Wenn der Chef kommt…

Eine intensive Woche liegt hinter uns. Nach 6 Jahren war Thomas Schech als Leiter der Allianz-Mission wieder in Mali und es reihte sich natürlich ein Besuch an den anderen: Gespräche mit den Leitern der Partnerkirche, der evangelischen Allianz und der theologischen Ausbildungsstätte in Bamako; mit Manuel, unserem Agromissionar plus Kurztrip zu seinem Arbeitsplatz im Dorf, Treffen mit   Verantwortungsträgern anderer Organisationen und dann zwei Tage einer Auszeit der NGO-Mitarbeiter, also der Leute, die die sozial-diakonische Arbeit der AM in Mali verantworten und durchführen. Gerade diese beiden Tage waren sehr wertvoll für uns: einmal nicht vor allem Sachfragen der Zusammenarbeit beackern, sondern miteinander in der Bibel lesen, zum Gebet zusammen zu kommen und über Themen zu referieren und zu diskutieren, die sonst nicht so auf der Agenda zu finden sind: Thomas hat einen Workshop über Teamarbeit gehalten und ich über eines meiner Lieblingsthemen: Fasten in Gesundheit und Kirche.

Manche der Mitarbeiter haben wir seit Jahren nicht mehr gesehen, weil wir schon so lange aus Sicherheitsgründen nicht mehr in ihr Arbeitsgebiet reisen können, und da war das Wiedersehen eine große Freude – schließlich haben wir mit dem ein oder anderen über viele Jahre an derselben Arbeit gestanden und die Sehnsucht, irgendwann wieder in den Nordosten des Landes reisen zu können, wuchs um so mehr.

Wie schön aber, dass wir dann hin und wieder auch mal was ganz anderes machen konnten: Freitag ein Besuch im Stadion, um Mali bei seinem Sieg gegen den Tschad im Fußball zuzusehen, Samstag eine Dienstbesprechung mit Thomas joggenderweise im schönen Parkgelände in Bamako und dann sogar noch eine abendliche Fahrt über den Niger – schließlich soll der Chef ja auch einen Eindruck von den Emotionen und Naturschönheiten (… nicht was Ihr denkt 😉) Malis bekommen.

Heute Abend geht es für ihn wieder zurück nach Deutschland. Gerlind musste schon am Freitag zurückreisen, weil die Arbeit in der Praxis in Leipzig das nötig machte und ich habe noch ein paar Tage in der malischen Sonne, bevor ich dem deutschen Winter wieder begegnen muss.

 

 

Happy birthday Mali!

Vorgestern waren wir bei Solo – einem „alten“ Freund aus den Zeiten, als wir noch dauerhaft in Mali lebten und über diese plauderten wir, erinnerten uns mal wieder an die eine oder andere Begebenheit. Und plötzlich machte es bei mir „Klick“ – 12.11.2023. Wenn mich nicht alles täuscht, dann sind wir am 14.11.1993 zum ersten Mal nach Mali ausgereist – also heute vor genau 30

Blick vom Dach

Jahren. Wahnsinn! Ich sehe mich noch zum ersten Mal auf dem Dach unseres Gästehauses stehen und über die Stadt blicken: jetzt waren wir an dem Ort, auf den wir uns seit Jahren vorbereitet hatten: Medizin- und Bibelschulstudium, erste Erfahrungen in Kamerun, Tropenmedizin gelernt in Antwerpen, Sprach- und Kulturstudium, verschiedene Kurse hier und da und das alles mit mittlerweile vier Kindern. Jetzt waren wir endlich in Mali – angekommen, hier war der Platz, an den wir uns von Gott berufen sahen. 30 Jahre her – Wahnsinn! Und erst jetzt wird es uns bewusst, haben vorher gar nicht darüber nachgedacht. Spontan laden wir unsere Equipe ein, bestellen beim nächsten Grill etwas Fleisch und ein paar Getränke und feiern kurz entschlossen unser Jubiläum. Manche von denen, die heute mit gefeiert haben, wurden damals gerade mal eingeschult. Aber Enoc und Niangaly waren schon mit dabei und wir sind Gott dankbar für 30 Jahre, in denen wir zusammen gearbeitet, uns kennen gelernt und manche Freude und manche Krise überstanden haben.

