißt „das Weite“? Im Lande herumirren, vielleicht zu irgendwelchen entfernten Verwandten, oft in die Hauptstadt Bamako, die eh schon völlig überfüllt ist und ständig wächst. Aber was sollen Nomaden, Viehhirten in der Großstadt? Einziger Platz, wo man sich niederlassen konnte, war eine riesige Müllkippe, wo die Bewohner Bamakos ihre Abfälle hinbringen ließen. Das war das neue Zuhause: Leben auf Plastiktüten, Autoreifen, Blechdosen, Essensresten – natürlich alles illegal. Die lokalen Behörden griffen irgendwann ein, versuchten eine Umsiedlung in andere Gebiete außerhalb der Stadt, aber mittlerweile hatte sich ein neues Gefüge entwickelt. Manche verdienten sich mit etwas Brauchbarem aus dem Müll etwas Geld, ein paar Hirten kauften sich krankes Vieh, päppelten es auf und verkauften es weiter. Ein kleiner Markt war entstanden – das bisschen, was man sich erarbeitet hatte, wollte man nicht einfach aufgeben – selbst wenn es auf einer Müllhalde ist. Mit Hilfe von diversen Organisationen und Privatinitiativen wurden die Lebensbedingungen ein wenig verbessert: Etwas Erde auf den Müll kippen, eine Tiefbohrung für das Trinkwasser und hier und da ein ummauertes Loch als Toilette. So etablierte sich das Flüchtlingscamp in Bamako-Faladié und mittlerweile leben hier fast 650 Familien bzw. 4.000 Menschen. Auch an den Hütten lässt sich erkennen, wie zusammengewürfelt alles ist: hier und da gibt es ein paar Sperrholzhütten mit Blechdach, direkt daneben solche, die komplett aus Blech sind – mittags im Mai bei schon im Schatten 45°C kann sich dort wohl kaum ein menschliches Wesen aufhalten. Und vor allem Hütten aus Stroh, Zweigen, Karton, Plastiktüten – halt alles, was man so finden kann. Zweimal schon hat es ein großes Feuer in diesem Flüchtlingslager gegeben und es ist nicht schwer sich vorzustellen, wie schnell dort alles niederbrennen kann.

Wir bewegen uns fröhlich grüßend und schwatzend zwischen den Hütten. 70% der Leute hier sind Peulh und da wir ihre Sprache sprechen, sorgen wir für viel Verwunderung und wirken vielleicht etwas weniger als Fremdkörper. Die Stimmung ist keineswegs gedrückt oder hoffnungslos. Es fühlt sich fast an wie früher bei meinen Reisen in die Peulhdörfer – aber alles improvisiert und im Hintergrund die Skyline of Bamako.

Cissé, der uns alles erklärt und uns diversen Menschen vorstellt, arbeitet schon lange hier – wohl zu Beginn ehrenamtlich, jetzt aber hauptberuflich – sieben Tage die Woche. Er zeigt uns einen kleinen Raum, der als Krankenstation dient. Dreimal pro Woche kommt hier ein junger Arzt hin, um zu konsultieren und ein paar Medikamente zu verschreiben, die im Nachbarraum, der „Apotheke“, aufbewahrt werden. Dreimal pro Woche für 4.000 Menschen in erbärmlichen hygienischen Verhältnissen – keine Ahnung, wie das gehen soll. In Leipzig habe ich selbst mehrere Jahre in einem Flüchtlingscamp Sprechstunde gehalten. Da fand ich die Möglichkeiten schon sehr begrenzt, aber hier… Und im Moment ist Trockenzeit – ich möchte mir gar nicht vorstellen, was hier in der Regenzeit abgeht!

Was hier an Hilfe ankommt, ist ein bunter Flickenteppich von staatlichen Maßnahmen und diversen Menschen und Organisationen, die mal hier mal da etwas beisteuern und dann wieder verschwinden. Cissé versucht das irgendwie zu koordinieren und dabei im Auge zu behalten, dass niemand bevorzugt wird. Respekt!

