von Haus zu Haus

Morgens um 6 starten wir in den Norden. Der Verkehr in Bamako ist um diese Zeit noch ruhig und das segou1übliche Durchschlängeln zwischen Motorrädern, motorisierten Dreirädern, Lastwagen, Fahrrädern, Autos und lebensmüden Fußgängern noch nicht so abenteuerlich. Wir überqueren die neue Brücke über den Niger, lassen die Dunstglocke der Großstadt hinter uns und fahren in den Nordosten. Ein riesengroßer rötlicher Sonnenball geht vor uns auf und schnell sind nur noch vereinzelte Dörfer hier und da am Straßenrand zu sehen – ansonsten nur Bäume, Getreidefelder, noch von der Regenzeit überschwemmte Landstriche. Das übliche Frühstsegou3ück an der Straße in Fana: ein doppeltes Omelett, ein  Nescafé und es geht weiter. Nach 3 Stunden dann der erste Stopp bei Pastor Jean in Ségou. Was bisher nur ein nach allen Seiten offenes Wellblechgerüst war, ist jetzt ein Kirchgebäude und auch sein Wohnhaus ist fertig geworden. Endlich nicht mehr die beengten Verhältnisse in einem Mietshaus, was gleichzeitig als Gemeindesaal diente. Jean zeigt uns stolz die neuen Gebäude.

Dann geht es weiter nach San. Dies Straßenverhältnisse werden deutlich schlechter und wir müssen so manches Loch umkurven. Bei Pastor Ezechiel haben wir uns angemeldet. Früher tauchten wir einfach spontan auf, aber heute gibt es Handy, da kann man sich vorher erkundigen, ob der Besuchte auch da ist. „Bitte bereite nichts vor, wir haben schon gegessen, wenn wir zu dir kommen“, sagen wir ihm. Als wir ankommen hat seine Frau natürlich doch für uns gekocht und so halten wir uns deutlich länger auf als gedacht. Auch Ezechiel ist umgezogen aus einem Mietshaus in das neue Pastorenhaus. Gerade in Mali ist sanes wichtig, dass die Pastoren und Gemeinden eigene Räumlichkeiten haben, damit sie nicht von der Laune und Toleranz des jeweiligen Vermieters abhängig sind. Wir trinken noch einen Tasse Kaffee zusammen, da kommen zwei Nachbarn um uns zu begrüßen. Sie hörten, dass Ezechiel Besuch bekommt und da machen sie sich auf den Weg, um uns zu zeigen, dass auch sie sich über unseren Besuch freuen. Es ist schön, dass Ezechiel und seine Familie schon so schnell Kontakte geknüpft haben in der neuen Umgebung. Nach San ist die Straße nun kaum noch als solche zu bezeichnen. Der Asphalt ist ein einziger Flickenteppich – nur leider oft ohne Flicken auf den Löchern. Umfahren geht dabei häufig nicht mehr und die Kunst besteht darin einerseits das Fahrwerk nicht zu ruinieren und andererseits den Bussen und LKWs auszuweichen, die nicht immer rücksichtsvoll die größten Löcher umfahren.

Nächster Stopp dann in Téné bei Pastor Benjamin. Es ist Erntezeit und eigentlich wäre er jetzt auf dem Feld, denn sein Gehalt reicht nicht aus um nur als Pastor zu arbeiten. Für uns ist er aber schon früher nach Hause gekommen und wir haben eine Stunde Zeit um Neuigkeiten und Gedanken auszutauschen. Dann geht die holprige Fahrt weiter. Immer wieder vergesse ich, dass die Sonne hier im Norden Malis schon eine halbe Stunde eher untergeht als in der Hauptstadt und so ist es fast finster, als wir um 18:30 endlich „zu Hause“ ankommen. Wir packen eben unsere Sachen aus, da kommt auch schon Coulou, ein langjähriger Freund und Mitarbeiter zu uns um uns zu begrüßen und wir sitzen noch länger zusammen und er erzählt von der Überschwemmung im Dorf seiner Eltern, die die Häuser eines ganzes Stadtviertels zum Einsturz gebracht hat…