Und da ist es doch schön, dass Thomas, Schech, der Leiter der Allianz-Mission, gerade gestern in Mali angekommen ist, um hier eine Woche mit uns Menschen zu treffen, Gespräche zu führen, sich die verschiedenen Arbeitszweige anzuschauen!

Nur Erfolgsgeschichten?

Stolze Schulungsabsolventen

Das hier ist wirklich eine: Das Kleinkreditprojekt, von dem ich schon im März berichtet hatte, läuft weiter gut. Auch in den verbliebenen Kirchen wurden die Kredite komplett zurück gezahlt – von allen Teilnehmern hat nur eine Frau das geliehene Geld nicht erstattet, aber damit die anderen nicht darunter leiden müssen, hat das zuständige Komitee die Kosten übernommen – das wird dann intern geregelt. Und jetzt geht es in die zweite Runde: Wer ordnungsgemäß bezahlt hat (und das sind ja fast alle), kann jetzt 150% des bisherigen Kredites bekommen, also statt im letzten Jahr 150 Euro jetzt 225. Mit den gemachten Erfahrungen und der nun größeren Summe kann die Geschäftsidee weiter ausgebaut werden. Außerdem gibt es ein Aufbauseminar, in dem die Teilnehmer ihre Erfahrungen miteinander teilen und weitere Impulse bekommen. In diesem Jahr haben wir ein neues Thema mit

Kleinhandel

hinzu genommen: „Wie sieht ein bibelgemäßer Umgang mit Geld, Besitz und Business aus?“ Es soll nicht nur darum gehen eine Geschäftsidee zu verwirklichen, sondern auch deutlich zu machen, dass Christsein auch und gerade im Geschäftsleben konkret werden kann. Auch dieses Modul wird sehr positiv – auch gerade von den Gemeindeleitern – aufgenommen. Zusätzlich zu den bisherigen Kreditnehmern bekommen nun auch Mitglieder anderer Ortsgemeinden eine Chance und so wächst das Programm Stück für Stück.

Wie schön wäre es, wenn das immer so laufen würde. Aber natürlich machen wir auch andere Erfahrungen. Vor ein paar Jahren hat der Kirchendistrikt Bamako um Gelder gebeten, um ein Projekt verwirklichen zu können, das Geld in die Kirchenkassen spülen sollte: Es wurden stabile Stühle gekauft und Planen. Beides sollte vermietet werden für Festlichkeiten, die es in der Hauptstadt zuhauf gibt – vor allem Hochzeiten und Taufen. Die Geschäftsidee ist simpel, Erfahrungen bestehen an vielen Orten und der Bedarf ist groß – nur leider nicht das Engagement. Seit dem Kauf der Stühle stehen sie in irgendeinem Lagerraum und verlassen diesen, wenn überhaupt, nur ganz selten, weil sich einfach keiner kümmert. Es geht ja nicht um die eigenen Finanzen, sondern um das Geld der Kirche und da schrumpft die Motivation gewaltig.

Der Wald vor der Abholzung

Auch haben wir vor vielen Jahre in einem Dorf ein großes Grundstück wieder aufgeforstet. Über 30 Hektar wurden mit Bäumen bestückt, das Grundstück umzäunt und für ausreichend Wasser gesorgt. Und es war eine Freude, wie nach ein paar Jahren ein richtiger Wald entstanden ist. Nach etlichen Jahren allerdings fanden die jungen Leute aus dem Dorf, dass man mit dem Holz doch eine Menge Geld verdienen könnte, hielten sich nicht mehr an die mit ihren Eltern geschlossenen Verträge und schlugen alles ab, was man verkaufen konnte: viele Jahre harte Arbeit – einfach dahin.

