Was ist schon sicher?

Vor unserer letzten Reise war das Thema Sicherheit besonders spannend. Während unseres Aufenthaltes hier gab es den Anschlag auf ein Hotel in Bamako, bei dem manche von euch um uns gebangt haben, da sie nicht wussten, dass wir 1. hier nicht in Luxushotels „verkehren“ und 2. an dem Tag gar nicht mehr in Bamako waren.

Diesmal haben viele im Vorfeld gefragt, ob es denn nun sicherer sei.

Wer kann das schon sagen?

Wir halten uns als Team nach wie vor an die Regeln, die wir gemeinsam mit den Verantwortlichen der AM in Ewersbach aufgestellt haben. In der Region Mopti, in der Sévaré liegt, konnten einige kriminelle Aktivitäten reduziert werden. Das war beim letzten Mal noch anders, sodass wir unser Reiseprogramm kaum jemandem mitgeteilt, unseren Aufenthalt dort auf ein Minimum reduziert hatten und als eine Vorsichtsmaßnahme an verschiedenen Orten übernachtet haben. Letzteres werden wir diesmal durch die Planung der Besuche in der Umgebung ähnlich handhaben.

Aber Anschläge geschehen ja auch häufig, wenn sich die Situation nach Ereignissen wieder beruhigt hat und sich die Menschen wieder „sicher“ fühlen (wollen?). Hier machen wir uns nichts vor: Dieses Risiko kann weder in Mali noch an der Elfenbeinküste oder in Frankreich oder Deutschland eingeschätzt bzw. vermieden werden.

Uns helfen die Erfahrungen und das Empfinden der letzten Reise. Damals waren wir permanent verunsichert, weil wir uns nicht bedroht fühlten, Sévaré nach wie vor ein Stück Heimat für uns ist, wir uns vom Kopf her aber ständig fragen mussten: Handeln wir verantwortlich? Begeben wir uns unnötig in Gefahr?

Diese Fragen müssen wir uns weiter stellen, sind aber darin auch wieder gelassener geworden. Ob in einem guten Maß oder nicht, das weiß Gott allein. Wir sind hier, weil wir uns von IHM berufen wissen. Wir suchen kein Abenteuer und keine gefährlichen Situationen.

Unser Leben liegt in Gottes Hand und es gibt keinen sichereren Ort!

… mit dem, was man hat…

Gottesdienst in Dougourakoro, einem Dorf im Randbezirk von Bamako. Amadou, ein ehemaliger Mitarbeiter, der jetzt dort in einem Krankenzentrum arbeitet, sitzt neben mir und übersetzt. Da fällt mein Blick auf das Rhythmusinstrument: ein zusammengeschustertes Etwas, was noch entfernt an ein Schlagzeug erinnert. Das, was mal ein Becken war, hängt nun traurig am Ständer. Die Trommeln stehen auf selbstgebasteltenSchlagzeug4 Dreibeinen und vor der Basstrommel liegt ein schwerer Stein, damit sie nicht wegrutscht. Die „Stöcke“ sind, na, wie der Name schon sagt, eben Stöcke. Ich muss lachen und spreche Amadou auf dieses originelle Teil an. „Na ja“, sagt er, „man muss halt mit dem arbeiten, was man hat – eben bis man etwas Besseres bekommen kann.“ Das gefällt mir und ich denke länger darüber nach:

Da gibt es in Mali die Leute, die sagen: „So ist das bei uns, mehr haben wir leider nicht. Wir sind arm, etwas anderes können wir uns nicht leisten.“ Und bis es völlig auseinanderfällt, werden sie immer auf diesen paar Trommeln spielen. Das Schlagzeug ist dann sozusagen ein Sinnbild für frustrierte Hilflosigkeit.