An diesem Abend gehen wir früh auf unserem Dach unterm Sternenhimmel und Moskitonetz schlafen. Der ganze Tag war gefüllt von Autofahren und Reden miteinander. Danke Jesus für die Bewahrung und danke für diese kurzen aber wertvollen Zeiten mit unseren malischen Geschwistern!

späte Frucht

Bassian, ein Dorf ca. 2 Stunden mit dem Auto von Bamako entfernt. Auf der Suche nach bisher unerreichten Dörfern in der Umgebung der Kirchen hier, besucht eine Gruppe von Christen diesen Ort und sieht zunächst eine sehr große Moschee. So scheint sofort deutlich zu werden, wer hier Einfluss moscheenimmt. Trotzdem gehen sie ins Dorf und fragen, ob es ihnen erlaubt sei, christliche Schriften zu verteilen. Der Dorfchef empfängt sie und erkundigt sich nach dem, was sie da mitbringen. Die Schriften sind auf Französisch und so wird ihm übersetzt, um was es geht. Bei dem Namen „Jesus“ wird der alte Mann hellhörig. „Jesus? Ist das der Jesus, von dem damals die Weißen meinem Vater erzählt haben?“ Man kommt ins Gespräch und es stellt sich heraus, dass zur Kolonialzeit Christen in seinem Dorf waren – damals war er noch ein Kind. Sie erzählten davon, dass Jesus für die Sünden der Menschen gestorben ist. Der Vater des Dorfchefs wehrte ab: „Vielleicht ist er ja für andere Menschen gestorben, aber auf jeden Fall nicht für unser Dorf!“, war seine Antwort. Und doch, dies hatte sich in den Kopf und ins Herz des jetzigen Dorfchefs eingegraben und er empfängt die Christen freundlich, lässt sie im Dorf von Jesus erzählen und gibt ihnen sogar ein großes Grundstück zur freien Verfügung, damit sie wieder kommen und sich in seinem Dorf ansiedeln.

Nur wenige Zeit später ist dieser alte Mann gestorben. Es hat lange gedauert, bis das, was Gott in sein Herz gesät hat, zum Wohle seines Dorfes aufgehen konnte. Kaum zu glauben, dass Jesus schon vor vielleicht 70-80 Jahren an dieses Dorf gedacht und vorbereitet hat, dass heute die malischen Christen dort eine offene Tür antreffen.

Klimawandel

Da treffen wir uns heute morgen mit Enoc um das Programm zu besprechen und ein paar wichtige Themen schon mal anzutippen. Als wir uns im März mit ihm trafen, waren wir sehr verunsichert, weil einige Unstimmigkeiten in Bezug auf die Zusammenarbeit zwischen der Allianz-Mission und der malischen Partnerkirche aufgekommen waren und wir uns fragten, ob ein gemeinsames Arbeiten noch wirklich gewünscht wurde. Damals haben wir über einiges sprechen können und dann letztlich das Thema noch einmal vertagt. Heute empfinden wir die Begegnung ganz anders. Sehr engagiert spricht Enoc über das, was in Mali noch alles zu tun ist und wie nötig es ist, dass wir uns ergänzen, zusammen arbeiten, uns nicht auseinander bringen lassen. Es geht dabei nicht um Geld, sondern gerade um inhaltliche Ergänzung, dass jeder mit seinen Gaben das einbringt, was ihm Gott gegeben hat. Das macht uns viel Mut. Vielleicht war es gut, dass wir uns beim letzten Besuch auch mal stärker aneinander gerieben haben als das normalerweise der Fall ist. Und wir sind gespannt, wie die nächsten Wochen diesbezüglich noch verlaufen werden.

gekkoAm Nachmittag gehen wir dann einer unserer „Lieblingsbeschäftigungen“ nach: auf dem Markt Kunstgewerbeartikel kaufen. Für das Schulprojekt „Kinder helfen Kindern“ (www.i-ni-sini.de) brauchen wir diesmal besonders viel und die Händler freuen sich…