So ist die Realität: Geld allein macht es nicht, Bewusstsein muss da sein oder geschaffen werden und etwas, was wir mehr und mehr wahrnehmen: Gemeinschaftsprojekte sind viel schwieriger erfolgreich durchzuführen als solche, bei denen die Beteiligten direkt und persönlich profitieren. Das ist zwar oft bedauerlich, aber uns ja auch in Deutschland nicht fremd. Und so lernen wir auch nach vielen Jahren immer wieder dazu, machen Fehler, sind frustriert über Rückschläge und freuen uns an den Erfolgen.  C’est la vie !

Sentimentalitäten

Was weckt die Erinnerungen so sehr wie Geruch, Geschmack, Musik? Plötzlich kommen Gefühle wieder an die Oberfläche, spielen sich Szenen vor dem geistigen Auge ab und versetzen einen zurück in eine andere Zeit:

Gestern schlenderten wir über den Markt, der nichts mit dem zu tun hat, was wir in Deutschland unter „Markt“ verstehen: Am Straßenrand lauter Stände verschiedenster Art vom Obst über fliegenumschwärmtes Fleisch bis zu chinesischen Plastikschüsseln. Mal in Regalen für uns undurchschaubar sortiert, mal auf einer Decke oder einem alten ausgebreiteten Karton auf der Erde. Im Innenbereich dann lauter kleine Blechverschläge: hier das Stoffviertel, da die Schneiderecke, drüben der Hühnerverkauf – lebend natürlich, aber bei Bedarf wird auch gleich geschlachtet und gerupft. Ich liebe es hier einzutauchen, könnte mich stundenlang durch die engen Gänge wühlen und mal hier grüßen, mal da eine Kleinigkeit erstehen – natürlich nicht ohne ausgiebig zu handeln.

Auf wem Weg nach „draußen“ entdecken wir einen Stand mit gebratenem Fisch und Attiéké, ein Grundnahrungsmittel aus fermentiertem und über Dampf gekochtem Maniok. Erinnerungen werden wach: 1999 bis 2003, 2-3 unserer Kinder gehen in ein Internat in der Elfenbeinküste, 1.200 km entfernt von unserem Zuhause in Mali, weil es da keine angemessenen Schulmöglichkeiten mehr gibt. Bis zu 8x im Jahr haben wir die Tour mit dem Auto dorthin machen müssen: morgens früh los in Sévaré, unserer malischen Heimat, und nach ca. 12 Stunden (es sind hier halt keine Autobahnen) und 2/3 der Strecke in Bouaké die Nacht verbracht. Und kaum

Rabea und Jano im Internat

hatten wir uns einquartiert in das amerikanische Gästehaus dort, ging es auf den Markt: Attiéké, Fisch, ein paar Fleischspieße – welch ein Genuss nach der anstrengenden Autofahrt. In Gedanken sehe ich uns kurz vor der Ankunft durch Bouaké fahren, Fenster auf, laut Musik hören (ich weiß noch genau welches Stück!) – glücklich, die Strecke unfallfrei hinter uns gebracht zu haben. Und dann am nächsten Morgen früh aufstehen, 100 km nach Yamoussoukro fahren und am Straßenrand Omelette essen und löslichen Kaffee trinken.

Abends (also wieder im wirklichen Leben) sitzen wir 2 auf dem Dach unserer Unterkunft in Bamako und ich zupfe meine Kora, die traditionelle 21-seitige malische Stegharfe, die ich so gerne richtig spielen können würde und wieder gehen die Gedanken weit zurück. Auf dem Dach in Sévaré vor über 20 Jahren. Gerlind und die Kids liegen unter den Moskitonetzen und schlafen schon fest, während ich die Kühle des Abends genieße und noch mit der Kora in der Hand im Mondschein versuche, die Seiten zu ruhigen Melodien zum Klingen zu bringen.

Innerlich muss ich grinsen: alter Mann träumt von den guten alten Zeiten. Waren sie das? Natürlich nicht nur, aber die anderen Seiten sind erfreulicherweise nicht so in Erinnerung geblieben.