Und dann gibt es die, die sich dieses behelfsmäßige Teil erst gar nicht aufstellen: Wenn schon ein Schlagzeug, dann muss es auch ein richtiges sein, professionell, komplett und ohne Basteleien. Und Schlagzeug1solange man keinen findet, der das finanziert, spielt man eben gar kein Schlagzeug. Das Prinzip: groß abbeißen und einen Geldgeber suchen… Bei wie vielen sogenannten Projekten erleben wir diese Sicht!

Aber zum Glück gibt es da auch Menschen wie Amadou: Man fängt klein an, schämt sich dessen nicht und arbeitet langsam aber sicher für eine bessere Lösung. Vielleicht hilft einem irgendwann jemand, vielleicht aber auch nicht. Hauptsache man kommt ans Ziel!

Und genauso gibt es in Deutschland verschiedene Reaktionen:

Da sieht jemand das heruntergekommene Schlaginstrument und denkt: die armen Malier! Wie leicht könnte man ihnen helfen. Ein Schlagzeug kostet ja nicht die Welt. Lass uns mal zusammenlegen und ihnen eines kaufen. Das Schlagzeug als Sinnbild für die Auffassung, Geld wäre die Lösung und das haben wir ja.Schlagzeug3

Aber genauso gibt es die, die angesichts des Schlagzeugs die Nase rümpfen: Die traditionellen Instrumente wie die Djembe sind doch viel einheimischer, entsprechen der Kultur. Warum also diese Anpassung an den Westen? Ist es nicht viel besser, die Malier bleiben bei ihrer Tradition?

Die Kunst ist es, die kleinen Anfänge zu achten und zu fördern. Geld so einzusetzen, dass es aufbaut auf das, was schon an Initiative da ist und die Menschen in Mali selbst entscheiden zu lassen, was ihrer Kultur entspricht und was nicht. … und das ist keine einfache Kunst!

Gelungene Teamarbeit

In der Vergangenheit war es nicht selten so, dass wir viel Mühe miteinander hatten in den verschiedenen deutschen Missionarsteams: zu unterschiedlich schienen unsere Persönlichkeiten, zu verschieden auch das, was man voneinander erwartete. Manches Mal haben wir uns gefragt, warum es eigentlich gerade unter uns ApelsDeutschen viel schwieriger zu sein schien als im Zusammenspiel mit den Maliern. Und das nach Deutschland zu kommunizieren ist nicht so einfach: Wir sind doch Missionare, da erwartet man doch, dass es zwischenmenschlich klappt und nicht knirscht…

Und jetzt blicken wir zurück auf 2 Tage, die wir als deutsch/amerikanisches Team miteinander verbracht haben und es macht Spaß miteinander zu diskutieren, zu blödeln, sich zu streiten und zu beten. Wir sind 6 völlig verschiedene Leute und vielleicht zeigen sich ja doch Fredlangsam ein bisschen Reife und Erfahrung :-), denn wir haben oft unterschiedliche Meinungen, aber wir lassen uns stehen, schätzen die Ergänzung und können immer mal wieder über uns selbst und den Anderen lachen. Wir empfinden eine mutmachende gegenseitige Wertschätzung und das tut gut und gibt uns Kraft in den Herausforderungen mit unseren malischen Freunden gelassen zu bleiben.

… und damit ihr wisst, dass man es sich in Mali auch richtig gut gehen lassen kann, haben wir im Blog ein paar Fotos von unserem gestrigen Teamausflug mitgeschickt.

Phil

Am Rande erwähnt: Ein Malier und ein Norweger telefonieren “Bei uns hat es minus 30 Grad”, sagt der Norweger. “Wenn ich meinen frisch gekochten Kaffe aus der dritten Etage aus dem Fenster schütte, dann kannst du ihn unten als Eis wieder auffangen.” “Oh”, erwidert der Malier, “das ist bei uns anders. Wir haben es zurzeit 45 Grad. Wenn ich da meinen frisch aufgegossenen Nescafé aus der dritten Etage schütte, dann kannst du unten das Instantpulver auffangen.”