Als es dann um 18:30 dunkel geworden ist, kommt uns noch ein „alter“ Freund und Mitarbeiter, Olivier, besuchen. Wir tauschen Neuigkeiten aus und, wie sollte es anders sein, zeigen wir Bilder von unseren (Enkel-) Kindern, ehemaligen Missionaren und stellen fest, dass wir alle älter (und mancher auch dicker) geworden sind – wen wundert’s??

so mehr oder weniger angekommen

Was machen Missionare am liebsten, wenn sie ihre Heimatgemeinden beeindrucken wollen? Sie geben die aktuellen Temperaturdaten durch und sie erzählen, wie lang der Gottesdienst am Sonntag morgen war. Wie heiß es hier im Moment ist, wissen wir nicht so genau, aber der 3-Stunden-Gottesdienst heute morgen kann da ganz gut mithalten. Allein die „Bekanntmachungen“ dauerten schon über 30 und die Predigt schlichte 70 Minuten. Karsten musste bei Pastor und Ältesten sitzen – sprich: mit dem Gesicht zur Gemeinde. Da konnte man es sich leider nicht leisten, nach dem langen Flug gestern mal die Augen zufallen zu lassen… Also: wir sind in Mali angekommen. Sowohl Körper als auch Geist tun sich da noch ein bisschen schwer, aber das wird morgen sicher schon wieder anders sein. Da treffen wir uns mit Enoc, dem „Präsidenten“ des Gemeindebundes und stimmen unser Programm ab. Dann werden wir vermutlich auch innerlich den Wechsel schaffen und Euch mehr schreiben können, was konkret bei dieser Reise ansteht.

Noch ein kurzer Eindruck beim Gespräch nach dem Gottesdienst, der uns nachdenklich gemacht hat. Thema war der weiter schwelende Konflikt zwischen den Bewohners des Nordens und des Südens Malis. „Mittlerweile denken wir: wenn der Konflikt gut bearbeitet wird, dann wird er wohl noch so 20-30 Jahre dauern – wenn nicht, dann wird er vermutlich nie aufhören.“ Wenn man sonst über dies Thema sprach, dann war der Tenor meist: „Das wird schon wieder, man wird sich verstehen…“ Heute empfanden wir da doch eine gehörige Portion Hoffnungslosigkeit für ihr eigenes Land. … für Hoffnung wollen wir beten und arbeiten!

P.S.: wer Lust hat sich mit uns ein bisschen auf Mali einzustellen, der drehe die Heizung bis zum Anschlag auf, setze sich vor einen Ventilator, schließe die Augen und drehe die Gottesdienstmusik, die wir in den Blog gestellt haben laut auf…

 

viel Spaß!

holpriger Start

… und morgen früh geht es dann wieder los nach Mali und die letzten Tage waren schon eigenartig. Zunächst hat die malische Botschaft deutlich länger für die Visa gebraucht als normalerweise. Dann kam endlich der frankierte Rückumschlag an – nur ohne Gerlinds Pass. Wo war der geblieben? Es war Dienstagabend und daher nicht mehr weit bis zum Abflug. Mittwoch dann der Anruf bei der Botschaft – in unseren Gedanken sahen wir uns schon in letzter Minute nach Berlin fahren um den Pass dort abzuholen, aber dann wurde er uns doch noch geschickt und wir konnten ihn heute bei der Post abholen. Halleluja! … kann Gerlind doch mitfahren! Warum er nicht mitgekommen war, ließ sich nicht nachvollziehen. Es lebe das Adrenalin!

Und heute war dann Packtag. Wie schön, dass wir alles in Ruhe vorbereiten können – dachten wir. Dann kam um 9:30 der Anruf aus der Praxis: Das Betriebssystem (irgend sowas mit „W…“) hatte ein automatisches Update installiert compiund das bedeutete, dass der Computer zunächst für 90 Minuten stillgelegt war und danach weder Netzwerk noch Drucker noch Kartenlesegerät funktionierten. Die armen Mitarbeiter schlugen sich tapfer, schrieben jedes Rezept und jede Krankmeldung mit der Hand und versuchten gelassen zu bleiben. … und das war dann mein Vormittag. Nach 3 Stunden mit Fernwartung von der Softwarefirma und Reinstallationen lief dann (fast) alles wieder und die gedämpfte Hoffnung besteht, dass auch beim nächsten Programmstart alles läuft. Es lebe das Adrenalin!

