Dusche!

Es ist definitiv der schönste Moment des Tages: nach gemeinsamem Gebet und ein bisschen Organisation hier und da fahren wir ca. 3 Stunden in ein Dorf, wo das Beersheba-Mali-Projekt gestartet hat. Dann den ganzen Tag in der Sonne, auch mal zwar im Schatten aber immer noch über 40°C. Wir gießen die Pflanzen, laufen über das Grundstück, schauen uns die Bäume und deren Früchte an, diskutieren über das, was verarbeitet und verkauft werden kann – immer den Hut auf, immer die Wasserflasche in der Nähe.

Und dann am Abend: die Sonne geht gerade unter, ein paar Bienen summen, die Vögel sind still geworden – Dusche!! Ein Eimer voller Wasser – dürfte gerne kälter sein, aber wo soll man das her kriegen bei der Wärme! Die „Duschkabine“ steht mitten im Hof, nach oben offen, der Himmel gelblich gefärbt und das Wasser, mit einem Plastikbecher über mich geschüttet, spült den Dreck und den Schweiß ab, kühlt den Körper durch den leichten Wind. Dusche! Definitiv der schönste Moment des Tages!

Na endlich! Na hoffentlich… Wicking bed 3

Vor einem Jahr haben wir mit den Arbeiten angefangen (siehe hier), aber irgendwie hat sich immer kaum etwas getan, während ich in Deutschland war – letztlich war es ja auch meine Initiative und vielleicht die Mitarbeiter nicht unbedingt überzeugt von meinem Enthusiasmus. Aber gestern haben wir es dann endlich fertig stellen können, das Wicking bed – also eine Wasser- und Dünger-sparende Art Gemüse anzubauen. Um kurz nach 7:00 trafen Manuel, Solo und ich uns hinter dem Kirchengelände in Kouloubleni, um die angefangenen Arbeiten zu Ende zu bringen. Erfreulicherweise war das Loch für den Wassertank mittlerweile tief genug gebuddelt und so konnten wir an die Arbeit gehen: das vorbereitete Fass musste mit den Rohrleitungen verbunden werden, wir karrten Kies mit der Schubkarre an und verteilten ihn so, dass das Wasser darin langsam fließen konnte, um dann in einem Wassertank wieder aufgefangen und ins Beet zurück geleitet zu werden. Auch wenn wir uns viel Mühe gegeben haben: die Salatpflanzen, die unabhängig von diesem Projekt schon überall wuchsen, wurden doch hier und da in Mitleidenschaft gezogen. Besonders interessant war, dass auf dem Kirchengelände, also direkt nebenan, die Vorbereitungen für eine Doppelhochzeit liefen, die dann mit zahlreichen Gästen auch um 10 Uhr begann. Während ich also in kurzer Hose, fleckigem Shirt und dreckigen Händen die Kiesschubkarre über das Kirchengrundstück schob, liefen dort gleichzeitig die überaus schicken Damen und Herren und David, der Pastor, in Schlips und Anzug herum. Immer wieder schauten dann Hochzeitsgäste hinter die Mauer – interessiert daran, was die Weißen in ihrem originellen Aufzug wohl in Pastors Garten trieben…

Jetzt sind wir sehr gespannt, ob das Projekt auch funktioniert. Dazu muss nun erst einmal reichlich Wasser in den Kreislauf eingespeist werden und dann werden wir sehen, ob der Salat (oder was sonst noch dort angebaut wird) auch wirklich besser, schneller und Ressourcen-sparender wächst.

Solo hat schon recht: vieles lief noch nicht so optimal, aber wir haben experimentiert und ausprobiert und der zweite und dritte Versuch wird dann schon leichter von der Hand gehen. Und hoffentlich werden dann einige den Nutzen erkennen und sich ebenfalls daran machen so ein Wicking bed anzulegen!

