Manchmal denkt man, man glaubt es nicht.

Ein Seminar in der FATMES, der theologischen Ausbildungsstätte in Bamako. Auf der Tagesordnung steht das Thema Ehe, Scheidung, Wiederheirat. Wir sind gespannt darauf, wie malische Theologen diese Fragen behandeln. Aber dazu ist erst einmal Geduld angesagt. Als wir eine halbe Stunde vor dem offiziellen Beginn ankommen, ist bisher nur der Moderator anwesend und wir fangen schon mal ein bisschen an über das Thema zu reden. Alfred soll mal eben in einem Schnelldurchgang seine Position schildern. Langsam gesellen sich andere Verantwortungsträger malischer Kirchen hinzu. Dann aber wird das Thema spontan gewechselt: Er habe seit einer Flugreise so einen hartnäckigen Husten, erklärt uns der Präses einer der größten evangelischen Gemeindebünde Malis und da habe man ihm ein Mittel verschrieben. Er habe nicht gewusst, dass das müde macht und als er dann nachts auf Clo gegangen sei, da sei er dort einfach in hockender Stellung eingeschlafen. Eine Stunde später habe sich seine Frau lampenwechselSorgen gemacht und ihn dort gefunden. Irgendwie ist das völlig natürlich, wie wir da so im lockeren Gespräch miteinander sind und über die Geschichte lachen, bis ich mir plötzlich vorstelle, der Vorsitzende von einem unserer Gemeindebünde in Deutschland hat Besuch von 3 ausländischen Gästen und trifft zusammen mit anderen Kirchenvertretern und erzählt uns… ihr wisst schon… Einmal mehr wird mir deutlich, wie kontextbezogen unser Reden und Handeln ist.

Als dann das Seminar anfangen soll, sitzen ganze vier junge Frauen außer uns vor dem Redner. Der Techniker, der eigentlich vorgesehen war, ist nicht gekommen und so bastelt Alfred schon mal ein bisschen an den Kabeln für die Lautsprecher rum. Als der Techniker dann doch noch kommt und alles angeschlossen hat wird festgestellt, dass man für 10 Leute ja eigentlich gar kein Mikro braucht. Auf abenteuerliche Weise wird noch schnell eine Birne gewechselt und dann wird gewartet… Als eine halbe Stunde später dann ganze 6 Frauen und 2 Männer da sind (neben uns und eben einigen Repräsentanten der Kirchenbünde und des theologischen Seminars) fangen wir dann doch noch an. Das Referat hält eine alter Pastor, der schon seit Jahren in Rente ist (hätten wir vermutlich auch anders entschieden…). Er gibt einen guten und ausgewogenen Überblick über verschiedene Ansichten, positioniert sich aber auch klar. Danach ist Referentnoch Zeit für Fragen und Diskussionen und ich sitze da und denke, ich bin im falschen Film: Die jungen Teilnehmer stellen so glasklare Fragen vor den betagten kirchlichen Würdenträgern, dass mir Hören und Sehen vergeht: Welche Konsequenzen das für eine Ehe hat, wenn sich nach der Hochzeit herausstellt, dass der Mann impotent ist und wie das mit Masturbation und Sexspielzeugen in der Ehe ist, wenn der Partner nicht befriedigt werden kann … Und die Pastoren antworten in aller Gelassenheit mal eher theologisch, mal eher seelsorglich und ich sitze da und bin fasziniert von diesem respektvollen und gleichzeitig so offenen Miteinander der Generationen. Manchmal denkt man, man glaubt es nicht…