Wer kriegt die Oma?

Eigentlich lebt sie auf dem Dorf im Inland. Ihr Mann wurde vor ein paar Jahren von Jihadisten entführt und seitdem fehlt von ihm jede Spur. Doch mit Kindern und Enkeln ist sie in die Familienstruktur gut eingebunden. Der andere Teil ihrer Familie aber wohnt in der Hauptstadt Bamako – so auch der älteste Sohn, der ja jetzt das Familienoberhaupt ist und von Zeit zu Zeit kommt sie auch für ein paar Monate zu ihnen, wohnt dort im Haus und kümmert sich auch bei ihnen um die Enkel, genauso wie um die unseres Mitarbeiters Jérémie (Name von der Redaktion geändert 😉). Aber jetzt ist es schon wieder ein paar Jahre her, dass sie zuletzt in Bamako war. Eigentlich war ihr Besuch schon in diesem Jahr im Januar vorgesehen, aber sie kam nicht. Die Familie im Dorf will sie nicht hergeben, sie sind froh über ihre Gesellschaft aber auch die Entlastung durch sie ist ein wichtiges Element. Die Frauen können im Dorf ihrer Arbeit nachgehen und die Oma passt auf die Enkel auf. Also sind sie alles andere als scharf darauf, dass sie nach Bamako geht. Dort aber ist die Situation ähnlich: auch bei Jérémie und seinem großen Bruder sind genug Enkel da, die von der Oma betreut werden können und ich erinnere mich gut, als Oma noch hier war und wieder zurück ins Dorf wollte, die Kinder aber die Rückreise immer wieder mit verschiedenen Argumenten nicht ganz uneigennützig verschoben haben…

Aber warum kam Oma nicht Anfang des Jahres wie angekündigt? Monate gingen ins Land, ohne dass darüber gesprochen wurde. Irgendwann kam dann die Schwester aus dem Dorf nach Bamako, um sich hier wegen einer Krankheit behandeln zu lassen und steckte dann Jérémie, dass die Oma immer darauf gewartet habe, dass der Älteste ihr ein Busticket kauft und die Fahrt nach Bamako organisiert. Da er das nicht gemacht habe, blieb sie halt im Dorf. Und so lief dann die Informationskette: Oma sagte es der Tochter, die sagte es ihrem jüngeren Bruder Jérémie, damit er es dann wieder dem Ältesten sagte… Warum bitte, so fragen wir Deutsche uns, ruft nicht einfach die Oma ihren Sohn an und fragt, was denn jetzt bitte mit dem Ticket ist? Aber vieles an der malischen Art der internen Kommunikation bleibt uns verborgen.

Auf jeden Fall wird Oma jetzt im Januar nach Bamako kommen – davon ist Jérémie überzeugt und er wird seinen Bruder schon erinnern, wenn er wieder kein Ticket schickt. Schließlich wollen die Enkel die Oma wieder sehen und die Familie freut sich auf die Entlastung – bis dann die aus dem Dorf wieder Druck machen…

P.S.: Gerlind wird diesmal schon eine Woche vor mir aus Mali nach Deutschland zurückkehren, aber das hat nichts mit den Enkeln zu tun – oder fast nichts 😉.

Ein paar Sack Getreide

Manchmal sind es die kleinen Dinge, die einen Unterschied machen: Ende letzten Jahres kamen wir einer Bitte unserer Mitarbeiter in Bamako nach: Wir hatten aufgeräumt und ein Lagerraum wurde frei. Da kam bei ihnen der Gedanke eines Getreidedepots auf. Mit einem Kredit kauften N. und E. Reis und Hirse en gros ein und lagerten es hier ein. Kurz nach der Ernte sind die Preise noch erträglich, aber schon ab Januar steigen sie langsam aber sicher an und am Ende der Regenzeit zahlt man für dieselbe Menge die Hälfte mehr. Also wurde der Jahresbedarf der 6 Familien berechnet, eingekauft und die Säcke eingelagert. Alle erklärten sich bereit, dass das Geld scheibchenweise von ihrem Gehalt einbehalten wurde und so keiner in die Versuchung kam den Kredit nicht regelmäßig zurückzuzahlen. Heute nahm E. den letzten Sack Reis mit nach Hause – kurz vor der neuen Ernte.