Raus aus der Stadt

Heute besuchen wir N’Gouraba, einen Ort, ca. 2,5 Stunden von Bamako entfernt. Nach 30 Minuten verlassen wir die Teerstraße und wühlen uns durch staubige Sand- und Schotterpisten. Erst seit ein paar Jahren arbeiten wir in dieser Gegend: Mithilfe in der Gesundheitsarbeit und seit kurzem auch landwirtschaftliche Projekte. Deutlich früher als erwartet treffen wir ein und ersparen uns damit den offiziellen Empfang mit Trommeln, Rasseln, Tanz – wenn Vertreter der Partnerorganisation kommen, muss man schon ein bisschen was bieten. Aber, wie gesagt, unser Überraschungsangriff hat das vereitelt. Zunächst also Besuch beim Bürgermeister, ein sehr freundlicher, offener Typ, bei dem man nicht groß mit Förmlichkeiten beginnen muss.

Nachdem die Leute aus dem Dorf dann zusammengerufen sind, treffen wir uns im „Bürgermeisteramt“: 45 Leute in einem vielleicht 30 m² großen Raum: die Luft steht, der Schweiß trieft. Zunächst begrüßt uns der Dorfchef – also das traditionelle Oberhaupt und überreicht uns 10 Kolanüsse und 500 F CFA (umgerechnet 75 Cent) – eine Geste des Willkommens. Dann ergreifen Bürgermeister, Koordinator, ich selbst und einige Vertreter der Frauen oder der Landwirte das Wort – das geht alles schön geordnet und jetzt irgendwie auch recht förmlich zu. Andererseits wird auch viel gewitzelt, der Bürgermeister auf dem Arm genommen, gelacht. Wir sprechen über die vergangenen und zukünftigen Projekte – was ist gelungen und was nicht? Dieses Jahr wurden erste Erfahrungen mit verbessertem Saatgut gemacht und einige berichten, dass sie nur dadurch in diesem regenarmen Jahr etwas ernten konnten. Andere erzählen aber auch, wo es nicht so gut funktioniert hat. Mich begeistert die Idee, dass nach der Ernte ein standardisiertes Probeessen veranstaltet wurde: man wollte ja nicht nur wissen, ob das neue Saatgut auch gute Erträge bringt, sondern ebenso, wie Hirse, Mais und Bohnen nachher schmecken!

Dann wird uns noch das Grundstück gezeigt, auf dem dieses Jahr ein Garten für die Frauen angelegt werden soll. Ausgesprochen überrascht stellen wir fest, dass direkt daneben ein verwaister Garten angelegt wurde, mit Zaun und mehreren Brunnen – eigentlich allem, was dazu gehört – nur eben kein Gemüse. Stück für Stück versuchen wir zu verstehen, was dahinter steht, bekommen ein paar Informationen, die nicht alle stimmig sind und auch kein schlüssiges Bild ergeben. Warum aber sollten wir neben dem schon existierenden, aber ungenutzten Garten nun noch einen anlegen?

Auf der Rückfahrt versuchen wir mit Daniel, dem Leiter unserer malischen Hilfsorganisation, die Dinge zu verstehen und zu überlegen, was jetzt sinnvolle nächste Schritte sind. Es bleibt eine gewisse Ratlosigkeit – immer wieder stellen wir fest, wie schwer es ist die internen Abläufe und Probleme in der Welt der Dörfler zu verstehen. Wie gut, dass unsere malischen Partner dann oft noch kulturell sinnvolle Lösungswege finden!

… und immer weiter sinnloses Töten

Kurz hinter der malischen Grenze in Burkina Faso, wobei die Grenze letztlich ja nur auf dem Papier besteht: 14 Dörfer von Terroristen dem Erdboden gleich gemacht. Vermutlich fast 200 Menschen getötet, darunter 3 Familienmitglieder des Verwalters unserer Zentrale in Bamako. In der Vergangenheit gab es Verträge zwischen den Dorfbewohnern und den Terroristen – kaum jemand weiß genau, was es neben Schutzgeldzahlungen noch für Bedingungen gab. „Haltet ihr euch an die Abmachungen, lassen wir euch in Ruhe.“ Terroristen fahren so durchs Dorf, grüßen, kassieren und verschwinden wieder. Durch die stärkere Militärpräsenz sahen sich die Leute aus den Dörfern nun in der Lage diese Maffia-artigen Abmachungen aufzukündigen in der Hoffnung, dass sich die Terroristen nicht mehr so viel rausnehmen können. Aber die Rechnung ging nicht auf: zunächst kündigten die Dschihadisten an, dass sie kommen würden, so sicher fühlen sie sich. Daraufhin verließen viele die Dörfer, darunter auch die 98-jährige Mutter unseres Mitarbeiters. Andere schlugen die Warnungen in den Wind, immer noch sicher, dass die Militärs zur Stelle sein würden. Waren sie nicht. 14 Dörfer – ausgelöscht – die Menschen getötet – die Getreidespeicher niedergebrannt. Als das Militär endlich kam, war schon längst alles vorbei.

