so mehr oder weniger angekommen

Was machen Missionare am liebsten, wenn sie ihre Heimatgemeinden beeindrucken wollen? Sie geben die aktuellen Temperaturdaten durch und sie erzählen, wie lang der Gottesdienst am Sonntag morgen war. Wie heiß es hier im Moment ist, wissen wir nicht so genau, aber der 3-Stunden-Gottesdienst heute morgen kann da ganz gut mithalten. Allein die „Bekanntmachungen“ dauerten schon über 30 und die Predigt schlichte 70 Minuten. Karsten musste bei Pastor und Ältesten sitzen – sprich: mit dem Gesicht zur Gemeinde. Da konnte man es sich leider nicht leisten, nach dem langen Flug gestern mal die Augen zufallen zu lassen… Also: wir sind in Mali angekommen. Sowohl Körper als auch Geist tun sich da noch ein bisschen schwer, aber das wird morgen sicher schon wieder anders sein. Da treffen wir uns mit Enoc, dem „Präsidenten“ des Gemeindebundes und stimmen unser Programm ab. Dann werden wir vermutlich auch innerlich den Wechsel schaffen und Euch mehr schreiben können, was konkret bei dieser Reise ansteht.

Noch ein kurzer Eindruck beim Gespräch nach dem Gottesdienst, der uns nachdenklich gemacht hat. Thema war der weiter schwelende Konflikt zwischen den Bewohners des Nordens und des Südens Malis. „Mittlerweile denken wir: wenn der Konflikt gut bearbeitet wird, dann wird er wohl noch so 20-30 Jahre dauern – wenn nicht, dann wird er vermutlich nie aufhören.“ Wenn man sonst über dies Thema sprach, dann war der Tenor meist: „Das wird schon wieder, man wird sich verstehen…“ Heute empfanden wir da doch eine gehörige Portion Hoffnungslosigkeit für ihr eigenes Land. … für Hoffnung wollen wir beten und arbeiten!

P.S.: wer Lust hat sich mit uns ein bisschen auf Mali einzustellen, der drehe die Heizung bis zum Anschlag auf, setze sich vor einen Ventilator, schließe die Augen und drehe die Gottesdienstmusik, die wir in den Blog gestellt haben laut auf…

 

viel Spaß!

holpriger Start

… und morgen früh geht es dann wieder los nach Mali und die letzten Tage waren schon eigenartig. Zunächst hat die malische Botschaft deutlich länger für die Visa gebraucht als normalerweise. Dann kam endlich der frankierte Rückumschlag an – nur ohne Gerlinds Pass. Wo war der geblieben? Es war Dienstagabend und daher nicht mehr weit bis zum Abflug. Mittwoch dann der Anruf bei der Botschaft – in unseren Gedanken sahen wir uns schon in letzter Minute nach Berlin fahren um den Pass dort abzuholen, aber dann wurde er uns doch noch geschickt und wir konnten ihn heute bei der Post abholen. Halleluja! … kann Gerlind doch mitfahren! Warum er nicht mitgekommen war, ließ sich nicht nachvollziehen. Es lebe das Adrenalin!

Und heute war dann Packtag. Wie schön, dass wir alles in Ruhe vorbereiten können – dachten wir. Dann kam um 9:30 der Anruf aus der Praxis: Das Betriebssystem (irgend sowas mit „W…“) hatte ein automatisches Update installiert compiund das bedeutete, dass der Computer zunächst für 90 Minuten stillgelegt war und danach weder Netzwerk noch Drucker noch Kartenlesegerät funktionierten. Die armen Mitarbeiter schlugen sich tapfer, schrieben jedes Rezept und jede Krankmeldung mit der Hand und versuchten gelassen zu bleiben. … und das war dann mein Vormittag. Nach 3 Stunden mit Fernwartung von der Softwarefirma und Reinstallationen lief dann (fast) alles wieder und die gedämpfte Hoffnung besteht, dass auch beim nächsten Programmstart alles läuft. Es lebe das Adrenalin!