Dangassa

90 km von Bamako entfernt liegt dieses recht große Dorf, Missionsgebiet, weit und breit keine christliche Gemeindearbeit. Ein kamerunischer Pastor, angestellt bei einer norwegisch lutherischen Missionsgesellschaft arbeitet mit unserer malischen evangelikalen Partnerkirche als Missionar – super! Das ist Globalisierung im positivsten Sinne! Nach 45 km Straße geht es über eben soviel rote Staubpiste, die durch die Regenzeit völlig ausgefahren ist, so dass wir 2,5 Stunden bis Dangassa brauchen. Im Gottesdienst sitzen neben der Familie des Pastors nur wenige andere Christen. Aber der Gottesdienst ist fröhlich und lebendig. Noch bis vor einem halben Jahr hatte ein einflussreicher älterer Mann aus dem Dorf am Gottesdienst teilgenommen und auch viele Kinder aus seiner Großfamilie mitgebracht. Das hatte die Akzeptanz in der Bevölkerung enorm gesteigert. Dann starb er ganz plötzlich und ohne bekannte Vorerkrankung. Pastor Prospère spricht seine Frustration nachher im persönlichen Gespräch deutlich aus. Mit dem alten Mann blieben auch die Kinder weg und die aufblühende Gemeindearbeit wurde fast von heute auf Morgen wieder fast auf Ausgangsniveau zurückgeworfen. Warum hat Gott das Gerlind Lämmchengeschehen lassen? Prospère und seine Frau Pauline lieben dieses Dorf und ihre Arbeit, das ist ihnen deutlich anzumerken. Und sie halten durch, bleiben da, machen weiter. Auch als vor einiger Zeit ihr Sohn beim Baden im Fluss ums Leben gekommen ist. Sein Leichnam wurde nie gefunden und Prospère und seine Frau leiden bis heute an dem Schmerz. Hilfreich für sie ist ein Projekt, das sie in den umliegenden Dörfern seit 3 Jahren durchführen. Nichts weltbewegendes aber doch sehr hilfreich: etliche Frauen bekommen Geld für 3 Ziegen oder ein paar Hühner geliehen. Sie werden geschult in Tierhaltung, lernen Lesen und Schreiben und müssen dann nach 2 Jahren das Geld zurückzahlen. Ob das funktioniert? Obwohl die Regeln ziemlich hart sind, scheint es zu gehen: die Frauen zahlen zurück und erwirtschaften einen Gewinn. Und alle sind sich einig: bei Männern ginge das nicht. Woran das liegt, fragen wir und bekommen zu hören, dass Frauen besser in der Lage sind, Geld Dorfchefbeieinander zu halten und gewissenhaft mit geliehenem umzugehen. Prospère ist in einer Art Aufsichts- und Beratungsgremium dieses Projektes und eine Christin in seiner Gemeinde betreut und begleitet die Frauen. Auch das imponiert uns: die junge Frau hat Soziologie/Anthropologie studiert und ist sich nicht zu fein, jetzt jenseits von Nirgendwo mit Frauen in Hühnerställen und Ziegengattern ihre Zeit zu verbringen. Wir dürfen uns in einem Dorf die kleine Tierzucht anschauen, sitzen noch ein bisschen plaudernd beim Dorfchef, dem man das gute Verhältnis zu Prospère und seinem Team abspüren kann.

Um der langen Fahrt über die Piste zu entgehen, entscheiden wir uns auf der Rückfahrt die Fähre zu nehmen. An sich eine gute Idee, aber da die Leute dort aus Kostengründen nicht mehrmals den Fluss überqueren wollen, sitzen wir 2 Stunden am Strand des Nigers und warten, bis es fast dunkel ist und die Fähre endlich kommt, weil jetzt mehrere Autos gekommen sind. Einziger Lichtblick ist da der alte Griot (ein singender Geschichtenerzähler), der auf seiner „Gitarre“ spielt, singt und die Frauen um ihn herum zum Tanzen bringt. Griot