14 Dörfer – Opfer eines sinnlosen Machtkampfes. 14 Dörfer – innerhalb weniger Stunden Geschichte. Die 98-jährige Mutter hat überlebt. Viele junge Leute nicht.

Gesegneter Stromausfall

Seit Monaten ist es eins der größten Probleme hier in der Hauptstadt: öffentlichen Strom gibt es fast nur noch ein paar Stunden in der Nacht. Während der normalen Arbeitszeiten hat man entweder einen Generator, Solarenergie oder Pause – was für viele Menschen ein existenzielles Problem darstellt.

Heute allerdings war es ein Segen: Ich sitze mit Etienne zusammen und wir reden über die Projekte, die er betreut, als plötzlich ein Geräusch zu uns dringt, als prassele massiv Regen auf die Blechdächer. Wir befinden uns allerdings in der Trockenzeit – das kann es also nicht sein. Daher gehen wir raus, um zu schauen, was da vor sich geht und sehen, dass uns gegenüber ein strohbedeckter Hangar lichterloh brennt, sich das Feuer im Hof immer weiter ausbreitet und schon die Bäume erfasst. Schwarzer Rauch steigt auf, überall stehen Autos herum, die anfangen Feuer zu fangen. Ich nehme die Beine in die Hand und mache mich vom Acker. Andere kommen mir entgegen: sie wollen wissen, was da los ist und warum alles qualmt. Keine sehr sinnvolle Strategie – wer weiß schon, wieviel Benzin in den parkenden Autos darauf wartet, dieselben in die Luft zu jagen. Im Katastrophentraining habe ich gelernt, was das Wichtigste ist: so schnell und so weit weg vom Gefahrenort wie möglich.

Etienne ist da nobler. Er läuft zunächst ins Büro, holt die entsprechende Telefonnummer und alarmiert die Feuerwehr (ja, so etwas gibt es hier!). Die scheinen nicht wirklich motiviert, erkundigen sich ausgiebig nach der Brandursache und versichern dann, dass sie den Energieversorger informieren, damit dieser den Strom abstellt. Das wäre tatsächlich unter normalen Bedingungen eine große Gefahr: Nach kurzer Zeit hat sich das Feuer so ausgebreitet, dass es auf die Stromleitungen übergreift und eine davon durchbrennt und zu Boden fällt. Aber – was für ein Segen heute – Strom gibt es ja nur nachts und damit passiert tatsächlich nichts. Irgendwie gelingt es Etienne dann doch noch die Feuerwehr zu überzeugen, dass es durchaus hilfreich wäre, wenn sie mal persönlich vorbeischauen würden.

Nach ca. 30 Minuten tauchen ein paar Polizisten auf. Mittlerweile haben Jugendliche todesmutig begonnen, die zündelnden Autos zu löschen. Eines wird kurzerhand aufs Dach gedreht, damit man den brennenden Boden besser erreichen kann. Schaulustige stehen überall am Straßenrand und werden jetzt von der Polizei erst einmal aus der Gefahrenzone geschickt. 10 Minuten später kommt dann unter jubelndem Gejohle der Zuschauer tatsächlich ein Löschfahrzeug und Stück für Stück gelingt es den Feuerwehrmännern den Brand unter Kontrolle zu bringen.

Ich bleibe so lange in sicherer Entfernung hinter dem nächsten Häuserblock bis die Rauchwolken nur noch weiß sind, dann erst traue ich mich wieder zurück ins Haus und höre, was die Ursache für den Brand war: der Wächter im Hof gegenüber hat Müll verbrannt und dann das Feuer nicht ausreichend gelöscht. Und als erstmal das Strohdach Feuer gefangen hatte, gab es kein Halten mehr.

Wir danken Gott, dass niemandem etwas passiert und alles glimpflich ausgegangen ist und – vermutlich zum ersten Mal – für den Stromausfall!

 

Au revoir Franc CFA?