Und doch, es ist Freitagabend, die Koffer sind gepackt und alles ist einigermaßen bereit. Die Frau bei der malischen Botschaft war ausgesprochen hilfsbereit und hat sich ins Zeug gelegt, damit der Pass noch rechtzeitig da ist. Der Mann von der Softwarewartung hat sich geduldig mit Problemen rumgeschlagen, die ihn an die Grenzen seiner Fähigkeiten brachten. Und dann hatte ich tatsächlich noch die Zeit, Pastor David einen Volleyball für seine Gemeindejugend zu besorgen. Sehr kurzfristig fragte er an, ob ich sowas noch mitbringen kann. Ein Blick ins Internet und nur ein paar Minuten von hier bot eine Frau einen an: für 5 Euro ein Ball von einer Markenfirma. Als ich ihn abholte sagte sie: „Na, das ist ja prima, es haben so viele angerufen, aber irgendwie ist nie einer gekommen um ihn abzuholen…“ So kümmert sich Gott auch um Pässe, Computer und Volleybälle…

Und wir fliegen morgen früh los nach Mali. Mal wieder über Istanbul. Nur leider diesmal ohne dort eine Nacht zu verbringen. Schade, wir wären so gerne noch mal Taxi dort gefahren…

rückblickend

„Und, war denn Eure Reise erfolgreich?“, wurden wir in der letzten Woche oft gefragt? Das ist eine schwer zu beantwortende Frage. Was hatten wir denn überhaupt erhofft? Die Irritationen in der Zusammenarbeit mit der malischen Kirche, die im Vorfeld der Reise aufgetreten waren, sollten angesprochen und wenn möglich geklärt werden. Wir wollten die malische Hilfsorganisation auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit weiter begleiten, wir wünschten uns Kontakte zu vertiefen und Entwicklungen besser zu verstehen. Mit unseren deutschen Missionaren wollten wir Perspektiven für die nächsten Monate und vielleicht auch Jahre absprechen. Was davon gelungen ist und was nicht, das lässt sich schwer fassen.

DSCF8115 Oft ist es gut, die Dinge erst einmal „sacken“ zu lassen und so denken wir im Nachhinein, dass die Gespräche und Beschlüsse mit dem malischen Kirchenbund in eine gute Richtung gehen. Wir lernen miteinander, wie man Partnerschaft in einer veränderten Missionssituation gestaltet – diese Veränderungen betreffen die Allianz-Mission (z.Zt. wenig Missionare in Mali), die einheimische Kirche (wachsende Mitgliederzahlen, größere Eigenständigkeit) und das Land selbst (unsichere politische und religiöse Situation). Da gilt es immer wieder neu zu sortieren und zu definieren, was die Aufgaben der Partner sind. Dass solche Prozesse auch schon mal holprig und auch verletzend sind, das ist sicher nicht ungewöhnlich und unser Hauptanliegen, hier nicht einseitig einen Weg zu beschreiten, bei dem der andere Partner außen vor bleibt, ist, so empfinden wir, auf einem guten Weg.

Und uns helfen solche Unstimmigkeiten auch immer wieder zu überlegen, was wir selbst als unsere Aufgabe in Mali sehen: Wozu sind wir angetreten? Was können und was wollen wir tun? Da ist es gut, dass wir uns daran erinnern, dass unser Hauptanliegen ist, dass die Menschen, die Christus nicht kennen, von IHM hören und verstehen, dass der Glaube an IHN Freiheit bedeutet. Dieses Feld ist noch sehr weit und in vielen Landesteilen unbeackert. Dafür können wir im Moment als Deutsche nur sehr begrenzt direkt arbeiten, aber wir wollen dafür beten und uns engagieren, dass andere diese Arbeit besser tun können.

P.S.: … und nun zu Teil 3 der Bozo/Dogon-Geschichte: als wir am letzten Tag mit einem Dogon über die Erzählung sprachen, war dieser – und das war eigentlich vorauszusehen – empört, wie jemand das so erzählen kann. Natürlich sei der ältere Bruder, der sich das Fleisch aus dem Oberschenkel geschnitten hat, nicht der Bozo gewesen sondern der Dogon. Und schon waren wir mitten in einem „Cousinage“-Geplänkel über diese beiden Ethnien… Und wenn es nicht gestorben ist, dann lebt das Huhn noch heute!

Heute hier, morgen da…

… bzw. gestern da, heute hier!