Rüstzeit in Ségou

Benjamin kann leider nicht mitkommen, denn in der letzten Nacht hat ein Zahn im so starke Schmerzen bereitet, dass er zum Zahnarzt in die Nachbarstadt muss, um sich den Zahn ziehen zu lassen. Er sieht wirklich ziemlich mitgenommen aus. Seine Frau Rachel aber kommt mit uns. In Ségou angekommen ruft uns der Präses an, dass es bei ihm später wird. Der Bus, der um 14:00 fahren sollte, steht 2 Stunden später immer noch in der Hauptstadt. Irgendwann ruft er noch mal an, wir sollen schon mal anfangen, es würde wohl Nacht werden, bis er da ist… Wir, das sind 2 Frauen und 6 Männer, sitzen draußen auf einer Kirchenbank und ein paar Plastikstühlen und plaudern über die verschiedensten Themen. Es macht uns immer wieder Freude einfach dabei zu sein, zuzuhören, wenn Geschichten erzählt werden, über die besten Fernbusgesellschaften philosophiert oder über Politik diskutiert wird. Es fällt uns immer wieder auf, wie viel einfach miteinander gelacht wird – selbst bei kurzen spontanen Begegnungen. Zwischendurch fahren wir ein Stück aus der Stadt raus. Hier hat das nationale Frauenkomitee der Kirche schon vor ein paar Jahren eEcksteinin Grundstück gekauft und wünscht sich, dort eine Schule bauen zu können. Gewissenhaft wird uns jeder Grenzstein gezeigt, der Brunnen begutachtet und ebenfalls ein kleines Zimmerchen, das schon gebaut wurde. Beim Plumpsklo wagen wir dann doch mal zu sagen, dass er nicht unbedingt nötig ist, uns alles zu zeigen… Abdias bekommt einen Anruf seiner Frau, dass seine Tochter bei einem Verkehrsunfall wohl den Arm gebrochen hat und ins Krankenhaus gebracht wird. Wir beten miteinander für ihre Gesundheit und eine Stunde später kommt die Nachricht, dass der Arm nicht gebrochen ist. Ein Mann kam bei dem Unfall ums Leben – auch das gehört hier zum Alltag; gerade im Verkehrt sterben so viele Leute. Nach dem Abendessen, das die Frauen aus der Gemeinde gemeinsam im Hof gekocht haben, wird Hezechiel dann doch sehr müde, so dass wir es irgendwann nicht mehr mit ansehen können und die Gesellschaft auflösen, damit er ins „Bett“ kann. Wir dürfen auf dem Dach unser Zelt aufschlagen und genießen es einmal mehr unter freiem Himmel bei Vollmond schlafen zu können. Irgendwann in der Nacht ist dann Enoc auch noch gekommen und so können wir am Morgen mit dem eigentlichen Programm starten. Zuerst denken für über einen Bibeltext nach. Ich wurde gebeten, die Bibelarbeit zu halten und bei den verschiedenen Gedanken ist mal ein zustimmendes Nicken und mal ein nicht zu interpretierendes vor sich hin schauen zu registrieren. Als ich dann allerdings einen Abschnitt des Textes anhand einer Tierfabel erläutere, sind alle hellwach, lachen, gehen mit, schütteln den Kopf und sagen mir nachher, dass sie zu diesem Text noch nie eine so leicht verständliche Auslegung gehört hätten – ich verstehe schon, warum Jesus so viel in Gleichnissen geredet hat. Und dann beten wir ein paar Stunden miteinander. Tatsächlich halten sich alle daran: das ist keine Sitzung, sondern eine Gebetszeit! Es wird nicht diskutiert, sondern verschiedene Dinge kurz erläutert und dann dafür gebetet. Wir sind dankbar, dass wir uns so treffen können und es uns wohl tatsächlich allen gut tut, eine solche Gemeinschaft miteinander zu haben.

Und nun sind wir wieder zurück in Bamako. Eine Woche im Norden, viel zu kurz für unser Empfinden, aber doch eine gute Zeit. Jetzt hat uns die Hauptstadt wieder. Mit allem wüsten Treiben, nahezu kompletter Anarchie im Straßenverkehr, Staub, Lärm, deutlich besserem Baguette und eindeutig mehr „Bleichgesichtern“ als in Sévaré (wo wir tatsächlich in der ganzen Zeit keinen einzigen dieser Gattung – außer uns selbst – zu Gesicht bekommen haben).