Wir verabschieden uns, Amadou fährt uns mit seinem Motorrad voraus, damit wir den Weg aus dem Camp finden. Dogon und Peulh zusammen – beide auf der Flucht vor dem jeweils anderen und doch jetzt verbunden in ihrer Heimatlosigkeit. Könnte das hier nicht ein Beginn für Versöhnung sein? Mitten auf der Müllkippe? Könnten unsere mehrheitlich von Dogon besuchten Kirchen in Mali vielleicht eine Rolle dabei spielen?

 

Josué – ein Nachruf

Schon in der Zeit als wir noch dauerhaft in Mali lebten kannten wir Josué. Er war damals Schüler am Gymnasium und ab und zu besuchte er uns und wir erinnern uns gerne an die offenen Gespräche und seine positive Art. Später machte er eine Ausbildung als Krankenpfleger, arbeitete mit unserer Hilfsorganisation (Stiftung AGAPE) und ging 2001 als Leiter der Krankenstation in Mankoina in die Nähe der Grenze zu Burkina Faso. Obwohl er zu einer anderen Ethnie gehörte als die Bevölkerung dort, lebte er sich gut ein und versorgte über viele Jahre die Menschen in dieser sehr abgelegenen Gegend. Leider veränderte sich dort seine Lebensweise: kaum Bewegung, viel Schweinefleisch und reichlich Karitebutter (beides ist dort sehr üblich) führten dazu, dass er immer mehr an Gewicht zunahm. Dadurch wurde seine Beweglichkeit weiter eingeschränkt und bald machten ihm schon kleine Strecken große Mühe. Der malische Verantwortliche versetzte ihn zuerst ins AIDS-Zentrum im Nordosten des Landes und später in die Nähe von Bamako, um dort eine neue Gesundheitsarbeit in einer abgelegenen Gegend zu beginnen.

Josué, Daniel und Manuel auf der Fahrt nach N’Gouraba

Trotz Gewichtsabnahme und mehr Bewegung erlitt er vor wenigen Jahren einen Herzinfarkt und war seitdem noch weniger leistungsfähig. Dennoch versuchte er seinen Aufgaben weiter nachzukommen, denn die Menschen in den Dörfern der neuen Arbeit lagen ihm am Herzen. Trotz der Medikamente, die er nun regelmäßig einnahm, wurde seine Gesundheit nicht besser. Mehrmals musste er Fahrten abbrechen, weil sein Brustkorb schmerzte. Einmal, so wurde uns erzählt, ließ er sich einen Eisblock bringen, um ihn auf sein Herz zu legen, weil er so starke Schmerzen hatte. Aber es gab keinen Herzkatheter, keinen Stent und erst recht keine Bypass-OP – wir sind eben in Mali. Im März noch habe ich ihn und seine Familie besucht. Sein lebendiger Glaube, sein Engagement für seine Kirchengemeinde und auch seine positive Art als Familienvater haben uns immer wieder imponiert.

Vor 3 Wochen ist Josué mit 47 Jahren gestorben – höchstwahrscheinlich wieder ein Herzinfarkt und keine Klinik weit und breit, die ihm helfen konnte.

Heute haben wir seine Frau besucht, um ihr unser Beileid auszusprechen. Sie ist nun mit ihren 5 Kindern allein, das heißt ohne Ehemann und Vater, denn immerhin sind die Familienbande hier viel enger als bei uns und so wird sie die Großfamilie unterstützen.

 

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Wenn wir an Gesundheit in Afrika südlich der Sahara denken, dann fallen uns Malaria, AIDS, Mangelernährung und ähnliches ein. Aber immer mehr wird das ein Problem, was wir in Deutschland verrückterweise „Zivilisationskrankheiten“ nennen: Bluthochdruck, Diabetes, Fettstoffwechselstörungen… Und während wir uns in Deutschland darüber aufregen, wenn wir 3 Monate auf einen Facharzttermin warten müssen, fehlen hier oft ganz einfache Dinge wie Aufklärung über gute Ernährung, das Wissen um die Notwendigkeit von sportlicher Betätigung und richtig dosierte Basismedikamente bei diesen Erkrankungen.