Und doch, es ist Freitagabend, die Koffer sind gepackt und alles ist einigermaßen bereit. Die Frau bei der malischen Botschaft war ausgesprochen hilfsbereit und hat sich ins Zeug gelegt, damit der Pass noch rechtzeitig da ist. Der Mann von der Softwarewartung hat sich geduldig mit Problemen rumgeschlagen, die ihn an die Grenzen seiner Fähigkeiten brachten. Und dann hatte ich tatsächlich noch die Zeit, Pastor David einen Volleyball für seine Gemeindejugend zu besorgen. Sehr kurzfristig fragte er an, ob ich sowas noch mitbringen kann. Ein Blick ins Internet und nur ein paar Minuten von hier bot eine Frau einen an: für 5 Euro ein Ball von einer Markenfirma. Als ich ihn abholte sagte sie: „Na, das ist ja prima, es haben so viele angerufen, aber irgendwie ist nie einer gekommen um ihn abzuholen…“ So kümmert sich Gott auch um Pässe, Computer und Volleybälle…

Und wir fliegen morgen früh los nach Mali. Mal wieder über Istanbul. Nur leider diesmal ohne dort eine Nacht zu verbringen. Schade, wir wären so gerne noch mal Taxi dort gefahren…

rückblickend

„Und, war denn Eure Reise erfolgreich?“, wurden wir in der letzten Woche oft gefragt? Das ist eine schwer zu beantwortende Frage. Was hatten wir denn überhaupt erhofft? Die Irritationen in der Zusammenarbeit mit der malischen Kirche, die im Vorfeld der Reise aufgetreten waren, sollten angesprochen und wenn möglich geklärt werden. Wir wollten die malische Hilfsorganisation auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit weiter begleiten, wir wünschten uns Kontakte zu vertiefen und Entwicklungen besser zu verstehen. Mit unseren deutschen Missionaren wollten wir Perspektiven für die nächsten Monate und vielleicht auch Jahre absprechen. Was davon gelungen ist und was nicht, das lässt sich schwer fassen.

DSCF8115 Oft ist es gut, die Dinge erst einmal „sacken“ zu lassen und so denken wir im Nachhinein, dass die Gespräche und Beschlüsse mit dem malischen Kirchenbund in eine gute Richtung gehen. Wir lernen miteinander, wie man Partnerschaft in einer veränderten Missionssituation gestaltet – diese Veränderungen betreffen die Allianz-Mission (z.Zt. wenig Missionare in Mali), die einheimische Kirche (wachsende Mitgliederzahlen, größere Eigenständigkeit) und das Land selbst (unsichere politische und religiöse Situation). Da gilt es immer wieder neu zu sortieren und zu definieren, was die Aufgaben der Partner sind. Dass solche Prozesse auch schon mal holprig und auch verletzend sind, das ist sicher nicht ungewöhnlich und unser Hauptanliegen, hier nicht einseitig einen Weg zu beschreiten, bei dem der andere Partner außen vor bleibt, ist, so empfinden wir, auf einem guten Weg.

Und uns helfen solche Unstimmigkeiten auch immer wieder zu überlegen, was wir selbst als unsere Aufgabe in Mali sehen: Wozu sind wir angetreten? Was können und was wollen wir tun? Da ist es gut, dass wir uns daran erinnern, dass unser Hauptanliegen ist, dass die Menschen, die Christus nicht kennen, von IHM hören und verstehen, dass der Glaube an IHN Freiheit bedeutet. Dieses Feld ist noch sehr weit und in vielen Landesteilen unbeackert. Dafür können wir im Moment als Deutsche nur sehr begrenzt direkt arbeiten, aber wir wollen dafür beten und uns engagieren, dass andere diese Arbeit besser tun können.