GK BkoNach unserer abwechslungsreichen Hinreise war die Rückreise von der direkteren Art. Zwar auch wieder über Istanbul,  aber nur 3 ½ Stunden Aufenthalt, sodass wir Bamako um 2h in der Nacht verlassen haben und um 17:30h von C. und unserem Freund J. in Leipzig empfangen wurden. Gestern noch unter dem Mangobaum voller Früchte, heute warm eingepackt vor dem noch nicht mal knospenden Apfelbaum…

Erleichterung bei einigen, dass wir wieder da sind. Ihre Freude freut uns zwar, aber bei vielen wundern wir uns doch, dass sie uns nicht lieber in Mali haben, da sie den ganzen Rest des Jahres nicht annährend so viel von uns hören wie in dieser Zeit. 😉

Wieder einmal dieser Wechsel und wieder die Dankbarkeit, dass wir uns daran gewöhnt haben und vieles als Bereicherung erleben.GK LE

Und ihr wart wieder mit dabei und habt uns dies auch durch eure Rückmeldungen wissen lassen- danke! Diese Verbundenheit, die völlig unabhängig von der räumlichen Distanz ist, ist ein unfassbares Geschenk, das uns immer wieder berührt. Möge unser Gott als der Geber dieser Gabe auch euch darin segnen!

Aber wir verabschieden uns noch nicht bis zur nächsten Reise. Manches möchten wir in den nächsten Tagen „sacken“ lassen und euch davon noch erzählen.

Und es gibt noch Teil 3 der Geschichte um Brüder und Hühner… Also, bleibt noch dabei!

… und wo war nun das Huhn?

Karfreitag in Bamako – irgendwie gelingt es nicht so richtig so kurz nach den Sitzungen und so kurz vor Eier färbenunserem Rückflug diesen Tag zu gestalten. Noch eine Teamsitzung, noch ein paar Einkäufe – eigentlich nicht so, wie wir uns einen Karfreitag vorstellen. Doch dann schauen wir am Abend noch gemeinsam eine Predigt an und beten miteinander – dann setzen wir uns aufs Dach und reden miteinander. Es ist gut, wenn die Wochen in Mali ruhig ausklingen und nicht Termine bis zum letzten Moment sind. Und heute färben Regina und ein paar Kids noch Eier – na, wenn uns das nicht auf die Rückkehr in die deutsche Kultur vorbereitet…

Jetzt noch 2 kleine Geschichten der letzten Tage:

Tene
Gruppenbild in Téné im Weihnachtsstoff

Am Sonntag habe ich im Dorf Téné gepredigt. Wie schon an den letzten Sonntagen stelle ich eine für uns noch neue Entwicklung fest: Zu Beginn der Predigt kommen einige Zuhörer nach vorne und legen ihr Handy aufs Pult. Zuerst denke ich noch, sie hätten die Weckerfunktion eingestellt, damit die Predigt nicht so lang wird, aber dann stelle ich fest, dass sie auf Aufnahme gestellt haben. Klar, die Gemeinden haben keine Homepage von der man später die Predigt runter laden kann – auf diese Weise kann man noch mal nachhören, was gesagt wurde. Ich predige über den Kranken am Teich Bethesda, den Jesus fragt, ob er gesund werden will und frage, ob sie sich vorstellen könnten, dass es Menschen gibt, die eigentlich gar nicht gesund werden möchten und blicke in ratlose Gesichter – wie soll es denn so etwas geben? Ob es denn Leute gibt, die, wenn in der Regenzeit die Feldarbeit ansteht, plötzlich starke Kopf- oder Rückenschmerzen bekommen und dann „leider“ nicht mitarbeiten können? Da geht ein Lächeln durch die Runde – doch, das kennen sie und jetzt wissen sie, wovon ich rede… Ein paar Tage später spricht mich Pastor Benjamin an und berichtet, sie hätten sich die Predigt noch mal in aller Ruhe angehört und sich entschlossen, sie im lokalen Radio auszustrahlen. Zuerst meine ich, er wolle mich auf den Arm nehmen, aber er scheint es ernst zu meinen. Eine Handyaufnahme wird im Radio ausgestrahlt – allein die Vorstellung sollte einem deutschen Radiotechniker die Haare zu Berge stehen lassen. Aber ich freue mich: offensichtlich gelingt es doch manchmal so kulturübergreifend zu predigen, dass die Hörer auch etwas davon haben.