Warum Kommunikation so schwer ist

Eigentlich sollte man doch annehmen, dass wir es mittlerweile gelernt haben. Alle Missionare, die zurzeit in Mali sind, Meiers, Apels, Paschers, haben schon lange Jahre hier gelebt. Und wir sind jeden Tag im Gespräch mit Maliern – da müsste doch langsam aber sicher die Kommunikation einfacher werden.Und doch, bei all unserer Erfahrung haben wir oft den Eindruck, dass wir uns trotzdem nicht näher kommen. Wie kommt das?

Die normale Art etwas zu sagen ist bei Deutschen und Maliern sehr verschieden.Deutsche gelten als sehr gerade heraus – nicht gerade höflich aber klar und ohne große Umschweife. Malier formulieren eher zurückhaltend, konfrontieren nicht so direkt, wollen mit ihren Aussagen nicht verletzen – wir würden sagen, sie vermitteln einem Kommunikation2eher etwas “durch die Blume”.

Spricht ein Deutscher mit einem Deutschen gibt es zwar immer wieder Missverständnisse, aber die Kommunikation ist kulturell zumindest einigermaßen gleich. Sprechen Malier miteinander ist das ähnlich.

Kommt nun ein Deutscher frisch nach Mali, dann versteht er vermutlich erst mal Vieles nicht oder falsch. Unsere malischen Mitarbeiter kennen allerdings uns Deutsche schon so lange, dass sie das einigermaßen zuordnen können und verstehen den “Frischling” wahrscheinlich besser als umgekehrt.

Aber ganz kompliziert wird es nun, wenn Deutsche mit langjähriger Malierfahrung versuchen zu kommunizieren. Wir versuchen uns anzupassen an das, wie wir malische Kommunikation verstanden haben und bringen unsere Gedanken dementsprechend rüber. Was aber denken unsere malischen Freunde? Ist ihnen klar, dass wir uns auf sie einstellen oder denken sie, dass, wenn ein Deutscher so vorsichtig formuliert, dies wohl kaum eine wichtige Botschaft sein kann, denn die Deutschen würden das anders bringen?

Oder ein Malier sagt etwas zu oder über uns, was so hart und direkt ist für unsere malisch geprägten Ohren, dass wir geradezu schockiert sind, weil er das so nie einem Malier sagen würde und wir fühlen uns diskriminiert. Aber natürlich kann es auch sein, dass der malische Sprecher denkt, dass man einem Deutschen das gerade heraus und sehr klar sagen muss, denn sonst versteht er das ja nicht. Da spricht der Malier “Deutsch” und der Deutsche hört “Malisch” und das Kommunikationschaos ist noch größer, als würde jeder in seiner Kultur bleiben. Nimmt man dann noch hinzu, dass zumindest einer von beiden (aber oft auch beide) nicht in der eigenen Muttersprache miteinander reden, dann könnte man verzweifeln.

Und doch reden wir seit Jahrzehnten miteinander und, so unglaublich es scheint, manchmal möchte man glauben, wir verstehen uns sogar. Dagegen ist das Pfingstwunder doch schon fast eine Kleinigkeit…

Haben Sie meinen Zahn gesehen?

Heute morgen fahren wir mit Meiers in den Nationalpark Malis. Bei der Vorstellung sollte man sich gedanklich nicht auf eine Safari in Ostafrika verirren. Es handelt sich um einen großen, sehr schön angelegten Park (ohne Tiere, die befinden sich im angrenzenden Zoo), mit diversen Fitnessangeboten. Es tut in einem Land wie Mali, noch dazu in einer Großstadt wie Bamako unglaublich gut, soviel Grün zu sehen und zu genießen. Das tun wir vier dann auch jeder auf seine Weise: Meiers und Karsten betätigen sich sportlich und ich entspanne lieber schlendernd oder lesend. Um diese Zeit sind nur wenige Besucher hier, aber viele Angestellte sind dabei zu gießen, zu kehren und weitere Pflegearbeiten zu verrichten.