P.S.: … und nun zu Teil 3 der Bozo/Dogon-Geschichte: als wir am letzten Tag mit einem Dogon über die Erzählung sprachen, war dieser – und das war eigentlich vorauszusehen – empört, wie jemand das so erzählen kann. Natürlich sei der ältere Bruder, der sich das Fleisch aus dem Oberschenkel geschnitten hat, nicht der Bozo gewesen sondern der Dogon. Und schon waren wir mitten in einem „Cousinage“-Geplänkel über diese beiden Ethnien… Und wenn es nicht gestorben ist, dann lebt das Huhn noch heute!

Heute hier, morgen da…

… bzw. gestern da, heute hier!

GK BkoNach unserer abwechslungsreichen Hinreise war die Rückreise von der direkteren Art. Zwar auch wieder über Istanbul,  aber nur 3 ½ Stunden Aufenthalt, sodass wir Bamako um 2h in der Nacht verlassen haben und um 17:30h von C. und unserem Freund J. in Leipzig empfangen wurden. Gestern noch unter dem Mangobaum voller Früchte, heute warm eingepackt vor dem noch nicht mal knospenden Apfelbaum…

Erleichterung bei einigen, dass wir wieder da sind. Ihre Freude freut uns zwar, aber bei vielen wundern wir uns doch, dass sie uns nicht lieber in Mali haben, da sie den ganzen Rest des Jahres nicht annährend so viel von uns hören wie in dieser Zeit. 😉

Wieder einmal dieser Wechsel und wieder die Dankbarkeit, dass wir uns daran gewöhnt haben und vieles als Bereicherung erleben.GK LE

Und ihr wart wieder mit dabei und habt uns dies auch durch eure Rückmeldungen wissen lassen- danke! Diese Verbundenheit, die völlig unabhängig von der räumlichen Distanz ist, ist ein unfassbares Geschenk, das uns immer wieder berührt. Möge unser Gott als der Geber dieser Gabe auch euch darin segnen!

Aber wir verabschieden uns noch nicht bis zur nächsten Reise. Manches möchten wir in den nächsten Tagen „sacken“ lassen und euch davon noch erzählen.

Und es gibt noch Teil 3 der Geschichte um Brüder und Hühner… Also, bleibt noch dabei!

… und wo war nun das Huhn?

Karfreitag in Bamako – irgendwie gelingt es nicht so richtig so kurz nach den Sitzungen und so kurz vor Eier färbenunserem Rückflug diesen Tag zu gestalten. Noch eine Teamsitzung, noch ein paar Einkäufe – eigentlich nicht so, wie wir uns einen Karfreitag vorstellen. Doch dann schauen wir am Abend noch gemeinsam eine Predigt an und beten miteinander – dann setzen wir uns aufs Dach und reden miteinander. Es ist gut, wenn die Wochen in Mali ruhig ausklingen und nicht Termine bis zum letzten Moment sind. Und heute färben Regina und ein paar Kids noch Eier – na, wenn uns das nicht auf die Rückkehr in die deutsche Kultur vorbereitet…

Jetzt noch 2 kleine Geschichten der letzten Tage:

Tene
Gruppenbild in Téné im Weihnachtsstoff

Am Sonntag habe ich im Dorf Téné gepredigt. Wie schon an den letzten Sonntagen stelle ich eine für uns noch neue Entwicklung fest: Zu Beginn der Predigt kommen einige Zuhörer nach vorne und legen ihr Handy aufs Pult. Zuerst denke ich noch, sie hätten die Weckerfunktion eingestellt, damit die Predigt nicht so lang wird, aber dann stelle ich fest, dass sie auf Aufnahme gestellt haben. Klar, die Gemeinden haben keine Homepage von der man später die Predigt runter laden kann – auf diese Weise kann man noch mal nachhören, was gesagt wurde. Ich predige über den Kranken am Teich Bethesda, den Jesus fragt, ob er gesund werden will und frage, ob sie sich vorstellen könnten, dass es Menschen gibt, die eigentlich gar nicht gesund werden möchten und blicke in ratlose Gesichter – wie soll es denn so etwas geben? Ob es denn Leute gibt, die, wenn in der Regenzeit die Feldarbeit ansteht, plötzlich starke Kopf- oder Rückenschmerzen bekommen und dann „leider“ nicht mitarbeiten können? Da geht ein Lächeln durch die Runde – doch, das kennen sie und jetzt wissen sie, wovon ich rede… Ein paar Tage später spricht mich Pastor Benjamin an und berichtet, sie hätten sich die Predigt noch mal in aller Ruhe angehört und sich entschlossen, sie im lokalen Radio auszustrahlen. Zuerst meine ich, er wolle mich auf den Arm nehmen, aber er scheint es ernst zu meinen. Eine Handyaufnahme wird im Radio ausgestrahlt – allein die Vorstellung sollte einem deutschen Radiotechniker die Haare zu Berge stehen lassen. Aber ich freue mich: offensichtlich gelingt es doch manchmal so kulturübergreifend zu predigen, dass die Hörer auch etwas davon haben.