Das Zweite: Nachdem wir die Geschichte der Bozo und der Dogon ins Netz gestellt hatten, erreichte uns am nächsten Tag eine Rückmeldung aus Deutschland: was denn nun aus dem Huhn geworden sei, das der große Bruder vermisst hat. Lachend berichte ich dem jungen Bozo von dieser Frage, die, wie ich Huhn2denke, am Kern der Geschichte völlig vorbei geht. Aber nichts da: unser Freund nimmt die Frage völlig ernst und erzählt ohne zu zögern weiter: Der große Bruder habe irgendwann das Huhn brütend auf einem Strohdach wieder entdeckt und es tat ihm leid, dass er seinen jungen Brüdern so Unrecht getan hatte. So schickte er einen Mann los, um die Brüder zurück ins Dorf zu holen, damit wieder Frieden einkehrt. Also, für alle, die diese Frage auch beschäftigte: Das Huhn war auf dem Dach und saß auf den Eiern im Nest!

Bruderliebe

Zur Abwechselung mal eine alte Geschichte, erzählt von einem jungen Mann aus dem Fischervolk der Bozo:

Vor langer Zeit gab es drei Brüder, die immer wieder unter einem Strohdach zusammen saßen und miteinander redeten. Eines Tages suchte der Älteste von ihnen, Keita, sein Huhn, das dort eigentlich brütete. Er verdächtigte sofort seine Brüder das Huhn gestohlen zu haben und drohte ihnen an, dass er sie hart bestrafen würde, wenn das Huhn nicht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder auftauchen würde. Was sollten die beiden machen? Sie hatten das Huhn nicht und sie kannten den Zorn ihres Bruders. Also flohen die beiden aus dem Dorf um der Strafe zu entgehen. Als sie lange unterwegs waren, wurde der jüngere von ihnen sehr hungrig. Nur hatten sie nichts zu essen mitgenommen. Was sollten sie tun? Heimlich nahm der Ältere ein Messer, schnitt sich ein Stück Muskel aus seinem Oberschenkel, briet dies und gab es seinem Bruder zu essen, ohne dass dieser wusste, woher das Fleisch kam. Mittlerweile waren sie an einem Fluss angekommen und als der jüngere diesen überqueren wollte, hatte der Ältere immer eine Ausrede, so dass man glauben konnte, er habe Angst vor dem Wasser – tatsächlich aber schmerzte die Wunde noch so sehr, dass er sich schonen musste. Irgendwann entdeckte dann aber der BozoJüngere das Blut an seinem Bein und verstand, was es mit der Weigerung seines Bruders auf sich hatte. Also blieben die beiden am Fluss, bis die Wunde verheilt war, der Jüngere, aus dem später das Volk der Dogen hervorging, ging auf die Jagd, während der Ältere, der Stammvater der Bozo, am Fluss sitzen blieb und angelte. Und so erklärt sich zum Einen, dass die Bozos Fischer wurden und zum Anderen die Entstehung einer bis heute für unser Empfinden seltsamen und doch engen Verbindung der Bozos und Dogon: Konflikte darf es nicht geben zwischen ihnen und wenn es Streitigkeiten gibt, dann werden sie durch ein paar deftige Späße aus der Welt geräumt. Bozos und Dogon dürfen sich nach Herzenslust beschimpfen und beleidigen, ohne dass sie sich das übel nehmen – aber geheiratet werden darf zwischen ihnen nicht… Seltsam interessant! Warum gibt es so schöne Geschichten nicht z.B. von den Sachsen und den Schwaben?

P.S.: heute Abend sind wir wieder in Bamako angekommen.