 

 

Fahren als gäbe es kein Morgen

Heute habe ich ein Treffen auf der anderen Seite des Nigers. Ein Mitarbeiter warnt mich schon mal vor, ich solle ein bisschen eher fahren, ein Teilstück der Straße sei gesperrt und er erklärt mir, welche Alternativroute ich nehmen kann. Also 10 Minuten eher losfahren als geplant. Kein Problem: die „Straßen“ sind zwar alles andere als frei, aber man kommt vorwärts und die ca. 8 km sind in 45 Minuten geschafft. An den Ampeln stehen blau-uniformierte Polizisten und regeln den Verkehr bzw. winken Autos raus, um sie zu kontrollieren. Augen geradeaus, unauffällig gucken, entspannt weiter fahren, sonst kann man bei den Kontrollen und beim Argumentieren über den vermeintlichen Fahrfehler schon mal leicht eine halbe Stunde verlieren. Der Rückweg allerdings gestaltet sich etwas schwieriger: Die Brücke wird wegen des Berufsverkehrs in eine Richtung gesperrt und so muss man einen Umweg über die zweite Brücke nehmen. Der Verkehr ist jetzt dichter, an manchen Stellen schiebt man sich nur durch – immer auf der Hut vor den grünen Sammeltaxis, die sich überall vorbei drücken, keine Rücksicht auf Verluste: sieht man sich ihr Blech an, wird schnell klar, dass man sich vor ihnen in Acht nehmen muss. Etwas später komme ich dann an der Umleitung an. Jetzt wird es immer enger. Autos, Busse, dreirädrige Motorräder und Unmengen von Zweirädern aller Größen, alle schieben sich in einen winzigen Korridor, den ein parkender Bus gelassen hat. Würde alles gehen, wenn nicht von der anderen Seite genauso viele Autos, Busse, dreirädrige Motorräder und Unmengen von Zweirädern dieselbe Lücke in Anspruch nehmen wollten. Nach kurzer Zeit ist alles dicht. Nichts geht mehr, rien ne va plus! Fahrer steigen aus, schütteln den Kopf über so viel Dreistigkeit der jeweils anderen Seite. Motorräder versuchen, ob sie nicht doch noch irgendwo eine Lücke finden können. 2 Fahrradfahrer heben ihre Räder über Autodächer und Köpfe und marschieren so durch das Chaos. Ich stehe mittendrin, kein Vor, kein Zurück. Früher stellte sich in diesen Situationen eine gewisse Panik ein: Hier kommst du nie wieder raus – wie auch, vor dir und hinter dir nichts als blockierte Fahrzeuge! Mittlerweile habe ich genug Erfahrung, um zu wissen: irgendwann geht es weiter, einfach stehen bleiben und abwarten. Nach ausreichend Kopfschütteln und Gestikulieren der jeweiligen Fahrer fängt dann irgendwo eine kleine Bewegung an: ein paar Autos fahren ein Stückchen rückwärts. Ein wenig Platz entsteht, der jetzt dazu genutzt werden könnte, dass vielleicht ein blockiertes Fahrzeug etwas Spielraum bekommt. Aber nein, sofort stürzen sich gefühlt hunderte von Motorrädern in die Lücke wie Fliegen auf frische Hundesch… Wieder Gestikulieren, wieder Kopfschütteln, wieder ein paar energische Kommentare. Doch dann irgendwann, wie aus dem Nichts, löst sich der Knoten. Ein blockiertes Auto findet eine Lücke, öffnet ein Stück Straße, andere folgen und der Verkehr rollt wieder, langsam, aber es geht. Leider nur bis zur nächsten Querstraße, da fängt alles wieder von vorne an. Irgendwo steht ein Polizist, nimmt seine Pfeife in den Mund und stellt sich ein paar zu dreisten Autofahrern in den Weg. Aber auch er kann nicht viel machen, holt sein Motorrad und fährt wieder weg.