Sitzungen und Besichtigungen

Eine Woche in der alten Heimat Sévaré geht zu Ende. Da wir nur so kurz bleiben konnten, waren die letzten Tage mit Sitzungen und Besprechungen gefüllt. Zunächst mit dem Koordinator der malischen Hilfsorganisation, dann mit dem Leitungskomitee, dann noch hier und da Absprachen und ein paar Besuche. Insgesamt haben wir das Gefühl, dass die Zusammenkünfte ein zunehmend konstruktives Klima haben. Das macht uns froh, auch wenn uns klar ist, dass vieles uns gegenüber nicht gesagt wird – wir bleiben halt Leute aus einer anderen Kultur, die von außen kommen. Gestern durften wir in einer SchülerSchule fotografieren und filmen – der Direktor ist ein langjähriger Freund von uns, so war das kein Problem und wir bekamen mit, wie engagiert die Kids hier dem Unterricht folgen (selbst obwohl ein Weißer mit seiner Kamera herumspringt): Wer die Antwort weiß, kann es kaum abwarten, dran genommen zu werden. “Moi, moi, moi” (ich, ich, ich) brüllt es aus allen Ecken durch die Klasse und unzählige Finger fliegen in die Höhe.  “Wir können ihnen tausendmal sagen, dass sie sich nur melden sollen, aber sie sind dann so bei der Sache, dass sie ständig aufspringen und in die Klasse schreien.” … dieses Engagement istGartenarbeit uns aus Deutschland nicht ganz so bekannt… Heute konnten wir zumindest ein Gartenbauprojekt besuchen und somit auch mal die Büros verlassen. Für die Frauen in so einem Dorf ist das immer wieder eine gute Hilfe um die Nahrung vielfältiger zu gestalten oder ein bisschen hier und da zu verkaufen. So Stück für Stück bekommt man mit, wie stark hier die Frau mit Kind im GartenUnsicherheit das Leben der Leute beeinflusst. Viele Leute lebten fast ausschließlich vom Tourismus, der in den kühlen Monaten einiges einbrachte. Das fällt jetzt nahezu komplett weg. Auch die vielen Kunsthandwerker können ihre Produkte fast nur an Weiße verkaufen und die gibt es nun fast nicht mehr. Der Weihnachtsmarkt in Bamako war da für viele noch eine Hoffnung auf etwas Verdienst, weil gerade Menschen aus Europa und den USA dort kaufen gingen. Nach der Attacke auf das Hotel in Bamako scheint auch das jetzt auszufallen. Was soll das für ein Gott sein, in dessen Namen nicht nur Menschen getötet werden, sondern auch vielen anderen die Lebensgrundlage entzogen wird?

Ab morgen werden wir dann gemeinsam mit dem Leitungskomitee unserer malischen Kirche eine “Rüstzeit” haben. Da freuen wir uns sehr drauf: keine Sitzungen, keine Entscheidungen, keine Geldfragen, sondern gemeinsames Bibelstudium, Gebet und auch einfach nur miteinander im Gespräch sein…

Inkognito

Gerlind im Garten
Graue Maus??