Das war ein echter Knaller, wenn auch nicht erstaunlich: Vor wenigen Wochen kündigten Mali, Burkina Faso und der Niger ihren Austritt aus der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft an und zwar mit sofortiger Wirkung. Das geht eigentlich gar nicht, weil man das ein Jahr im Voraus ankündigen muss – oder sollte man lieber „müsste“ sagen? Und kurz drauf, dann gar nicht mehr überraschend: die erste Ankündigung, dass man eine eigene Währung auf den Weg bringen will.

alte Zeiten: mit dem Motorrad ins Nigerdelta

Der Franc FCA – seit Jahrzehnten zunächst an den französischen Franc und dann an den Euro gekoppelt – jetzt Zeichen einer Frankophilie von der man Abstand nehmen sollte? Damals, wenige Monate nachdem wir zum ersten Mal nach Mali aufgebrochen waren, wurde der F CFA abgewertet und alle Importartikel kosteten in Mali plötzlich doppelt so viel. Ich hatte zu der Zeit Geld für ein Motorrad zurück gelegt und Niangaly, damals noch Wächter für das Gelände der Allianz-Mission in Bamako, besorgte mir noch in Windeseile eines, bevor die Preise schon nach ein paar Tagen um 70-80% in die Höhe gegangen waren. Aber seitdem ist die Währung stabil. Was passiert, wenn Mali und seine Nachbarn da jetzt ausscheren? Die Wirtschaftskenner und Banker geben teils düstere teils hoffnungsvolle Prognosen aus. Inflation? Was wird aus den Schulden? Bankenkollaps? Endlich ein weiterer Schritt in eine tatsächliche Autonomie?

Mancher hier ist skeptisch: vielleicht ist der Schritt richtig, aber ist das nicht ein wenig überhastet?

Die Nachbarländer reagieren teils panisch teils gelassen: bricht die Wirtschaftsgemeinschaft zusammen, wenn drei Mitglieder sie verlassen? Andere kommentieren es mit einem Achselzucken: „Wenn sie meinen, dass sie ihre Nachbarn nicht mehr brauchen…“

Es ist sehr viel in Bewegung hier, politisch, ökonomisch, gesellschaftlich. Und bei allen Prognosen der Weisen und Gelehrten weiß doch nur Gott, wo die Reise hingeht!

 

Heimatliche Fremde

Da bin ich mal wieder, angekommen in Malis Hauptstadt, mitten in der Nacht mit dem Flieger aus Istanbul, alles sieht aus wie immer: die autovollen Straßen, der Dunst des Harmattans, der über der Stadt liegt, die Menschen, die freundlich grüßen, ob sie einen kennen oder nicht, die knackige Wärme…

Der erste Tag liegt nun schon hinter mir: Ein Gottesdienstbesuch in Moribabougou – trotz nur 4 Stunden Schlaf halte ich die 2,5 Stunden erstaunlich gut durch (da ich als Gast mit dem Gesicht zur Gemeinde sitze, kann ich mir ein heimliches Schläfchen auch nicht erlauben 😉). Dann das Plaudern im Gemeindehof, während wir auf das Essen warten: in Öl gebratener Reis mit Fisch und Gemüse mit den Händen zu essen und danach ein Glas malischen Tee: ja, ich bin wieder angekommen: Das sind die kleinen Dinge, die die Seele nachkommen lassen, wo der Körper schon seit heute Nacht ist. Ich frage Jonathan, den Sohn des Pastors, wie sein Aufenthalt in Italien war. Er ist Musiker und vor einem Jahr erzählte er mir, dass er ein Stipendium für weitere Studien in Italien bekam. Leider war es so schwierig ein Visum zu bekommen, dass er erst lange in den Senegal musste (in Mali wäre es gar nicht gegangen) und dann nicht mal für einen Monat in Italien war – zu kurz für wirklich intensive Studien, aber die Italiener haben halt erst mal schauen wollen, ob er nicht die Gelegenheit nutzt, um ganz dort zu bleiben. Immerhin, er will es noch mal versuchen.