Mitten in diesem nicht enden wollenden Gedränge sitze ich in meinem klimatisierten Auto – wenigstens etwas! Aber kann ich das verantworten? Den Motor ständig laufen zu lassen, während der Verkehr steht. Nein! Ein bisschen Ökologie muss schon noch möglich sein. Also Motor aus und Fenster runter. Uff, 34 °C, die Sonne noch am Himmel und was ich da alles einatme, möchte ich gar nicht wissen. Also Fenster wieder hoch, Motor und Klimaanlage wieder an. Nach 3 Minuten ohne Bewegung wieder das schlechte Gewissen, Motor wieder aus, Fenster wieder runter und so weiter und so weiter.

2 Stunden war ich insgesamt im schönen Chaos Bamakos unterwegs und das Beste: Mein Gesprächspartner hatte den Termin vergessen und war nicht da. Es war ihm peinlich, er musste sich um einen kranken Freund kümmern, da war ihm das völlig entfallen. Vielleicht an einem anderen Tag nochmal?

Während ich so im Hier-geht-gar-nichts-mehr-Smog stehe, sinniere ich darüber nach, wie stark doch der Verkehr die Kultur widerspiegelt: Wenn sich irgendwo ein Weg öffnet, dann muss man ihn nutzen. Nicht lange nachdenken, was das für Konsequenzen hat, das kann man später ja sehen. Das Hier und Jetzt zählt. Irgendwie wird es dann doch weiter gehen und tatsächlich – irgendwie geht es immer weiter. Und genauso wie ich im Straßenverkehr immer wieder hin und her gerissen bin zwischen Faszination und Entsetzen, geht mir das in dieser Kultur auch so. Und es geht immer weiter. Man improvisiert, man stopft Löcher, man nutzt spontan sich bietende Möglichkeiten.

 

P.S.: Tatsächlich ist gestern unser Gepäck angekommen – alles wohlbehalten! Schön, mal wieder etwas anderes anziehen zu können!

 

eng, laut, erfrischend

Sonntagmorgen in einer Gemeinde etwas außerhalb von Bamako:

Das Begrüßungsteam weist uns unsere Plätze zu: Karsten, der die Predigt halten wird, sitzt mit dem Pastor und den Ältesten vorne -der Gemeinde gegenüber. Manuel kommt nach links auf die Seite der Männer, ich nach rechts auf die Seite der Frauen und Kinder. Einmal mehr tauche ich in ein Meer an Farben ein, die bunten, aufwändig genähten Kleider der Frauen! Mehrere Paare großer dunkler Kinderaugen fixieren mich.

Als der Gottesdienst recht pünktlich beginnt, ist der Gemeindesaal schon recht voll. Das scheint mir ungewöhnlich, denn meistens kommen vor allem die Frauen erst nach und nach an. Ich beobachte fasziniert und amüsiert, wie immer noch Platz geschaffen wird. Das „Platzanweise-Team“ hat gut zu tun.

Kurze Zeit später wird das Platzproblem von vorne thematisiert: Der Pastor appelliert an die Mitglieder aufmerksam auf Gäste zu achten. Letztens seien Besucher gekommen, hätten gesehen, dass kein Platz mehr war und seien wieder gegangen. Das ginge nicht! Zur Not müsse der Chor (der im vorderen Seitenteil seinen festen Platz hat) diesen Bereich freimachen und nur zum Singen reinkommen. Das sei doch kein Problem, oder? – fragt er seine Gemeinde. Nein, kein Problem, wird ihm laut bestätigt.

Das Problem des zu klein gewordenen Raumes sei nicht einfach und schnell zu lösen. Bis sie gemeinsam eine Lösung gefunden hätten, zu der sie auch gemeinsam (durch Spenden für eine bauliche Erweiterung -Anm. der Redaktion 😉) beitragen könnten, müssten sie zusammenrücken und auch immer mal Platz für andere machen.