Sofara

Andre

Das gehört für mich mit zu den schönsten Zeiten in Mali, diese ungezwungenen Begegnungen, in denen man einfach miteinander redet, ohne Programm, Tagesordnung oder klares Ziel. Gesten besuchten wir André und seine Familie in Sofara. Manchmal sagen wir bei so Besuchen am Anfang klar, dass wir einfach nur zum Zuhören und miteinander Reden kommen, denn manch einer ließ später dann mal durchblicken, dass er sich im Vorfeld so seine Gedanken Mariegemacht habe, warum die Direktoren denn wohl zu ihm kommen… Und so sitzen wir – natürlich beim Tee – zusammen und kommen ins Gespräch. Andre erzählt, wie er als junger Mann mit den ersten Missionaren der Allianz-Mission in Kontakt kam, wie sie gemeinsam in Sévaré unter den Schülern missionarische Einsätze durchgeführt haben, wie dann irgendwann die Frage aufkam, ob er nicht auf ein theologisches Seminar gehen will. Damals war für die französischsprachigen Malier noch die Hauptstadt der Elfenbeinküste der naheliegendste Ort zum Andres TochterBibelstudium – wie gut, dass sich das mittlerweile geändert hat! Und dann unterhalten wir uns über die verschiedenen Stationen seiner Arbeit als Gemeindepastor: zuerst in einem weitestgehend animistischen Kontext, dann Soufouroulaye und jetzt Sofara: beide fast zu 100% islamisch. Sofara – wie viele christliche Missionare waren schon hier… Schellenburgs, Hamalegas, Orths und auf malischer Seite Kodios und nun Sayes. Ja, hier ist eine Kirche, ja, hier wird Sonntag um Sonntag mit einer bescheidenen Anzahl von Christen Gottesdienst gefeiert. Ja, die Akzeptanz der Christen ist in den Jahrzehnten deutlich gewachsen. Aber immer wieder stellen sich mir hier wie an so vielen Orten dieselben Fragen. Vielleicht habe ich das auch schon 100x geschrieben, aber heute muss ich es einfach wieder schreiben! Nein, es gibt keine Christen aus der eigentlichen Bevölkerung Sofaras. Niemand der Muslime hat, soweit wir das beurteilen können, Jesus wirklich kennen gelernt. In die Kirche gehen Zugezogene, Schüler, Beamte, die hierhin versetzt wurden, vielleicht mal ein Ehepartner, der durch seine Heirat nach Sofara kam. Manchmal tröste ich mich damit, dass das Zeit braucht, dass es doch gut ist, wenn langsam aber sicher die Christen eine akzeptierte Minderheit in der islamischen Bevölkerung sind. Manchmal hilft es mir auch mich daran zu erinnern, dass viele Gemeinden in deutschen Städten auch vor allem durch Transfer wachsen. Aber manchmal, heute, reicht mir das nicht. Wir arbeiten hier, damit Menschen, gerade Muslime, Jesus als den einzigen Weg zu Gott kennen lernen – auch wenn das im Moment vielleicht in Deutschland nicht mehr so gesellschaftsfähig ist. Ich will mich nicht mit dem Status Quo zufrieden geben. Warum gelingt das so selten? Warum tut der Heilige Geist hier scheinbar nicht mehr? Stehen wir Ihm im Wege? Warum geschehen keine Wunder, die deutlich machen, dass Jesus alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben ist? Nein, ich will mich nicht zufrieden geben. Ich will beten, fasten und dafür kämpfen, dass Muslime die befreiende Gnade Jesu kennen lernen. Ich will geduldig weiter arbeiten und auf das Wirken des Heiligen Geistes warten, aber ich will Gott auch damit in den Ohren liegen, dass das noch nicht das ist, wofür Er uns nach Mali geschickt hat und immer wieder schickt.

(Die Fotos zeigen André, seine Frau Marie und eine seiner Töchter.)

Der Eckstein und einfache Leute

ReginaAnne-Marie

Anfang der Woche konnte ich (Gerlind) Regina und Anne Marie bei einem Besuch begleiten. Die beiden arbeiten schwerpunktmäßig in der Sprachforschung und Bibelübersetzung für das Fischervolk der Bozo. Meistens sitzt man hier bei solchen Besuchen im Hof, was ich sehr genieße. In diesem Hof wohnen allerdings mehrere Familien, sodass wir in das kleine Wohnzimmer geführt werden. Das Zimmer ist relativ dunkel, weil es kein Fenster gibt. Wo keine Öffnung ist, bleiben Hitze und Staub besser draußen. Wir sitzen mit der Mutter, zwei erwachsenen Söhnen und einer weiteren Verwandten zusammen. Weitere Kinder gehen aus und ein, eines schläft neben uns auf dem Sofa ein. Insgesamt leben z.Zt. 21 Personen hier. Ich frage erstaunt, wie groß die Wohnung ist, da es mir so aussieht, dass hinter dem Wohnzimmer nur ein, vielleicht noch zwei Zimmer liegen. Draußen hätten sie noch ein kleines Zimmer, da würden die 15 Jungen schlafen. Ah….