Dann gönne ich mir aber doch ein kleines Mittagschläfchen und drehe noch eine Runde, um Pastor Enoc zu begrüßen, aber weder er noch seine Frau sind da: Sonntag ist im Pastorenhaushalt immer viel los und die Wahrscheinlichkeit klein sie anzutreffen. Noch ein paar Anrufe, ein bisschen das Gepäck auspacken und schon ist der Tag rum. Für 3 Wochen zurück in Mali, zurück in Bamako, zurück in das Land, das vor vielen Jahren einmal unsere Heimat war.

 

Übergangs-Weise

Nasskaltes Herbstwetter, ein paar Schneeflocken, die den Weg bis zum Boden schaffen, sich dann in Matsch verwandeln. Gerade das Richtig, um in Deutschland wieder „warm“ zu werden. Wie so oft auch diesmal wieder einen Weg finden, den Wechsel zwischen den Welten, zwischen den Kulturen zu gestalten. Die Koffer auspacken: ein paar Erdnüsse und diverse Schnitzarbeiten aber vor allem der überall anzutreffende rote Staub sind Gegenwart und Erinnerung gleichzeitig. Wir sitzen am Frühstückstisch, Gerlind erzählt mir von Praxis und Kirchengemeinde und ich höre interessiert zu. Plötzlich, fast von einer Minute auf die andere, merke ich, wie mein Kopf zugeht, mein Gehirn nicht mehr aufnahmefähig ist. Ein Spaziergang im Park hilft, Laub unter den Füßen, die kahlen Bäume während in Mali die Mangoblüte beginnt. Dann ein paar Mails schreiben, per WhatsApp den Freunden in Mali mitteilen, dass ich gut wieder in Deutschland angekommen bin. Aber bin ich das? Oft habe ich schon gedacht, dass ich mittlerweile darin geübt bin, meine Weise gefunden habe, den Übergang zu gestalten. Und doch ist es jedes Mal anders.

Mittags ziehe ich mich zurück, höre Musik: „Diario Mali“, eine interessante Kombination von Klavier und Kora – Mischung aus 2 Welten – Spiegel meines Innenlebens.

Wieder einmal nehme ich mir vor von Deutschland aus öfter in Mali anzurufen, bei dem ein oder anderen einfach mal „Hallo“ zu sagen und doch weiß ich, dass, wenn ich erst mal wieder hier zu arbeiten angefangen habe, mein Hirn wieder anders tickt und mir das Umschalten schwerer fällt, als ich es mir jetzt vorstelle.

Und während ich innerlich mal hier und mal dort bin, staune ich umso mehr, wie der Gott, an den wir glauben, Jesus Christus, Maliern, Deutschen, Argentiniern, Koreanern, Tadschiken… gleichzeitig Bruder ist.

Wicking-bed – Fortsetzung

Ein vollgefüllter Tag heute: zunächst sprachen wir mit dem Personal unseres Zentrums über Sicherheitsfragen. Wer darf wann in den Hof, was muss man kontrollieren, wer hat welchen Schlüssel und welche Informationen dürfen nicht nach draußen gehen? Alles Dinge, über die wir uns früher kaum Gedanken gemacht haben, die nun aber wichtig sind – und es ist nicht leicht, die alten Gewohnheiten zu ändern. Auch passt vieles, was jetzt an Sicherheitsmaßnahmen nötig ist, so gar nicht in die hiesige Kultur.

Dann natürlich noch einen Besuch in der Schule, in der mittlerweile fast 200 Kinder unterrichtet werden und die in diesem Jahr mit der weiterführenden Schule (ab Klasse 7) begonnen hat. Schön zu sehen, dass sich die Klassen langsam füllen und doch noch eine Größe haben, die einen guten Unterricht erlauben. Und die Vorschulkindern beim Spielen auf unserem Mini-Spielplatz zu erleben, ist auch mal wieder eine Freude.

Auf dem Rückweg fahren wir dann noch am Projekt Wicking-bed vorbei, das wir im vergangenen März begonnen hatten. Leider sind die Aktivitäten auf halber Strecke liegen geblieben und so war das Beet, das mit einer besonderen Technik deutlich weniger Wasser und Nährstoffe für den Salat- und Gemüseanbau benötigt, noch weit davon entfernt einen Nutzen zu bringen. Zusammen mit Solo und Manuel haben wir alles noch mal unter die Lupe genommen, im Dreck gebuddelt, die Fehler korrigiert und versucht einen Schlachtplan zu entwickeln, wie dieses Pilotprojekt erfolgreich abgeschlossen werden kann. Ich bin gespannt, ob ich bei meinem nächsten Besuch die ersten Tomaten probieren kann! Warum manche Initiative dann irgendwo stecken bleibt, ist uns oft nicht so wirklich nachvollziehbar. Waren die Dinge nicht gut genug erklärt? Fehlte das Geld und keiner traute sich zu fragen? War das Interesse an dem Modellversuch doch nicht so groß und man fragte sich, ob sich die Arbeit wirklich lohnt? Was auch immer der Grund für die Projektpause war, ich denke, wir haben einen guten Neuanfang gemacht und alle sind wieder motiviert.

