die tapferen Schneiderlein

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alles von Hand

Natürlich, man denkt das nicht, aber es gibt kein Thema in Mali, was mehr Emotionen weckt und kontroverser diskutiert wird. Es gibt nichts, was Frauen so wütend oder so glücklich machen kann. Und niemals wird dieses Thema erschöpft sein: Schneider! Der Schneider in Mali ist, egal ob für Malier oder Europäer zu manchen Zeiten der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. Besonders vor Weihnachten: Wir haben ja schon berichtet über den Weihnachtsstoff, aber das ist ja nicht alles, denn der Weihnachtsstoff muss ja erst zu einem Gewand verarbeitet werden. Jeder Schneider in Mali weiß, wann Weihnachten ist und jeder Schneider weiß auch, dass er die Flut der Aufträge eigentlich nicht bewältigen kann aber doch unbedingt muss – denn ein Weihnachtsgewand, das am 26.12. fertig wird, ist so nutzlos wie die Zeitung von vorgestern. Also gibt es zwei wesentliche Dinge für jeden anständigen Schneider: arbeiten bis zum Umfallen und gute Ausreden erfinden. In beidem sind sie Meister. Stromausfall ist zurzeit die liebste Ausrede. Auch wenn das Kraftwerk Tag und Nacht Strom liefert, auch wenn die Nähmaschine von Hand und Fuß betrieben wird und eine kleine Solaranlage für das Licht sorgt, so ist es doch natürlich der Stromausfall, der häufig dafür herhalten muss, dass leider, obwohl alles zeitlich einwandfrei geplant war, nun das Kleid doch nicht fertig geworden ist. Die Nadel kaputt, der Faden in dieser Farbe nicht erhältlich, ein Gichtanfall, die gerade verstorbene Tante im Dorf… ich weiß nicht, welche Argumente alle ins Feld geführt werden um die Kundschaft wegen des immer gleichen Problems zu besänftigen: die Sachen sind nie zur versprochenen Zeit fertig. Hier wurde schon ein ganzes Lied darüber geschrieben, mit welchen Ausreden Schneider ihr Klienten vertrösten.

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Gerlind und IHR Schneider

Aber nicht nur das. Erschwerend kommt hinzu, dass selbst bei zeitgerechter Fertigstellung das gewünschte Produkt nicht unbedingt dem entspricht, was man sich vorgestellt hat: manchmal gelingt es kaum ins Hemd zu kommen, obwohl man genau weiß, dass man seit dem Maßnehmen nicht zugenommen hat – dann ist vermutlich an Stoff gespart worden, damit dieser anderweitig verwendet und verkauft werden kann. Oder man versackt völlig in dem eigentlich figurbetonten Kleid – dann hatte wahrscheinlich der Schneider nicht mehr genug Zeit und hat einen seiner Lehrlinge ans Werk gelassen. Im ersten Fall hat man keine Chance mehr auf Besserung, im zweiten kann man noch hoffen, dass eine Korrektur möglich ist – es sei denn, die Zeit reicht eben nicht mehr aus. Daher hat jede Frau, ob schwarz oder weiß, die etwas auf sich hält, IHREN Schneider. Auf den schwört sie, dem vertraut sie, der kennt ihre Wünsche und versteht ihre manchmal so verworrenen Erklärungen. Und darüber, wer der beste aller Schneider ist, können Damen unendlich lange Diskussionen führen und sich bis aufs Blut zerstreiten.

Aber nicht nur die Damenwelt hat unter den Schneidern zu leiden. Gestern erzählte uns A., wie er einen teuren Stoff zu SEINEM Schneider brachte um daraus eine Jacke nähen zu lassen. Zu seinem Unglück allerdings kam kurz darauf jemand anders dorthin, der dringend nach Dubai reisen musste und vorher noch etwas zum Anziehen brauchte und da fiel ihm eben dieser Stoff ins Auge. So kam es, dass der Stoff – nun in verarbeiteter Form – außer Landes gebracht wurde und A. kurz darauf ratlos vor SEINEM Schneider stand. Zu dumm, der Stoff war ein besonderes Stück aus dem Togo und konnte nicht nachgekauft werden. Was tun? Nun, es wird verhandelt und schließlich bekam A. einen malischen Zweiteiler statt seiner Jacke und das aus einem ganz anderen Stoff. Man arrangiert sich eben – oder, besser ausgedrückt: das hier ist eben wirklich fair trade!

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alles pünktlich fertig und passend!!