Die ganze Zeit läuft der Fernseher, das ist üblich hier. Als Beobachterin stört es mich heute nicht, aber konzentrieren könnte ich mich so nicht. Anne Marie kommt hier regelmäßig zum Sprache lernen hin. Nach einer Zeit des Smaltalks holt sie einen Bibeltext (Apg 4) heraus, den sie gerne von den „Muttersprachlern“ getestet haben möchte. Und schon sind wir mittendrin in einer spannenden Bibelarbeit. Was heißt in diesem Bozodialekt „Eckstein“ und wie kann man erklären, dass dieses Bild für Christus gebraucht wird. Ah, Matas Mann ist Maurer, das hilft natürlich! Es ist interessant zu beobachten, wie engagiert die 4 Personen miteinander reden und nach dem passenden Ausdruck suchen… und gleichzeitig werden biblische Inhalte vermittelt. Ich verstehe kein Wort von dieser Sprache, aber allein die Beobachtung der Dynamik fasziniert mich. Und wenn es mal langweilig werden sollte, ist da ja immer noch der Fernseher…;-)

SchulbankAls man sich auf einen verständlichen Begriff geeinigt hat und dieser notiert wurde, geht’s weiter: Die Pharisäer wunderten sich über die Predigt von Petrus und Johannes, da sie eigentlich „einfache“ Leute waren. Ja, das klingt im Deutschen und für Deutsche „ganz einfach“. Interessanterweise kommen unsere Sprachhelfer ganz schnell auf Schulabbrecher, bzw. Leute, die, aus welchen Gründen auch immer, nicht lange zur Schule gegangen sind. Solche gibt es bei uns in Deutschland ja nicht so viele, in Mali aber in hoher Zahl. Und die beiden Frauen vor uns sind vermutlich auch nie zur Schule gegangen. Spannend mit „einfachen“ Leuten herauszufinden, wie man für sie am besten „einfache Leute“ ausdrückt und im Moment sind sie eindeutig die „Experten“!

Ich bewundere meine Kollegen in der Sprachforschung, eine Arbeit, in der ich mir mich überhaupt nicht vorstellen kann. Und mich begeistert, wie Gott hier hochbegabte und gut ausgebildete Leute mit „einfachen“ zusammen bringt und arbeiten lässt und alle darin bereichert werden.

Die Bibel in seiner Muttersprache lesen oder hören zu können ist ein Privileg. Dieses Bewusstsein ist vielen von uns Deutschen verloren gegangen. Ich habe allein in meinem eBook 3 verschiedene Übersetzungen, ganz zu schweigen von den weiteren im Regal. Ein immenser Reichtum! Und eine krasse Ungleichheit. Ein Reichtum, den ich mit den Bozos und Milliarden anderen Menschen nicht teilen kann, in dem ich ihnen eine meiner Bibeln in die Hand drücke mit Worten, die sie weder lesen noch verstehen können. Ich bin sehr dankbar für Kolleginnen wie Regina und Anne Marie, die bereit sind, einen langen, mühsamen und angefochtenen Weg mit „einfachen Menschen“ zu gehen, weil sie den kennen, den Gott zum „Eckstein“ gesetzt hat.

Sprache

Wir verlassen Bamako, die turbulente Hauptstadt und fahren ins nördliche Arbeitsgebiet der Allianz-Mission und der UEPEM. Es tut immer wieder gut „aufs Ländle“ zu fahren. Zuerst der obligatorische Stopp in Fana: hier MUSS am Straßenrand ein Omelett gegessen werden. Hier MUSS ich das verdutzte Gesicht und das Kopfschütteln sehen, wenn ich darauf bestehe, den Nescafé ohne, ja wirklich ganz ohne Zucker zu trinken. Hier MUSS ein Schwätzchen in einer Mischung aus Bambara, Französisch und Peulh gehalten werden. Das ist ein Gefühl von Heimat – auch wenn das vermutlich schwer zu vermitteln ist. Irgendwann halten wir nochmal am Straßenrand, weil wir mal müssen. Der Fahrer hinter uns bleibt direkt stehen und fragt, ob wir eine Panne hätten und Hilfe brauchen. „Ich muss nur mal pullern“, sagt man in Sachsen, aber das spricht man hier nicht so aus. Als ich ein bisschen drum herum rede, meint er, wir wollten nur mal spazieren gehen. Also werde ich etwas direkter: Nein, wir wollen „hinters Haus P2gehen“. Ja, das wird sofort verstanden und der freundliche Mann fährt taktvoll weiter. Peulh ist eine schöne Sprache! Weiter nördlich kommen wir an einem Tümpel vorbei, in dem einige Fischer versuchen die letzten paar Fische ins Netz zu bekommen. Ich will ein paar Fotos machen, aber ich merke, wie sie unwillig reagieren. Also brülle ich aus 50 Meter Entfernung eine Begrüßung auf Peuhl zu ihnen und sie grüßen freundlich zurück. Das geht ein bisschen hin und her und als ich dann frage, ob ich sie fotografieren kann, ist das überhaupt kein Problem. Noch ein Stück weiter an einer Fernbushaltestelle essen wir dann zu Mittag: Kartoffelragout mit mal mehr mal weniger Fleisch (ich hab den Knochen erwischt) für 1,10 Euro die Portion von einem Plastikteller mit einer Alugabel. Schnell noch ein paar Erdnüsse gekauft und weiter geht es. Wie gut, dass das Auto klimatisiert ist. Früher gab es diesen Luxus bei unseren Autos nicht und die Fahrten waren deutlich anstrengender.