Ich sitze auf einer Bank im Schatten und merke, wie sich ein gut gekleideter Malier nähert. Ich überlege, ob ich aufsehen und grüßen oder einfach weiter in meine Zeitschrift blicken soll. Grüßen ist in Mali eigentlich sehr wichtig, aber eine Situation wie diese ist nicht so klar.

Ich entscheide mich für’ s Grüßen. Der Mann kommt auf mich zu, grüßt ebenfalls, sieht dann auf den Boden und fragt: “Haben Sie hier einen Zahn gefunden?”

Es soll ja Listen geben im Sinne von: Die 20 originellsten Arten der Kontaktaufnahme u.ä., aber nein, mir ist sofort klar, dass diese Frage völlig ernst gemeint ist! Da mir bisher kein Zahn aufgefallen ist, ich zugegeben auch noch nicht danach gesucht hatte, stehe ich sofort auf und gemeinsam umrunden wir mit intensiven Blicken auf Schotter und Gras die Bank, auf der er, wie er mir dann erzählt, gestern Abend gesessen und dabei eine Brücke verloren habe… Leider werden wir nicht fündig, überlegen noch gemeinsam, ob hier vielleicht schon gekehrt wurde. Zum Abschied versichere ich ihm, wenn ich den Zahn noch fände, würde ich ihn vorne bei der Frau an der Kasse abgeben… Malische Alltagsbegegnungen – immer wieder eine Freude!

Wenn Jesus heute in Mali leben würde, vielleicht würde er nicht die Geschichte vom verlorenen Groschen oder Schaf erzählen. “Der verlorene Zahn” – das wäre doch mal eine kontexualisierte Fassung des Gleichnisses!

Experten

Besuch von Jean T., einem langjährigen Freund und Berater der Allianz-Mission, seitdem wir in Mali arbeiten. …schon anders, wenn man sich jetzt als Großeltern trifft – die Zeit schreitet voran! Und wir reden über viele Dinge, tauschen uns aus über alte Tage wie über neue Entwicklungen. Als jemand, der mit vielen internationalen Organisationen zusammen gearbeitet hat, ist Jean immer ein interessanter Gesprächspartner. Wir sprechen auch über Entwicklungspolitik und die Notwendigkeit, evangelistische und soziale Arbeit Hand in Hand gehen zu lassen. Irgendwann erzählt er uns dann eine kleine Geschichte:

Ein Viehhirte steht bei seinen Schafen auf der Weide als plötzlich ein Landcruiser heranfährt. Ein Mann steigt aus, schaut sich um und sagt dann zu dem Viehhirten: “Ich kann Dir exakt sagen, wie viele Schafe Du hier hast.” “Hm,” erwidert der Hirte, “das ist eine Leistung! Ich selbst weiß nicht, wie viele Tiere ich habe. Mal stirbt eines, mal wird eines geboren. Da kenne ich die genaue Zahl nicht. Was verlangst Du, Hirteum mir das zu sagen?” “Nun,” sagt der Fremde, “als Entgelt würde ich ein Schaf nehmen”. Die beiden werden sich einig. Der Fremde holt aus seinem Auto einen Laptop, eine kleine Antenne und macht sich an die Arbeit. Im Nu hat er ein Satellitenbild auf dem Bildschirm, zoomt heran, grenzt das Bild auf die Schafherde ein und lässt eine Software darüber laufen und verkündet voller Stolz:”Du hast genau 3.426 Tiere!” Der Hirte ist sichtlich beeindruckt und hält sich an die Abmachungen. “Ich möchte nicht, dass Du mir nachsagst, ich hätte Dir ein schlechtes Tier ausgewählt, daher wähle Du. Such Dir das schönste Schaf aus, es gehört Dir, Du hast es Dir verdient.” Der Fremde blickt abschätzend über die Herde bis er ein Tier entdeckt mit besonders viel Wolle. “Dieses Wollschaf nehme ich”, sagt er und greift nach dem Hund des Hirten. “Oh,” erwidert der Hirte “ich sehe, Du kannst perfekt die Anzahl meiner Schafe bestimmen, aber den Unterschied zwischen einem Schaf und einem Hund erkennst Du nicht, dann lass mich raten, was Du von Beruf bist: Du kannst eigentlich nur ein Experte für Entwicklungshilfe sein!”