Audienz beim Dorfchef

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Dorfchef Bassian

Erinnert Ihr Euch noch an die Geschichte des alten Dorfchefs aus Bassian? Heute hatte wir Gelegenheit dieses Dorf zu besuchen. Für die 80 km braucht man ca. 3 ½ Stunden, weil die Piste nach der Regenzeit in so schlechtem Zustand ist. Eine schöne baumreiche Gegend; zwischendurch rennen ein paar Affen über die Straße, ein paar Motorräder hier und da und ab und zu ein Dorf. Im Ort angekommen zeigen uns die mit uns gefahrenen Kirchenmitarbeiter zunächst das Grundstück, dass das Dorf der Kirche zugesprochen hat, dann besuchen wir den Dorfchef. Es dauert ein paar Minuten bis der alte blinde Mann aus seiner Hütte kommt und uns begrüßt. Die Delegation wird ihm vorgestellt und der Zweck unseres Kommens erläutert: Weil wir seit einiger Zeit als Kirche in seinem Dorf arbeiten, möchten die verschiedenen Verantwortlichen ihn, das Dorf und die Arbeit kennen lernen. Das scheint dann doch eine zu wichtige Angelegenheit, als dass der Chef allein das Empfangskomitee darstellen kann. Also geht der alte Mann in seine Hütte und kommt mit einer großen Trommel wieder hera

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Dorfälteste

us. Nur ein paar wenige Schläge darauf reichen aus, um das Dorf darüber zu informieren, dass der Chef seine Berater braucht. Man erklärt uns, dass es unterschiedliche Trommelzeichen gibt – je nachdem ob die Nachricht gut oder schlecht ist. Als Minuten später noch immer keiner aufgetaucht ist, zweifle ich an der Effektivität dieser Methode. Aber dann, so nach und nach, nähern sich 5 ältere Herren und begrüßen uns herzlich. Erneut erklären wir den Grund unseres Besuches – zunächst dem jüngsten der Berater. Dieser fasst dann mit wenigen Sätzen unser Reden zusammen und gibt das Wort an den nächst älteren weiter und so geht es Stück für Stück die Hierarchieleiter weiter hinauf bis zum Chef. Der begrüßt uns erneut, bedankt sich für unser Kommen und sagt noch ein paar verbindende Worte – aber mehr zu den anderen als zu uns. Und dann geht es die ganze Tippel-Tappel-Tour wieder runter bis der jüngste dann das Wort erneut an uns richtet und die Worte des Chefs wiedergibt. Und wir sitzen fasziniert dabei und beobachten, wie Partizipation auch aussehen kann: jeder kommt zu Wort, keiner wird übergangen und auch wenn es hier fast nur um den Austausch von Förmlichkeiten geht, haben alle aktiv am Gespräch teilgenommen. Als danach dann der Austausch etwas weniger strukturiert ist, hören wir immer wieder das, was uns schon vor dem Besuch erzählt wurde: die alten Herren erinnern sich daran, wie Christen zu ihnen gekommen sind und ihnen, als sie noch Kinder waren, von Jesus erzählt haben. Einer kann sogar noch den Anfang von Johannes 3,16 auswendig!! Und sie versichern uns, dass wir willkommen sind – wenn jemand sich zu Jesus bekehren möchte, sagen sie, dann ist das für sie kein Problem und sie legen da niemandem einen Stein in den Weg. Das ist eine gewaltige Aussage für ein stark islamisch

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Kreißsaal

geprägtes Dorf.

Natürlich wünschen sie sich auch, dass wir ihnen behilflich sind bei manchen Dingen, die im Dorf Not machen. Wer will ihnen verübeln, dass sie das auch ansprechen, wenn so eine „hochrangige“ Delegation zu ihnen kommt? Und so zeigen sie uns ihre baufällige Entbindungsstation. Ein Blick in den Kreißsaal macht nicht gerade Lust darauf Kinder zu kriegen…

Bassian, wir sind erneut fasziniert, wie Gott arbeitet und wünschen und beten, dass er „Arbeiter in Seinen Weinberg“ sendet!

und noch mal „I ni sini“

schueler-2Heute morgen Besuch in der Schule in Sabalibougou, einer christlichen Privatschule am Rande von Bamako. Als erste „Amtshandlung“ vom I-ni-sini-Projekt haben wir für das neue Schuljahr Bänke und Tische finanzieren können und die wurden uns heute von Enoc gezeigt und wir hatten mal wieder Gelegenheit das bunte Treiben der Kids hier zu sehen (und zu fotografieren). Danach hatten wir eine gute Zeit mit Regina und John Apel, den im Moment einzigen Missionaren der AM in Mali, während ihre Kinder in der Schule waren.