Dann stoßen wir auf eine Kuhherde, die zu einem Wasserloch geführt wird. Auch hier wollen wir P3fotografieren, auch hier dieselbe skeptische Reaktion und auch hier 2 freundliche Sätze auf Peulh und die ganze Szenerie verändert sich: Fotografieren kein Problem, nicht nur die Kühe sondern auch den Hirten (oh Hilfe, dunkelhäutige Menschen bei strahlendem Sonnenschein zu fotografieren ist schon eine Kunst aber wenn er dann noch einen großen Hut aufhat…). Wer je daran zweifeln sollte, wie wichtig in der Missionsarbeit das Erlernen einer einheimischen Sprache ist, der sollte nur mal so eine Fahrt mitmachen und erleben, wie schon 2 Sätze eines Grußes in der Muttersprache einen völlig anderen Zugang zueinander entstehen lassen!P4

Lebensschule

Schulbesuch in Sabalibougou wo Christiane einmal pro Woche unterrichtet. Zuerst wird wieder – die Unterricht christianeNationalhymne singend – die malische Flagge gehisst, dann geht es ab in die Klassen. Mittlerweile ist eine Vorschulklasse mit dazu gekommen und so werden die Kleinen schon mal ein paar Stunden am Tag an Schulalltag und die französische Sprache gewöhnt. Die Begeisterung mit der die Kinder bei der Sache sind und wie stolz sie zeigen, wenn sie etwas gelernt haben, das ist schon beeindruckend. Das Schulgebäude ist ein Rohbau: kein Putz, kein Anstrich und kein fester Boden – aber wen stört das? Wenn man einen Tisch und eine Bank hat und dann sogar noch eine Tafel an der Wand, braucht Schulkinder2man kein repräsentatives Gebäude. Christiane spricht kurze Sätze, mal in Bambara mal in Französisch, die die Kinder nachsprechen, damit sich Dinge des täglichen Lebens einprägen und dann hoffentlich auch umgesetzt werden. Der Erfolg ist nicht immer so unmittelbar erkennbar. So wiederholt Christiane heute immer wieder den Satz: “Immer esse ich das Fleisch gut durch gegart.” (Das klingt auf Französisch natürlich besser…) Rohes Fleisch kann hier leicht Erkrankungen übertragen (auch ohne europäische SchulkinderMassenviehhaltung) und wer Hunger hat, der wartet nicht immer darauf, dass auch alles lang genug gekocht oder gebraten wurde. Also nochmal: “Immer esse ich das Fleisch gut durch gegart!” Leider sind längere Sätze so viel schwieriger zu behalten als kurze und so wiederholt die Klasse begeistert im Chor:”Immer esse ich das Fleisch!” Na also, die wichtigste Botschaft ist doch angekommen!

 

Auf verschiedenen Märkten kaufen wir dann Dinge ein, die in Deutschland weiter verkauft werden sollen, damit weitere Schulprojekte in Mali finanziert werden können. Die Verkäufer freuen sich, denn wir kaufen nicht nur hier und dort ein bisschen, sondern, wenn wir uns über den Preis einig geworden sind, gleich alles in zig-facher Ausfertigung. Als wir dann an 2 Verkaufsbuden fast 60 Steinschleudern kaufen, staunen die Leute nicht schlecht und wir hätten zu gerne nachher die Gespräche belauscht, was die Weißen wohl mit so vielen Zwillen wollen. Nein, wir sichern nicht Europas Außengrenzen, falls das jetzt jemand gedacht hat…