Schulsysteme

Istanbul – Niamey – Bamako: nach 9 Stunden Reise betreten wir um 1:15 in der Nacht malischen Boden, warten noch eine Stunde auf unsere Koffer und fallen um 3:00 dann müde ins Bett. Wie schön, dass uns unsere Kollegen abgeholt haben, auch wenn eine Taxifahrt in Bamako vermutlich zielsicherer ausgesehen hätte als in Istanbul… Da wir nur an 3 Sonntagen hier in Mali sind, verzichten wir erst mal auf’s Ausschlafen und fahren nach Kouloubleni zum Gottesdienst. Beim Vorprogramm wird der Kampf mit dem Schlaf zwar manchmal hart erstritten aber doch gewonnen und bei der Predigt hat Karsten dann wieder genug Adrenalin im Blut…

Die Schule ist unsere Zukunft!

Ein Gemeindecafé gibt es hier nicht, aber nach dem Gottesdienst sitzen wir dann noch lange bei Pastor David und ein paar Gemeindeältesten. Da wir planen mit unserer Partnerkirche christliche Schulen in Mali zu gründen, freut es uns, dass einer der Ältesten Lehrer ist und wir kommen über das hiesige Schulsystem ins Gespräch: Der Pastor erzählt, dass seine Kinder nun zum wiederholten Mal versuchen die mittlere Reife bzw. das Abi zu machen. Wie hoch denn die Durchfallrate insgesamt sei, fragen wir. 20% hätten in diesem Jahr die Abschlussprüfungen bestanden – das sei ein komplettes Versagen des Schulsystems. Und woran liegt das? Unsere Gesprächspartner sind sich da schnell einig: Mittlerweile würde an allen staatlichen Schulen die ersten Jahre in der Muttersprache unterrichtet. Erst im 5. – 6. Schuljahr begänne man dann in Französisch zu lehren. Damit seien die Kinder völlig überfordert, weil es z.B. in Mathematik in den Landessprachen gar keine entsprechenden Begriffe gäbe. Würde man das gesamte Schulsystem in der eigenen Sprache bleiben, sei das denkbar, aber nach 5 Jahren zu wechseln… Allerdings wäre dann das Problem auch nur verschoben, denn die Universitäten würden ja doch wieder in Französisch unterrichten. Und warum wird das System trotzdem so durchgezogen? Die Geldgeber würden das so wollen und die Politiker würden davon finanziell gut profitieren… Aber es sei doch wirklich vielsagend, dass gerade die Lehrer öffentlicher Schulen fast alle die eigenen Kinder auf Privatschulen schicken würden, wo von Anfang an Französisch gelehrt wird.

Die Geldgeber… die Politiker… das hören wir immer wieder in Mali. Und es hört sich für unsere Ohren oft etwas fatalistisch an. Ist die Gründung von Privatschulen ein Ausweichen vor dem Problem oder eher eine demokratische Antwort?