baenkeUnd dann hieß es wieder mal auf den Kunstgewerbemarkt gehen und erneut Sachen einkaufen für das Projekt: lauter Schlüsselanhänger, Ketten, Ohrringe…

Am Abend kam Enoc bei uns vorbei und wir besprachen die Umsetzung des Schulprojektes, schauten uns die Bewerbungsbögen für einen Projektkoordinator und die Baupläne an. Wir freuen uns, wie konstruktiv die Leute hier an die Sache herangehen. Da macht es auch uns mehr Freude in Deutschland dafür zu werben!

bunter Sonntag

gerlind-mit-kidsWeil es gestern in Missabougou so schön war, durften wir heute zum Gottesdienst gleich noch einmal dahin. Pastor Abdias hatte uns eingeladen und Karsten gebeten dort zu predigen. Wir hatten eigentlich eine müde Meute erwartet, denn nach dem großen Fest gestern mit allen Vor- und Nachbereitungen wäre das nur zu verständlich gewesen. Aber nichts da: Mit welcher Energie da heute Gottesdienst gefeiert, wie fröhlich da gesungen und getanzt wurde, das war schon eine Freude! Wir bekamen noch ein Mittagsmahl aber der Pastor hatte gleich im Anschluss an den Gottesdienst noch eine Gemeindeleitungssitzung. … es soll ja nicht langweilig werden…

Nach einer kurzen Mittagspause ist Karsten dann zu einem Vortrag gegangen, den ein Pastor aus kueheTimbuktu gehalten hat über das islamisch/koranische Verständnis der Bibel. Auf dem Weg dorthin kommt uns – das ist keine Seltenheit – mitten in der Großstadt eine Kuhherde entgegen und schlängelt sich zwischen Autos und LKWs durch. „Nur schade um die Kühe“, sagt ein Freund, „die sind alle auf dem Weg zum Schlachthof!“ In Bamako isst man gern Fleisch…

Der Vortrag ist dann sehr interessant: der Referent hat intensiv über den Koran gearbeitet und weiß, was er sagt. Nach 3 Stunden stellt er dann die Frage, ob er noch die restlichen Themen durchgehen oder lieber auf Fragen antworten soll. Nach kurzer Diskussion einigt man sich darauf, dass erst Fragen gestellt werden und dann der Vortrag zu Ende gebracht wird. Da mache ich mich aus dem Staub – so viel Energie wie die Malier habe ich dann doch nicht. Und ich frage mich, ob das in vielen Gemeinden in Deutschland möglich wäre, zu so einem Thema so viele Christen so lange zusammen zu bringen. Nötig hätten wir das allemal!

Einweihungsparty

Heute wurde die zweitgrößte Kirche unserer malischen Partner in Bamako im Stadtviertel Missabougou einweihung1eingeweiht. Funktionell ist sie schon lange, aber oft dauert es noch Jahre bis die Einweihungsparty stattfindet, weil alles 100% sein soll, bevor das öffentlich gemacht wird. Und heute war es soweit: ein riesiges Fest – seit Wochen, wenn nicht Monaten geplant. Bis zu 600 km sind Gäste für dieses Ereignis angereist . Und, wie sollte es in Mali anders sein, zur Feier des Tages wurde natürlich ein extra Stoff gedruckt und ein Großteil der Gäste hat sich daraus Kleidung nähen lassen. Alle sind herausgeputzt, dass man nur mit den Ohren schlackern kann. Aber das ist kein Wunder, denn – und auch da staunen wir nicht schlecht – neben Repräsentanten der anderen malischen Kirchen, dem Bürgermeister, dem traditionellen Dorfchef und dem Imam hat sich selbst der Minister für religiöse Angelegenheiten angekündigt. Auch ihm ließ man den Stoff zukommen und auch er kommt im frisch geschneiderten traditionellen Anzug (wir übrigens auch!). Das ist schon beeindruckend, ein Kirchengebäude für ca. 400 Personen wird eingeweiht und der Minister kommt – und das in einem Land, in dem 90% der Menschen Muslime sind!

damenBeeindruckt sind wir auch über die Organisation: am Abend zuvor ist der ganze Hof voll mit Gemeindemitgliedern, die helfen alles vorzubereiten: das Essen kochen, eine Überdachung vorbereiten für die vielen Gäste, das Gemeindehaus putzen und schmücken. In einer Ecke ist die Beautyabteilung: dort machen sich die Frauen schön für den morgigen Tag. Alles wuselt, alles ist auf den Beinen und trotzdem strahlt der Pastor dieser Gemeinde eine große Ruhe aus und nimmt sich Zeit mit uns zu plaudern, während er hier und da ein paar Anweisungen gibt – scheinbar kann er sich auf seine Gemeinde verlassen.