Ob sich das denn gelohnt habe, fragen wir. Und ob: die Ersparnis von bis zu 50% ist nur ein Aspekt. „Weißt Du,“ erklärt mir N., „manchmal bekommst Du Dein Gehalt und schon am nächsten Tag ist fast nichts mehr davon übrig. In der Großfamilie ist der Bedarf so groß. Wenn die Leute wissen, dass Du ein Gehalt bekommst, dann wirst Du ständig um Geld gebeten.“ Da ist die Cousine aus dem Dorf, die krank wird und plötzlich zur Behandlung in die Hauptstadt muss, dann der Pastor, der sich meldet, weil er nichts mehr zu Essen hat; oder eine Hochzeit, wo so viele Besucher kommen, die alle mit beköstigt werden müssen… Und wer zumindest etwas Geld hat, kann da nur sehr schwer „nein“ sagen. „Wenn Du dann wenigstens immer Reis oder Hirse hast, die Du mit nach Hause bringst, dann ist das eine riesige Erleichterung – von dem Getreidelager weiß ja keiner und so müssen wir damit nicht unseren sozialen Verpflichtungen nachkommen und haben das ganze Jahr wenigstens unser Grundnahrungsmittel.“

Kein großes Ding, keine enormen Kosten; ein kleiner Rahmen und so wirklich langfristig hilfreich. Jedenfalls ist das Geld fast komplett wieder in der Kasse und N. und E. erkundigen sich schon wieder, wo es das beste und günstigste Getreide gibt.

 

Eintauchen

Problemlose Reise – wie schön! Zwischenstation Istanbul: Gerlind setzt sich auf einen der letzten freien Sessel und findet sich – nicht gerade vorhersehbar auf diesem riesigen Flughafen – neben zwei Maliern wieder. Leider ist ihr Flug vor 3 Tagen ausgefallen und so saßen sie nun seitdem auf dem Flughafen fest und bekamen wegen irgendwelcher Visumsprobleme kein Hotel zugeteilt, sondern verbrachten die Tage und Nächte auf irgendwelchen Flughafensesseln. Da wollen wir uns mal nicht beschweren über unsere läppischen 4 Stunden Aufenthalt.

Und, zum ersten Mal in unserem malischen Leben, waren unsere Koffer in Bamako schneller auf dem Gepäckband, als wir durch die Passkontrolle kamen. Manuel holte uns ab und so konnten wir fröhlich um 3 Uhr morgens das malisch vorgewärmte Bett aufsuchen.

Dann heute Morgen natürlich Gottesdienst – Pastor T. hielt eine sehr engagierte Predigt und uns damit wach. Im Anschluss unterhielten wir uns über Deutschland und Mali und wieder einmal wurde uns bewusst, wie unterschiedlich die Themen sind: Wir seien ja so beschäftigt gewesen mit dem Krieg in der Ukraine, aber das sei ja jetzt wohl der Krise im nahen Osten gewichen. In seiner Wahrnehmung war der Ukrainekrieg ja jetzt beendet… Da mussten wir ihn leider eines Besseren belehren – aber hoffentlich hat T. eine prophetische Gabe! Doch als ich sagte, dass letztlich alle auf der Welt von den Krisenherden betroffen sind, hatte er gleich ein schönes Sprichwort parat: Das stimme und bei ihnen würde man sagen: „Wenn du einem Affen auf den Schwanz trittst, ist es trotzdem der Kopf, der schreit!“