 

 

Wer hat den Strom geklaut?

Wir kennen das sonst aus der heißen Jahreszeit: alle brauchen Strom. Die Ventilatoren laufen durchgehend und vor allem die Klimaanlagen saugen das Stromnetz leer. Und auf der anderen Seite laufen die Dieselgeneratoren heiß, können nicht auf volle Leistung gehen. Auch das Wasserkraftwerk produziert wenig Strom, weil der Niger in der Trockenzeit nur wenig Wasser führt.

Aber jetzt sind wir in der „kühlen“ Jahreszeit: der Bedarf ist geringer, die Generatoren können besser arbeiten und der Niger hat ausreichend Wasser. Und doch, in Bamako, der 4-5-Millionen-Hauptstadt Malis, sind die Stromausfälle mittlerweile die Regel. Oft über 8-10 Stunden wird der öffentliche Strom abgestellt. Mal gibt es in einem Viertel Strom, dann wieder in einem anderen. Eine Regelmäßigkeit lässt sich nicht ableiten – es bleibt jeden Tag eine Überraschung. Wir behelfen uns abends mit Taschenlampen, die Hofbeleuchtung ist eh schon länger über Solarleuchten gesichert. Immer wieder müssen aber unsere Mitarbeiter mehr oder weniger untätig im Büro sitzen, wenn die Akkus ihrer Laptops entladen sind. Hier und da schmeißen wir dann den alten Generator an: ein Museumsstück, das wir damals, als wir unsere jetzige Zentrale, die ehemalige Botschaft der DDR, kauften, mit übernommen haben und das nach unzähligen Reparaturen zwar immer noch arbeitet, aber ein ökologischer Supergau ist und Diesel trinkt wie ein Kamel nach eine Wüstenwanderung.

Aber das ist klagen auf hohem Niveau. Für zahlreiche Leute sind diese Stromausfälle existenzgefährdend: wenn die Kühlschränke ausfallen, vergammelt das gesamte Fleisch, das zum Weiterverkauf gelagert wurde, die Schneider können ihre Maschinen nicht mehr betreiben, die Schweißer erst recht nicht und in den Büros ist immer Kaffeepause (falls die Kaffeemaschinen einen Akku haben). Die Regierung erklärt öffentlich, dass die Kraftwerksbetreiber Unmengen an Diesel abzweigen und für die eigene Tasche verhökern. Auch seien nicht die bestellten, sondern billige, störanfällige Dieselgeneratoren angekauft worden. Die Kraftwerksbesitzer wehren sich und weisen alle Schuld von sich – erinnert mich irgendwie an Deutschland… Wo auch immer der Hase im Pfeffer liegt: die Situation ist mehr oder weniger katastrophal und schnelle Abhilfe dringend nötig. Jedoch die Gelassenheit, mit der die Bevölkerung darauf reagiert, ist für mich erstaunlich: immer wieder höre ich, dass es eben Situationen gibt, wo man durch muss. Die Hoffnung, dass die aktuelle Übergangsregierung die Dinge in den Griff bekommt und es daher normal ist, dass es bis dahin auch mal Einschnitte geben muss, ist groß. Respekt! Dass man über die eigene aktuelle Situation hinaussieht und im Blick auf langfristige Verbesserung auch vorübergehende Schwierigkeiten in Kauf nimmt, das ist etwas, was wir in Deutschland durchaus von den Maliern lernen können.

Für unsere Zentrale sind die Zukunftsaussichten deutlich besser: In hoffentlich ein paar Wochen kommt eine Solaranlage hier an, die uns weitestgehend autonom werden lässt und unseren Dieselgenerator überflüssig macht.