Manchmal ist es wirklich zum K…. In einer Beziehungskultur Sicherheitsmaßnahmen zu beachten, das ist so paradox, dass es geradezu wütend macht. Oft schon bei der Begrüßung tauscht man hier Informationen aus: Wo bist du gewesen? Wie lange bleibst du? Wo geht es hin? Und das alles dürfen wir jetzt nicht mehr sagen, um nicht berechenbar zu sein. Graue Maus sollen wir sein – und das in einer Stadt, in der wir als Weiße selbst nachts im Tunnel bei Neumond auffallen würden! Wir lieben es, über den Markt zu gehen, mit den Leuten in ihrer Sprache zu reden, zu lachen, sich gegenseitig aufzuziehen – aber wenn wir das tun, dann kann in kürzester Zeit fast jeden wissen, wer wir sind und wo man uns finden kann. Wie gerne sprechen wir mit den Koranschülern im Nachbarhaus, fragen nach ihrem Leben, ihren Familien, ihren Lehrern. Aber jetzt müssen wir sie als potentielle Informanten der Unabhängigkeitskämpfer der Peulh betrachten: Ein kurzer Gruß und ab ins Haus. Es fühlt sich krank an so zu leben! Auch wenn es nur für wenige Tage ist. Wir sprechen mit einem malischen Freund darüber und er schildert uns, dass vieles bei ihnen ähnlich geworden ist: jeder Fremde ist zunächst suspekt. Seine Frau berichtet, wie sie einen bettelnden Koranschüler laut schreiend aus dem Hof gescheucht habe, als er hineinkam und Wasser von ihr wollte – keine weiß, ob das nur ein Vorwand ist um Dinge auszuspionieren. Ist das Realismus oder sind jetzt alle paranoid? Ich frage mich, ob das in Paris und Brüssel ähnlich ist. Und in Deutschland? Wie gesagt: manchmal macht es einfach wütend!

von Partnern und Namensvettern

Das war heute eine Mut machende Zusammenkunft: Unsere malische Partnerkirche hat seit dem vergangen Jahr ein Komitee eingesetzt, das ab nächstem Jahr die Verantwortung tragen soll für die verschiedenen Projekte, die die Kirche besonders mit Geldmitteln der Allianz-Mission durchführen will. Unsere Schwerpunkte sind nicht immer dieselben und oft ist unser (deutscher) Eindruck, dass die kurzfristigen Notwendigkeiten stärker im Vordergrund stehen als langfristige Planungen und auch als theologische Überzeugungen. So war es für uns heute eine Freude engagierte Menschen in diesem Komitee zu treffen, mit denen wir offen über unterschiedliche Meinungen diskutieren konnten, die aber durchaus auch eigene Vorstellungen haben, die uns beeindruckten. Dass die Verwendung von Geldmitteln ganz transparent abläuft und auch sehr ländliche Dorfgemeinden lernen müssen, wie man Geld und Material so verwaltet, dass sie nachvollziehbar Rechenschaft abgeben können, das begegnet uns nicht immer. Und gerade bei einem oft so sensiblen Thema wie Geld eine so konstruktive und positive Atmosphäre zu haben, das macht uns Mut. … mal ganz abgesehen davon, dass 2 der 5 Gremienmitgliedern für diese 2-3 stündige Sitzung 600 km gefahren sind (pro Strecke!)… Das zeigt, dass hier wirklich engagierte Leute gewählt wurden. Toggere2

Und eine kleine Geschichte am Rande: Auf unserem Grundstück wohnt schon seit vielen Jahren (schon als wir noch hier lebten) eine Familie mit Kind- und Kindeskindern. Nun ist der erwachsene Sohn auf den glorreichen Gedanken gekommen, seinen Neugeborenen nach Karsten zu benennen. Das ist einerseits eine nette Geste der Dankbarkeit, andererseits aber auch der Wunsch, dass der Namensgeber dann auch für gewisse Dinge im Leben seines Namensvetters aufkommt. Nun ist es schon fast ein Verbrechen in Mali jemanden Karsten zu nennen, denn das kann fast keiner aussprechen (deshalb wurde ich auch fast nur „Pascher“ genannt). Die Geburtsurkunde ist mit Beratung langjähriger Mitarbeiter dann sogar korrekt ausgestellt worden. Ein anderes offizielles Papier nennt den armen Säugling allerdings Karçain. Aber auch das geht den Leuten hier nicht gerade leicht über die Lippen, daher wird der Knirps jetzt in der Regel „Docteur“ genannt. Na klasse, ich „freue“ mich schon auf seine Kommentare, wenn ich ihm in vielleicht 15 Jahren als Jugendlichen begegne…

Statt Fußball jetzt das „Hornberger Schießen“?