Das Zweite: Nachdem wir die Geschichte der Bozo und der Dogon ins Netz gestellt hatten, erreichte uns am nächsten Tag eine Rückmeldung aus Deutschland: was denn nun aus dem Huhn geworden sei, das der große Bruder vermisst hat. Lachend berichte ich dem jungen Bozo von dieser Frage, die, wie ich Huhn2denke, am Kern der Geschichte völlig vorbei geht. Aber nichts da: unser Freund nimmt die Frage völlig ernst und erzählt ohne zu zögern weiter: Der große Bruder habe irgendwann das Huhn brütend auf einem Strohdach wieder entdeckt und es tat ihm leid, dass er seinen jungen Brüdern so Unrecht getan hatte. So schickte er einen Mann los, um die Brüder zurück ins Dorf zu holen, damit wieder Frieden einkehrt. Also, für alle, die diese Frage auch beschäftigte: Das Huhn war auf dem Dach und saß auf den Eiern im Nest!

Bruderliebe

Zur Abwechselung mal eine alte Geschichte, erzählt von einem jungen Mann aus dem Fischervolk der Bozo:

Vor langer Zeit gab es drei Brüder, die immer wieder unter einem Strohdach zusammen saßen und miteinander redeten. Eines Tages suchte der Älteste von ihnen, Keita, sein Huhn, das dort eigentlich brütete. Er verdächtigte sofort seine Brüder das Huhn gestohlen zu haben und drohte ihnen an, dass er sie hart bestrafen würde, wenn das Huhn nicht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder auftauchen würde. Was sollten die beiden machen? Sie hatten das Huhn nicht und sie kannten den Zorn ihres Bruders. Also flohen die beiden aus dem Dorf um der Strafe zu entgehen. Als sie lange unterwegs waren, wurde der jüngere von ihnen sehr hungrig. Nur hatten sie nichts zu essen mitgenommen. Was sollten sie tun? Heimlich nahm der Ältere ein Messer, schnitt sich ein Stück Muskel aus seinem Oberschenkel, briet dies und gab es seinem Bruder zu essen, ohne dass dieser wusste, woher das Fleisch kam. Mittlerweile waren sie an einem Fluss angekommen und als der jüngere diesen überqueren wollte, hatte der Ältere immer eine Ausrede, so dass man glauben konnte, er habe Angst vor dem Wasser – tatsächlich aber schmerzte die Wunde noch so sehr, dass er sich schonen musste. Irgendwann entdeckte dann aber der BozoJüngere das Blut an seinem Bein und verstand, was es mit der Weigerung seines Bruders auf sich hatte. Also blieben die beiden am Fluss, bis die Wunde verheilt war, der Jüngere, aus dem später das Volk der Dogen hervorging, ging auf die Jagd, während der Ältere, der Stammvater der Bozo, am Fluss sitzen blieb und angelte. Und so erklärt sich zum Einen, dass die Bozos Fischer wurden und zum Anderen die Entstehung einer bis heute für unser Empfinden seltsamen und doch engen Verbindung der Bozos und Dogon: Konflikte darf es nicht geben zwischen ihnen und wenn es Streitigkeiten gibt, dann werden sie durch ein paar deftige Späße aus der Welt geräumt. Bozos und Dogon dürfen sich nach Herzenslust beschimpfen und beleidigen, ohne dass sie sich das übel nehmen – aber geheiratet werden darf zwischen ihnen nicht… Seltsam interessant! Warum gibt es so schöne Geschichten nicht z.B. von den Sachsen und den Schwaben?