Wie viele Gemeinden in Deutschland hätten gerne dieses Problem?

Die 90 Minuten bis zur Predigt sind mit viel Gesang gefüllt. Während die Männer hier recht ruhig sitzen und singen, ist auf unserer Seite viel Bewegung. Mehrere Frauen stehen auf, klatschen im Rhythmus und tanzen im Rahmen dessen, was in den engen Reihen möglich ist.

Die Frau vor mir mit dem Baby auf dem Schoß bittet eine andere hinter ihr, den Reißverschluss ihres Kleides zu öffnen, damit sie ihr Kind besser stillen kann. Ich genieße dieses natürliche, unkomplizierte Miteinander.

Nach einigen gemeinsamen Lieder ist der Chor an der Reihe. Die meisten hier haben deutlich kräftigere Singstimmen als wir und regelmäßig frage ich mich, ob das Mikro wirklich nötig ist. Ein interessantes Phänomen ist auch, dass die Lieder von Sängern angestimmt werden. Das stammt aus der Zeit, als die Begleitung nur aus Rhythmusinstrumenten bestand. Für die inzwischen hinzugekommenen Gitarristen und Pianisten ist die Herausforderung oft groß, sich dann nachträglich „einzuklinken“.

Heute fällt mir die Lautstärke wieder stark auf. Liegt es an den vielen kleinen Kindern um mich herum, die mich an meine Enkel in dem Alter erinnern? Unsere Kinder (ihre Eltern) hätten beim Einsetzen der Musik panikartig den Raum mit ihnen verlassen, um ihre zarten Ohren zu schonen! Die Kids hier sind es offensichtlich gewohnt, keines wirkt auf mich irgendwie verstört.

Nach 90 Minuten verlassen dann ca. 40 Kinder den Raum zum Kindergottesdienst. Dadurch entsteht freier Platz und einige rutschen gerne wieder etwas auseinander.

Da Karsten nicht in der üblichen Sprache der Gemeinde, sondern auf Französisch predigt, dauert dies mit der nötigen Übersetzung auch seine Zeit.

Nach dem Gottesdienst spreche ich mit einem Mitglied der Gemeindeleitung über das schnelle Wachstum der Gemeinde in den letzten Jahren. Die meisten sind- wie er und seine Familie- zugezogen, weil sie in diesem Stadtteil ein Grundstück gekauft und darauf gebaut haben. Wie an vielen Orten „verschieben“ sich so die Mitglieder von einer Gemeinde in eine andere.

Danach haben einige Frauen für uns gekocht. Eine große Platte mit tollem Salat und eine Platte mit Hühnchen und Pommes. Wir sitzen alle um eine Bank zwischen uns und essen mit der Hand von den Platten. Da wir nicht alle gleichzeitig an alles drankommen, schlägt Djob, der Pastor, vor, dass wir mit der Salatplatte beginnen. Das wird auch angenommen, aber nach einigen Minuten wird zwar spaßig, aber wohl doch mit einem ernsten Hintergrund, die Befürchtung geäußert, dass wir uns an dem „Grünfutter“ sattessen und dann nicht mehr zu dem „eigentlichen“ Essen kommen. Also werden die Platten getauscht und es ist offensichtlich, was unsere malischen Brüder lieber essen…🙂 Dass wir uns in Deutschland größtenteils fleischlos ernähren, thematisieren wir hier eher nicht.

Der Pastor ist gleichzeitig ein Missionar aus Kamerun, der von einer dänischen Missionsgesellschaft nach Mali gesandt wurde. Im nächsten Jahr wird er mit seiner Familie in den Senegal weiterziehen. Warum? Zum einen reagiert die Missionsleitung auf die sich weiter verschlechternde Sicherheitslage. Man will vermeiden, dass die Mitarbeiter „Hals über Kopf“ eine Arbeit verlassen müssen. Und zum Zweiten liegt Job die Gründung und Unterstützung kleiner Gemeinden am Herzen. Hier ist viel gewachsen, reife Christen gehören zur Gemeinde.