587_Jaeger_LW_DNun sind es schon 3 Wochen her, dass ich das malische Fußballfeld verlassen habe und wieder in Deutschland bin. Was hat sich entwickelt? In der vergangenen Woche hat der Vorstand der Allianz-Mission entschieden, dass wir die Zusammenarbeit mit Oliver und seiner Familie im Bereich Sport in Mali nicht weiter verfolgen.

Eine Reihe von Gründen hat dabei eine Rolle gespielt. Wesentlich war, dass unsere Vorstellungen bezüglich der Schwerpunkte einer solchen Arbeit zu unterschiedlich sind und wir letztlich den Eindruck hatten, dass Aufgabenstellung und Person hier trotz hoher fachlicher Qualifikation nicht zusammen passten. Und dann tun wir uns bei der unsicheren politischen Situation natürlich auch schwer, eine 7-köpfige Familie mit Baby nach Mali zu schicken, wenn die anderen Faktoren nicht 100% passen. So kommt es nun zu keiner weiteren direkten Zusammenarbeit.

Und war unsere Reise jetzt vergebliche Mühe – mit einem Ausgang wie beim „Hornberger Schießen“? Ganz und gar nicht. Nein, wir sind Gott aus verschiedenen Gründen sehr dankbar für die Zeit in Mali:

  • Das Kennenlernen von Oliver hat mich bereichert und mir manche Perspektive von Sport und Gemeinde eröffnet, die ich vorher nicht auf dem Schirm hatte.
  • Durch die Trainingseinheiten, die Gespräche und verschiedenen Treffen sind die Möglichkeiten, die der Sport für die malische Kirche bietet, deutlich mehr auch bei unseren malischen Partnern ins Bewusstsein gekommen und wir hoffen, dass sich so eine gemeinsame Perspektive zügig weiter entwickeln kann. Auch die Kontakte in den Profifußball in Mali werden sicher noch hilfreich sein.
  • Die unvorhergesehenen „Krisengespräche“ waren wichtig und genau zur richtigen Zeit. Das wäre von Deutschland aus so nicht möglich gewesen.

Somit war diese Reise alles andere als vergeblich. Und nun bitten wir Gott, jemanden nach Mali zu berufen, der diese Arbeit weiter voran bringen kann.

(… und wer nicht weiß, was das „Hornberger Schießen“ ist, der findet hier noch eine der zahlreichen Legenden dazu…)

 

 

Dereinst beschlossen die Bürger des Städtchens, ein großes Preisschießen zu veranstalten, wohl um die Bekanntheit des recht unbedeutenden Hornbergs zu heben. Mit viel Einsatz und Vorfreude traf man alle notwendigen Vorbereitungen, pries das bevorstehende große Ereignis in weitem Umkreis vollmundig an. Am Festtag war auch alles bestens vorbereitet – nur an Schießpulver hatte keiner gedacht. Und so kam es gar nicht erst zum Hornberger Schießen, das später solche Berühmtheit erlangte.

2 Sahnehäubchen

Wie könnten wir so eine Fußballwoche besser beschließen als mit einem Stadionbesuch? Mali gegen Süd-Sudan in der Qualifikation der Afrikameisterschaften. vlcsnap-2015-06-15-13h43m02s158Paul hat Karten für uns besorgt und so können wir das souveräne 2:0 live miterleben, bevor wir vom Stadion dann direkt zum Flugplatz fahren. Es war schon eine interessante Woche. Nie in meinem Leben habe ich mich so viel mit Fußball beschäftigt: Was sind die Probleme in der Liga? Was verdient ein Bundesligaspieler? Warum muss der zweitbeste Verein der 1. Liga absteigen? Wie motiviert man Sponsoren für den Fußball? Wie sieht es beim Matthias Sammer des malischen Fußballs i
m Wohnzimmer aus…  Zuerst vielleicht ungewohnt, aber wenn ich darüber nachdenke, dass Jesus für sein Evangelium Zöllner und Fischer gesucht hat, warum sollte es da verwundern, dass er Fußballer gebraucht? Und vielleicht nehmen wir dann ja auf unserem nächsten Besuch einen Musiker und eine Bibliothekarin mit…