P.S.: heute Abend sind wir wieder in Bamako angekommen.

Sofara

Andre

Das gehört für mich mit zu den schönsten Zeiten in Mali, diese ungezwungenen Begegnungen, in denen man einfach miteinander redet, ohne Programm, Tagesordnung oder klares Ziel. Gesten besuchten wir André und seine Familie in Sofara. Manchmal sagen wir bei so Besuchen am Anfang klar, dass wir einfach nur zum Zuhören und miteinander Reden kommen, denn manch einer ließ später dann mal durchblicken, dass er sich im Vorfeld so seine Gedanken Mariegemacht habe, warum die Direktoren denn wohl zu ihm kommen… Und so sitzen wir – natürlich beim Tee – zusammen und kommen ins Gespräch. Andre erzählt, wie er als junger Mann mit den ersten Missionaren der Allianz-Mission in Kontakt kam, wie sie gemeinsam in Sévaré unter den Schülern missionarische Einsätze durchgeführt haben, wie dann irgendwann die Frage aufkam, ob er nicht auf ein theologisches Seminar gehen will. Damals war für die französischsprachigen Malier noch die Hauptstadt der Elfenbeinküste der naheliegendste Ort zum Andres TochterBibelstudium – wie gut, dass sich das mittlerweile geändert hat! Und dann unterhalten wir uns über die verschiedenen Stationen seiner Arbeit als Gemeindepastor: zuerst in einem weitestgehend animistischen Kontext, dann Soufouroulaye und jetzt Sofara: beide fast zu 100% islamisch. Sofara – wie viele christliche Missionare waren schon hier… Schellenburgs, Hamalegas, Orths und auf malischer Seite Kodios und nun Sayes. Ja, hier ist eine Kirche, ja, hier wird Sonntag um Sonntag mit einer bescheidenen Anzahl von Christen Gottesdienst gefeiert. Ja, die Akzeptanz der Christen ist in den Jahrzehnten deutlich gewachsen. Aber immer wieder stellen sich mir hier wie an so vielen Orten dieselben Fragen. Vielleicht habe ich das auch schon 100x geschrieben, aber heute muss ich es einfach wieder schreiben! Nein, es gibt keine Christen aus der eigentlichen Bevölkerung Sofaras. Niemand der Muslime hat, soweit wir das beurteilen können, Jesus wirklich kennen gelernt. In die Kirche gehen Zugezogene, Schüler, Beamte, die hierhin versetzt wurden, vielleicht mal ein Ehepartner, der durch seine Heirat nach Sofara kam. Manchmal tröste ich mich damit, dass das Zeit braucht, dass es doch gut ist, wenn langsam aber sicher die Christen eine akzeptierte Minderheit in der islamischen Bevölkerung sind. Manchmal hilft es mir auch mich daran zu erinnern, dass viele Gemeinden in deutschen Städten auch vor allem durch Transfer wachsen. Aber manchmal, heute, reicht mir das nicht. Wir arbeiten hier, damit Menschen, gerade Muslime, Jesus als den einzigen Weg zu Gott kennen lernen – auch wenn das im Moment vielleicht in Deutschland nicht mehr so gesellschaftsfähig ist. Ich will mich nicht mit dem Status Quo zufrieden geben. Warum gelingt das so selten? Warum tut der Heilige Geist hier scheinbar nicht mehr? Stehen wir Ihm im Wege? Warum geschehen keine Wunder, die deutlich machen, dass Jesus alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben ist? Nein, ich will mich nicht zufrieden geben. Ich will beten, fasten und dafür kämpfen, dass Muslime die befreiende Gnade Jesu kennen lernen. Ich will geduldig weiter arbeiten und auf das Wirken des Heiligen Geistes warten, aber ich will Gott auch damit in den Ohren liegen, dass das noch nicht das ist, wofür Er uns nach Mali geschickt hat und immer wieder schickt.

(Die Fotos zeigen André, seine Frau Marie und eine seiner Töchter.)