Zwischenstopp Istanbul

… und schon sind wir in Istanbul. Pünktlich kam der Flieger um 21:40 hier an. Pünktlich nach unserer Landung ging ein Gewitter los. Und jetzt raus aus dem Flughafen – nicht dass das kleine Hotel hier in Flughafennähe schon die Türen geschlossen hat, wenn wir ankommen. Am Ausgang bietet uns dann noch jemand ein Taxi zum Festpreis an: viel zu teuer, wir verhandeln, er bleibt hart. Dann suchen wir uns lieber draußen eines. Und da stehen sie in einer langen Reihe. Vorne müssen wir hin, das hat ja seine Ordnung. Der Fahrer scheint uns zu fragen, wo wir hin wollen. Ich bin natürlich bestens vorbereitet, zeige ihm die Adresse, habe ein Bild des Hotels ausgedruckt und eine Karte. Das alles guckt er sich ratlos an und fährt los. Verzweifelt versuche ich ihm zu sagen, dass wir dann doch lieber aussteigen würden, wenn er keine Ahnung hat, wo er uns hinbringen soll. Aber leider kann ich nur „Danke“ auf Türkisch sagen (das hilft gerade nicht) und er versteht uns weder in Deutsch noch in Englisch, scheint aber guten Mutes zu sein. Die Heizung hat er so hoch gedreht, dass wir vermuten, man orange  hat ihm Instruktionen gegeben, er solle uns schon mal auf Mali vorbereiten. Er fährt und fährt und wir haben keine Ahnung was er da tut. 3-4 km vom Flughafen entfernt soll das Hotel sein. Da müssten wir doch längst da sein. Irgendwann hält er dann doch an und fragt (das können wir sogar verstehen) ob wir das Hotel nicht anrufen können. Ich probiere, er probiert – nichts geht, also fährt er halt weiter, mal hier in eine Gasse mal da in ein Sträßchen und schaut immer an den Fassaden hoch – was sucht er denn da??? Ich wechsle den Netzanbieter und nun gelingt es tatsächlich den Hotelier an den Hörer zu bekommen. Taximann und Hotelier plaudern fröhlich drauf los, während unser Chauffeur immer weiter fährt. Irgendwann bekomme ich das Handy zurück und er murmelt irgendwas von einem Supermarkt, fährt, sucht, guckt, murmelt… Und dann irgendwann hat der den Supermarkt gefunden. Wir sind da, meint er – nur sehen wir kein Hotel. „Supermarkt, rechts rein, noch 20 Meter“, gibt er uns irgendwie zu verstehen, aber rechts rein sollen wir wohl alleine… Will er uns los werden?? Sollte hier wirklich unser Hotel sein?? Egal, herzlich lachend verabschieden wir uns voneinander, ich runde kräftig auf und bezahle trotzdem nur die Hälfte vom ersten Angebot am Flughafen und tatsächlich, gerade mal 20 Meter von Supermarkt findet sich unser Hotel. Und als wir uns einloggen ins Internet bekommen wir 11 Mut machende Antworten auf unsere erste Mail! Ihr seid ein Segen!

Bamako – Leipzig, einmal mehr

Und wieder einmal versuchen wir diesen Wechsel zu verarbeiten, tauschen Baguette gegen Vollkornbrot, schwarze Gesichter gegen weiße, 25 °C gegen gnädige 7, den Fremdenstatus gegen den des Einheimischen, Französisch gegen Deutsch, den wuselig chaotischen Gemüse-, Kleidungs-, Fleisch-, Eisenwarenmarkt gegen den glühweinschwangeren Klingglöckchenmarkt (ratet mal, welcher uns lieber ist J). Sowohl Körper als auch Seele gewöhnen sich langsam daran und auch der Wechsel wird Gewohnheit. Während wir noch vor einem Jahr bei unserer Rückkehr gar nicht genug Wolldecken auftreiben konnten, scheint uns das Klima jetzt recht normal und auch die inneren Kontraste lassen sich schneller verarbeiten. Immer wieder staunen wie, wie anpassungsfähig uns Gott gemacht hat.