Mit dem Fahrrad holte ich uns dann was zu Essen bei einer vietnamesischen „Fass Food“ – Bude. „Fass Food“? Zum Glück war es wohl ein sprachlicher Lapsus auf dem Schild dort und es gab nicht etwa nur eingelegte Gurken oder Fassbrause. Fahrrad ist auch immer so eine Sache – ungewohnt für die meisten Malier hier: als Transportmittel kommen fast nur Mopeds oder Autos in Frage und wenn dann noch ein Weißer auf dem Drahtesel sitzt…

Abends noch ein Spaziergang zum Niger: nach dem üblichen Gang durch den Plastiktütentrampelpfad dann die untergehende Sonne am Nigerufer im Nobelviertel Bamakos. Ein paar Malier versuchen Fische zu angeln, aber auch sie fangen meist nur Plastiktüten oder ähnlichen Unrat, der zuhauf den Fluss besiedelt. Ansonsten sind hier die Chinesen eindeutig in der Überzahl und besiedeln die Appartements, die hier überall aus dem Boden schießen.

Beim Abendbrot hören wir über kräftige Lautsprecher wie jeden Abend die Predigt aus der Nachbarmoschee. Zum ersten Mal fragen wir uns, ob der Imam eigentlich jeden Tag eine neue Predigt vorbereitet oder ob das alles spontan ist. Schade, wir verstehen nicht, was er da so zum Besten gibt – müssen wir mal unsere malischen Freunde fragen. Interessant, wie man jahrelang Dinge mehr oder weniger wahrnimmt und sich bestimmte Fragen nie stellt.

Mali hat uns wieder – mit den schönen wie den weniger hübschen Seiten. Und Stück für Stück lassen wir auch innerlich Deutschland hinter uns!

Abgedreht oder abgehoben?

The same procedure as every year! Warten am Flughafen auf den nächsten Trip nach Mali. Mali? Echt jetzt? Viele Patienten zogen in den letzten Tagen die Augenbrauen hoch, als sie von unseren Plänen hörten, dachten, dass man da überhaupt nicht mehr hin könnte. Ist das nicht völlig abgedreht? Rückzug der Blauhelme, erneuter Krieg gegen die Tuareg, andauernde Terrorismusbedrohung? Aber ja, man kann immer noch nach Mali reisen! Und wer weiß schon, was morgen ist? Daher machen wir uns erneut auf den Weg, wollen unsere Freunde, Mitchristen, Mitarbeiter, Partner treffen und gemeinsam überlegen, wie wir in Zukunft miteinander arbeiten können – wissend, dass wir nicht wissen, was sich in den nächsten Monaten entwickeln wird. Stabilisiert sich wider alle Voraussagen die Situation oder wird es vielleicht unsere letzte Reise nach Bamako?

Aber schreibe ich nicht seit Jahren immer dasselbe, wenn wir nach Mali aufbrechen? Wenn ich richtig mitgezählt habe, dann ist das die 20ste Reise seit wir 2014 die Aufgaben übernommen haben, als Teamleiter (manchmal ganz ohne deutsches Team) in Mali die Allianz-Mission zu vertreten. Jubiläum! Also feiern wir lieber, dass das all die Jahre möglich war – trotz Ebola, Corona, Al-Kaida und wie sie alle heißen!

Also heben wir ab – in einer guten Stunde von Leipzig aus über Istanbul nach Bamako. Und wir nehmen Euch mit – per Blog, das ist bequemer, freuen uns, wenn Ihr uns in Gedanken und Gebeten wieder begleitet.

 

Wohin geht’s?

Ein bisschen ratlos sitze ich vor meinem Computer. 3 Tage bin ich nun schon wieder in Deutschland und da muss ich doch noch so etwas wie einen Abschlussstatement verfassen. Irgendwelche schlauen Gedanken, ein Resümee, ein Fazit…. Schon am Flughafen Bamako liefen meine Versuche ins Leere. Was soll ich auch schreiben? Schreibe ich nicht immer dasselbe am Schluss meiner Reisen? Ein bisschen melancholisch, ein bisschen Hoffnung, ein bisschen Frust?