Wir freuen uns über seine engagierte Art und klare Überzeugung. Und sein lautes, herzliches Lachen steckt an und tut gut!

 

Pastor, Gärtner, Fischzüchter

David kennen wir schon viele Jahre. Gemeinsam haben wir in den 90ern unsere ersten Jahre in Sévaré im Nordosten des Landes verbracht – er als Pastor in seiner ersten Stelle nach der theologischen Ausbildung, wir als frisch eingeflogene Missionare. Nun ist er schon seit Jahren Pastor einer Kirche in Bamako. Immer wieder sind wir beeindruckt davon, wie offen er für Neues ist. Wir genießen den Austausch mit ihm, weil man auch mal miteinander Ideen entwickeln, ins „Unreine“ sprechen kann. Aber auch in wirtschaftlicher Hinsicht ist David kreativ und probiert gerne Neues. Ein Pastorengehalt in Mali – davon kann in der Regel keiner seine Familie ernähren, besonders, wenn man noch erwachsene Kinder „durchfüttern“ muss. Also lässt sich jeder etwas einfallen, aber oft genug funktioniert das nicht so, wie man sich das wünscht. Heute werden wir Zeuge von dem, wie David sein Gehalt aufbessert:

Da ist zunächst einmal sein Salatprojekt: Neben Wohn- und Gemeindegrundstück hat er ein Stück Land genutzt und pflanzt dort Salatköpfe. Gedüngt wird nur mit natürlichem Material und das Wasser zum Gießen kommt nicht aus dem verdreckten Fluss oder sonstigen zweifelhaften Quellen, sondern aus seinem sauberen Brunnen. Auch verwendet er keine Insektizide. Da die Leute hier mehr und mehr darauf achten gesunde Lebensmittel zu sich zu nehmen, kommt mittlerweile das halbe Stadtviertel zu ihm, um Salat zu kaufen. Das bringt Geld in die Haushaltskasse und außerdem nimmt es Berührungsängste, denn so kommen ständig Leute auf das Grundstück der christlichen Kirche und machen ein Schwätzchen mit dem Pastor oder seiner Frau.

Dieses Jahr aber hat David noch etwas anderes ausprobiert: Fischzucht. Fisch ist sehr begehrt in Mali und der Niger wird immer fischärmer durch zu geringe Regenfälle und Überfischung. David hat nun in seinem Hof ein Becken aufgestellt, in das er kleine Fische setzt und sie aufzieht. Alle paar Tage wird das Wasser gewechselt. Das nimmt er, um den Salat zu gießen und hat dadurch ohne zusätzlichen Aufwand wertvollen Dünger. Nach der ersten Aufzuchtperiode tummelten sich 413 kg Fisch in dem Becken. Das meiste davon wurde verkauft, ein Teil selbst verzehrt und manches vor dem Verkauf geräuchert.

Nur ein einziger Durchgang reichte, um vom Gewinn die gesamten Investitionskosten, die neuen Setzlinge und Futter für die zweite Aufzucht zu finanzieren. Wenn das mal kein florierendes Geschäft ist…

Aber David denkt nicht nur an seine eigenen Einnahmen. Ihm ist es ein Anliegen, dass die jungen Leute in seiner Kirche auf eigenen Füßen stehen können: „Mali bildet viel zu viele junge Leute für Berufe aus, die keiner gebrauchen kann. Wir haben z.B. hunderte von studierten Soziologen, die keine Arbeit finden und frustriert auf der Straße stehen. Wer aber ein vernünftiges Handwerk gelernt hat, der wird in Mali immer eine ausreichend bezahlte Beschäftigung finden!“, sagt er und lässt sich gerne über die Schulter schauen von solchen, die bei ihm abgucken wollen.