Maliteam
Maliteam

Die letzten Tage in Bamako waren wichtig aber nicht sehr ereignisreich: Ein Treffen hier, ein Gespräch dort, aber keine aufregenden Neuigkeiten mehr – eher ein „Sack zubinden“. 2 Tage verbrachten wir dann noch mit dem deutschen AM-Team um gemeinsam die Bibel zu studieren, zu beten und über wichtige Fragen der Arbeit und des Lebens in Mali zu reden. Am letzten Tag gingen wir dann noch gemeinsam in den Zoo von Bamako. Ja, Ihr lest richtig, Bamako hat einen Zoo! Als wir vor ca. 15 Jahren zuletzt dort waren, war dies ein mittleiderreLöwegendes Elend aber heute ist er gepflegt, die Tiere gut ernährt und in großen gepflegten Gehegen, dass wir nicht schlecht gestaunt haben. Gestaunt haben wir auch über den Eintrittspreis: ein Erwachsenenticket kostet umgerechnet 1,07 € und noch mal 1,50 € muss man bezahlen, wenn man einen zweieinhalb Jahre alten Löwen streicheln (!) möchte. Da kann dann so mancher Malier am Wochenende mit seiner Familie einen Spaziergang durch den Zoo machen ohne seinen Lebensunterhalt zu gefährden – das ist nicht in jedem deutschen Zoo so möglich…

Dieses Mal empfand Karsten der Abschied von Mali schmerzlich, was uns deutlich macht, dass die Beziehungen gewachsen sind und wir manche gute Wegstrecke miteinander gegangen sind in den vergangenen 1,5 Jahren. Wir haben diese Art der Landesleitung von Deutschland aus im Laufe der Zeit von beiden Seiten mit Leben füllen können und die Begegnungen werden gelassener, natürlicher. Das macht uns Mut – so wie uns in den vergangenen Wochen Euer Mitdenken, Mittragen, Beten und Anteilnehmen immer wieder Mut gemacht und viel bedeutet haben. Danke dafür!

Kids
Frederik und Philip Apel

Gottesdienstimpressionen

Enoc und Tochter
Pastor Enoc und seine Tochter

Gestern waren wir zum Gottesdienst in Quinzambougou (das ist für Fortgeschrittene – wer Soufouroulaye aussprechen konnte, dann das hier mal versuchen!), der Gemeinde, die als Erste hier in Bamako im Rahmen der AM gegründet wurde und eine der größten ist. Wir sind relativ zeitig und werden erstmal in’s Büro des Pastors (der auch Präses unsres Partnerbundes ist) geführt. Dort plaudern wir einige Minuten mit ihm und anderen Männern der Gemeinde. Als einer der Chöre schon vor offiziellem Beginn des GD anfängt zu singen und zu spielen, verstehen wir fast nichts mehr von dem, was die Malier sagen. Offensichtlich hören diese besser, denn sie fahren ungerührt fort, Absprachen für den GD und Themen für die Abkündigungen auszutauschen. Derjenige, der für die Informationen zuständig ist, holt einen leeren Block raus und fängt in Ruhe an zu notieren, was ihm gesagt wird. Ich (Gerlind) muss schmunzeln, weil sie daran denkt, wie sehr wir als GD- Leiter in unserer Gemeinde darum „kämpfen“, dass uns die Infos bis spätestens einen Tag vorher mitgeteilt werden…

Als die nötigen Infos geklärt sind (und der Gottesdienst im Saal schon begonnen hat) spricht der Pastor das Anliegen eines Gemeindemitglieds an: Der junge Mann möchte heiraten, hat aber kein Geld für eine große Feier und fragt, ob man die Trauung im Rahmen eines normalen Sonntags-Gottesdienstes machen könne? (So schnell kann man in einer Gemeindeleitungssitzung landen! 🙂) Die Gefragten sehen darin kein Problem, einer empfiehlt aber noch, dass man erst noch die Braut und ihre Familie fragen solle, ob das auch in ihrem Sinne sei…

Der Gottesdienst ist dann „Kontrastprogramm“ zu denen in den beiden kleinen Dorfgemeinden, in denen wir die letzten Sonntage waren.