Vieles an unseren Reisen ist mittlerweile Routine, der Klima- und Kulturwechsel hin und her, die Sitzungen und Treffen, die Schulbesuche, die Gespräche. Und doch gibt es immer wieder Überraschungen, immer wieder auch mal etwas, was neu ist und eben nicht Routine. Und immer wieder ist es ein nach Hause kommen – hin wie her. Aber das in Worte zu fassen…

Ist Mali auf einem guten Weg oder eher auf einem schlechten? Wer mag das schon beurteilen? Unsere europäische Sichtweise ist sehr begrenzt und entspricht oft nicht dem, was viele Malier denken. Sie gehen ihren eigenen Weg und viele der alten Klischees – auch der politischen – greifen nicht mehr. Ob der in eine richtige Richtung führt, ist nicht von uns zu beurteilen.

Was soll ich also sagen, was schreiben? Wie heißt es so schön: „Wenn man keine Ahnung hat – einfach mal die Klappe halten!“

Na denn, dann will ich das mal berücksichtigen!

Basteltag

Eines der Dinge, die mir schwer fallen bei meinen Besuchen hier ist, dass ich kaum mehr Gelegenheit habe, Dinge selbst zu machen, kreativ zu werden, mal was auszuprobieren. Das war vorgestern anders. Schon lange ist es uns ein Anliegen Wege zu finden, wie Malier mit einfachen Mitteln ihrer Nahrung verbessern und zu einem besseren Einkommen kommen können. In Leipzig hatte ich Gelegenheit mit engagierten Leuten in Kontakt zu kommen, die sich gerade darüber Gedanken machen und Wege testen, die auch in Afrika durchführbar sind. Über Aquaponik (eine Kombination aus Fischzucht und Gemüseanbau), Hydroponik (effektiver Gemüseanbau ohne Bodennutzung) kamen wir schließlich zu einem Konzept, wie man Gemüse anbauen kann mit weniger Wasser und weniger Dünger: Wicking-bed – nennt sich diese Methode. Und nach einigen Gesprächen und Vorbereitungen machte ich mich mit Solo, Etienne und Pastor David daran, das einmal in Mali auszuprobieren. Erinnert Ihr Euch noch an David und seine Fischzucht? Die Setzlinge, die ich beim letzten Besuch im November gesehen habe, sind mittlerweile groß und werden bereits verkauft – beeindruckend! Und da David auch schon lange Salat anbaut, war schnell klar, dass man bei ihm das „Wicking-bed“ gut testen könnte:

Ein 10 Meter langer Graben wird ausgehoben, eine Folie eingezogen und mit einem Aufbau verschiedener lokal verfügbarer Materialien ein Beet geschaffen, in dem Wasser und Nährstoffe zirkulieren, statt verloren zu gehen.

Die erste Hürde war der Einkauf der Materialien. Solo, ein „alter“ Freund, verbrachte einen halben Tag damit, die verschiedenen Fässer und Rohre zu suchen und zu kaufen – das hatte ich mir einfacher vorgestellt und wir mussten viel improvisieren, damit wir das einigermaßen hin bekamen. Dann wurde gebastelt: Rohre kombiniert, ein Fass präpariert – alles mit ganz einfachem Werkzeug.  

Das Ausheben des Grabens gestaltete sich ebenfalls schwieriger als gedacht, da der Boden nach 20 cm felsig wurde. Letztlich mussten ein paar Arbeiter angestellt werden, die in der heißen Sonne weiter gegraben haben – ebenfalls alles Handarbeit.

Leider werden wir es nicht schaffen bis zum Ende meines Aufenthaltes das Wicking-bed fertig zu stellen. Aber da wir alles miteinander besprochen haben, wird es auch über die Entfernung gelingen. Wir sind sehr gespannt, wie effektiv die Technik wirklich ist und ob sich die Mühe gelohnt hat. Spaß gemacht hat es auf jeden Fall, einmal nicht nur mit anderen über die Arbeit zu sprechen, sondern selbst Hand anzulegen!