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Herr Minister für religiöse Angelegenheiten (in Bildmitte mit Brille)

Drei Stunden dauern dann die offiziellen Feierlichkeiten. Eine Rede folgt der anderen, auch wir sind eingeladen ein paar Worte zu sagen und zwischendurch singen immer wieder diverse Chöre Loblieder. Als dann der Minister das Wort ergreift, sind wir recht angetan: auch wenn er selbst Muslim ist, spricht er sehr positiv über die Christen, erwähnt einige Passagen aus der Bibel und blubbert nicht nur irgendwelche warmen Worte vor sich hin. Wir hören, dass er schon einmal in dieser Gemeinde – damals war das Gemeindehaus erst halb fertig – einen ganzen Gottesdienst mit gefeiert hat. So kennen wir Mali eigentlich: in großer Toleranz und gegenseitiger Wertschätzung bei allen Unterschieden. Wie traurig, dass das durch manche Einflüsse in den letzten Jahren an vielen Stellen so anders geworden ist.

Interessant auch die Mischung zwischen Förmlichkeit und lockerem Miteinander: So fangen alle Reden erst salbungsvoll damit an, dass ein Würdenträger nach dem anderen mit seinem Titel begrüßt wird: „Seine Exzellenz, Herr Minister für religiöse Angelegenheiten, Herr Präsident der Allianz der evangelischen Kirchen in Mali, Herr Bürgermeister des Stadtviertels Missabougou etc.“ – da ist schon fast die halbe Rede um, wenn man damit fertig ist. Auch bei der Ankunft der Ministers stellen sich alle Verantwortungsträger in Reihe und Glied auf und schütteln ihm noch vor dem Betreten der Kirche die Hand. … und gleichzeitig wird dann in aller Öffentlichkeit rumgewitzelt und der andere auf’s Korn genommen, weil das Gegenüber zu einer Familie gehört, zu der man eine besondere Beziehung hat. Das wechselt manchmal so unerwartet, dass man kaum noch mitkommt.

Zum Abschluss gibt es dann noch für alle Anwesenden zu Essen und auch hier ist die Organisation top! Fast alles lief nach Plan und es war ein gutes Zeugnis für die Christen nicht nur in Missabougou, sondern vermutlich auch für ganz Mali, denn es ist anzunehmen, dass in den Abendnachrichten eine Meldung darüber im Fernsehen gebracht wird.

Flüchtlinge

Das war ein interessanter Nachmittag: mit einigen Mitarbeitern haben wir den Film „Die Piroge“ angeschaut. Ein senegalesischer Regisseur erzählt die Geschichte von einigen Leuten, die von Dakar aus mit eine Piroge nach Spanien fahren wollen um dort ihr Glück zu versuchen. Nachdem die Motoren ausgefallen und viele von ihnen über das Meer treibend gestorben sind, werden die Überlebenden vom spanischen Roten Kreuz gerettet und in den Senegal zurück geflogen (übrigens ein wirklich lohnender Film!).

die-pirogeIm Anschluss daran haben wir miteinander diskutiert und manche Gedanken hänge ich nun unkommentiert an – es ist immer wieder erstaunlich, wenn man die Gelegenheit zu einem Wechsel der Blickrichtung hat…