Einige Schlaglichter:

* Ich darf mich heute zu den Frauen setzen und genieße es wieder einmal in dieses Meer an Farben,Geschmäckern und Schönheit einzutauchen. Dass ich hier „underdressed“ bin, bin ich (inzwischen) gewöhnt…

* Babys werden auf der Frauenseite fröhlich hin und hergereicht – gleich am Anfang überquert eins gleich mal 6 Bankreihen und Kleinkindlandet auf dem Schoß der Frau vor mir. Mit seinen großen dunkeln Augen und dem kecken rosa Hütchen, trägt es nicht gerade zu meiner Konzentration auf den Gottesdienst bei…

  • Mehrere Lieder werden vom Gottesdienstleiter angestimmt und die Instrumente setzen dann erst ein… Das Ergebnis entspricht nicht unbedingt unserer Harmonielehre und das gilt es dann ein ganzes Lied mit 10 Strophen auszuhalten…

  • Da es keinen Gemeindebrief o.ä. gibt, werden alle relevanten Informationen im Gottesdienst weitergegeben. Das bedeutet hier drei verschiedene Blöcke: Im ersten werden z.B. Todesfälle bekannt gegeben. Heute schockieren gleich 2 völlig unerwartete aus Nachbargemeinden; einer der Verstorbenen wollte am Tag zuvor heiraten und ist beim „Fotoshooting“ umgefallen und war tot… Diesen Nachrichten folgt eine intensive Gebetszeit. Aber auch schöne Nachrichten wie Geburten gehören hierhin: Hierin erleben wir viele Malier sehr förmlich. Durch die Zweisprachigkeit des Gottesdienstes gibt es 2 „Moderatoren“. Heute sagt der eine auf Französisch, dass Yacouba und seine Frau zwei Jungen bekommen haben und wünscht ihnen im Namen der Gemeinde alles Gute. Dies alles sagt er zur Gemeinde gewandt. Währenddessen steht besagter Yacouba neben ihm als 2. Moderator und übersetzt das Gesagte nun – ohne mit der Wimper zu zucken – auf Bambara….🙂 Im zweiten Block geht es um die Veranstaltungen, die in der kommenden Woche anstehen und im dritten um die Bekanntgabe von drei Hochzeiten. Wenn man bedenkt, dass alles, was wir in D. dann oft noch zusätzlich an schriftlichen Informationen erhalten, in diesem Rahmen kommuniziert wird und dann auch noch zweisprachig, kann man verstehen, warum Gottesdienste deutlich länger dauern.

  • Advent ist in den Gemeinden hier fast unbekannt. Zwar wird schon Wochen vorher viel von Weihnachten gesprochen, Kind und Choraber es geht eher um die praktischen Vorbereitungen des großen Gemeindefestes (Weihnachten ist hier kein Familien-, sondern ein reines Gemeinschaftsfest). Aber heute geht es schon in mehreren Chorlieder um Weihnachten. Wieder einmal werden wir dankbar für die Adventszeit, die in Deutschland für uns keine vorgezogene Weihnachtszeit, sondern eine innere Hinführung bedeutet.

  • Leider funktioniert Karstens Mikro bei der Predigt nicht. Für das Verständnis der Leute ist das nicht so schlimm, da er ja in Bambara übersetzt wird und das alle verstehen. Aber so entsteht ein lustiger Kontrast zwischen dem – recht leise wirkenden – Gesagten des „Directeurs“ und der Übersetzung des malischen Bruders mit der kräftigen Stimme, die eigentlich kein Mikro bräuchte, um gehört zu werden…

Und nun lassen wir nach 4 Sonntagen wieder einmal diese so ganz andere Art Gottesdienst zu feiern hinter uns. Jeder Besuch hier weitet unser Herz und bereitet es darauf vor, dass die Gottesdienst-Feiern im Himmel mit allen Nationen wohl nochmal ganz anders sein werden als alles, was wir uns bisher mit den wenigen Kulturen, die wir (ansatzweise) kennenlernen, vorstellen können.

Was für einem GOTT gehören wir, der sich in so unzähligen Kulturen und Menschen offenbart!