 
Und dass ich dann noch 4 Stunden Aufenthalt in der Türkei hatte, war mir noch eine besondere Freude. So konnte ich mir dann noch kurz Istanbul, Byzanz und blaue MoscheeKonstantinopel anschauen und bevor es dann zurück ging nach Deutschland einen türkischen Kaffee trinken zwischen der Hagia Sophia und der blauen Moschee. Wenn das kein symbolträchtiger Abschluss war! Und wenn in 3 Tagen der Ramadan beginnt, dann möchte ich besonders für die vielen Muslime in Mali aber auch in so vielen anderen Ländern in dieser Welt beten.

 

 

P.S.: Und in der Nacht unserer Abreise schlägt die malische U20 die deutsche Auswahl bei der Weltmeisterschaft im Elfmeterschießen! Das hätte kaum ein Malier ihnen zugetraut! Yeah!

und schon ist die Woche um…

Und so geht diese ereignisreiche Woche schon zu Ende. Gestern noch ein Abschlussspiel zwischen der Kirchenjugend und der Stadtviertelmannschaft. Ein erster Kontakt mit viel Ausbaupotential. Und nachdem man so viel Fußball miteinander gespielt hat, ist es auch kein Problem, wenn Alfred noch von Zachäus erzählt – einem, der nicht zur Mannschaft gehörte, der draußen vor war und den Jesus mit ins Team genommen hat…

Und dann trafen wir heute noch Cheick Diallo: ehemaliger malischer Nationalspieler und Ligaspieler in Frankreich. Dann ckeick-diallo-can-u20Co-Nationaltrainer und heute technischer Direktor und Manager des besten malischen Vereins. Wir sitzen lange bei ihm im Wohnzimmer, sprechen über malischen Fußball, Förderung von jungen Talenten und wie man Sponsoren gewinnt, so, als kennten wir uns schon seit Jahren…

Was bleibt nach einer Woche Fußball & Co? Ist das ein Weg, den AM und Partnerkirche in Mali weiter verfolgen wollen? Sicherlich im Bereich des Sports auf Grass-root-Ebene. Aber ist es auch gut, in die höheren Etagen des Vereinsfußballs einzusteigen? Diese Fragen werden uns in den nächsten Tagen beschäftigen und es bedarf noch mancher Gespräche und Grundsatzentscheidungen – und Impulsen von unserem HErrn.

dennoch!

Todmüde und mit brummendem Kopf tippe ich noch ein paar Zeilen in den Computer. Ein sehr anstrengender Tag. Ein Gespräch nach dem anderen und dann am Abend besagte Sitzung mit dem Leitungskomitee unserer Partnerkirche. Und doch: Es lohnt sich miteinander zu reden. Es ist möglich auch lange gepflegte Missverständnisse auszuräumen. Trotz kultureller Unterschiede kann die Rückbesinnung auf Gottes Wort und die Bruderschaft in Christus wegweisend sein. Der Unterschied zwischen Gesagtem und Verstandenem verwirrt uns, aber wir lernen es auseinanderzuhalten. Und wenn wir noch so oft schuldig aneinander werden, wir können uns vergeben. Auch wenn wir schon 100 Mal den Eindruck hatten, dass wir nie wirklich zueinander finden werden, verbinden uns doch die Gespräche, wo wir es ernsthaft versucht haben – so wie heute. Es war ein anstrengender Tag, für den ich Gott sehr dankbar bin. SEIN Timing war gut und auch wenn vieles nicht geplant war in dieser Woche, hat Er sie genutzt und uns beschenkt.

Ich weiß, warum ich hier bin: weil ein großer Teil der Menschen hier Jesus nicht kennt, von Seiner Liebe keinen Schimmer hat und gerade unser gemeinsames Arbeiten Ihn ehren und bekanntmachen soll.

Danke für Eure Gebete