  • Es war nicht gut, dass die Überlebenden direkt zurück geschickt worden sind. Sie hätten besser erst einmal 2-3 Monate in Europa leben sollen, damit sie eine Ahnung davon bekommen, wie das wirklich ist. Jetzt haben sie ihr Ziel nicht erreicht und werden es wahrscheinlich trotz allem noch einmal versuchen.
  • Eigentlich hätte das „Rote Kreuz“ sie nicht retten dürfen. Die Leute verlassen sich darauf und das führt dazu, dass sie es trotz der Gefahren immer wieder versuchen.
  • Das habt Ihr in Europa doch angefangen. Ihr habt doch selbst unsere Leute geholt und ihnen Arbeit gegeben, weil sie billige Arbeitskräfte waren. Die haben Geld gemacht, daher kommen nun so viele andere hinterher – und jetzt schreit ihr, weil das zu viele werden.
  • Das Arbeiten in anderen Ländern um Geld zu verdienen gehört zu unserer Kultur. Malier sind über die ganze Welt verteilt, das sehen wir nicht als Problem. Daher ist das, was Euch so viel zu schaffen macht für uns nicht neu. Wenn die Leute unterwegs sterben, dann sagen viele: „das hat Gott so gewollt.“
  • Die Sarakolé (eine Bevölkerungsgruppe in Mali) sind das so gewohnt, die gehen in der Regel nur kurz in die Schule und dann machen sie sich davon um in der Ferne Geld zu verdienen. Bei manchen ist das so Mode geworden, dass man dich „faul“ nennt, wenn du in deinem eigenen Dorf bleibst.
  • Es geht nur ums Geld verdienen. Das Soziale wird dabei vernachlässigt. Aber wenn du im Ausland warst und selbst wenn du 30 Jahre später wieder zurück kommst und es dort zu etwas gebracht hast, dann hast Du sofort wieder Deinen Platz in der Gesellschaft. Daher ist die Einsamkeit in der Fremde nur eine Durchgangsstation, die man in Kauf nimmt.

Soweit ein paar Kommentare – natürlich nicht repräsentativ und auch nicht von allen in unserer Runde gleich gesehen. Trotzdem wurde uns bewusst, dass wir an vielen Stellen eine völlig andere Wahrnehmung des Problems haben.

I ni sini

„Du und die Zukunft“ – so heißt das Schulprojekt, das die Allianz-Mission zusammen mit der Kinderarbeit des Bundes Freier evangelischer Gemeinden in den nächsten 2 Jahren in Mali unterstützen will (www.i-ni-sini.de). Zwei christliche Schulen wollen wir bauen lassen in Bamako und San, damit Kinder eine gute Schulausbildung bekommen und auch, damit sie schon dort etwas von Jesus kennen schulhoflernen. Da gibt es hier viel zu tun für uns: Fotos machen, Gespräche über das Konzept mit den malischen Kollegen führen, einen malischen Projektkoordinator suchen und immer wieder Dinge einkaufen, damit in Deutschland unter den Kindern das Projekt anfassbar und vorstellbar wird. Uns allen war wichtig, dass wir nicht irgendwelche fernöstlichen Plastikprodukte, die oft unter sehr schlechten Arbeitsbedingungen produziert werden, einkaufen um für ein Projekt für Kinder in Mali Werbung zu machen. Und so versuchen wir so viel wie möglich in Mali herstellen zu lassen und mit nach Deutschland zu bringen. So haben wir einen doppelten Effekt: einmal haben die malischen „Handwerker“ einen zusätzlichen Verdienst und dann kommt das Geld ein zweites Mal für die Schulbildung.

Heute treffen wir ubenjaminns mit Benjamin: 500 Mäppchen soll er herstellen, die als Weihnachtsgeschenke z.B. im Kindergottesdienst in Deutschland gebraucht werden. Manchmal näht er Tag und Nacht, denn wenn Stromausfall ist (und das ist häufig), arbeitet seine Nähmaschine nicht und er muss die verbleibenden Zeiten nutzen. Heute bringt er schon mal 288 Stück in 2 großen Taschen auf seinem kleinen Motorrad: trotz der großen Menge ist jedes Stück ein handgefertigtes Unikat. … uns stellt sich die große Frage: wie kriegen wir das alles in unser Fluggepäck???

von Haus zu Haus

Morgens um 6 starten wir in den Norden. Der Verkehr in Bamako ist um diese Zeit noch ruhig und das segou1übliche Durchschlängeln zwischen Motorrädern, motorisierten Dreirädern, Lastwagen, Fahrrädern, Autos und lebensmüden Fußgängern noch nicht so abenteuerlich. Wir überqueren die neue Brücke über den Niger, lassen die Dunstglocke der Großstadt hinter uns und fahren in den Nordosten. Ein riesengroßer rötlicher Sonnenball geht vor uns auf und schnell sind nur noch vereinzelte Dörfer hier und da am Straßenrand zu sehen – ansonsten nur Bäume, Getreidefelder, noch von der Regenzeit überschwemmte Landstriche. Das übliche Frühstsegou3ück an der Straße in Fana: ein doppeltes Omelett, ein  Nescafé und es geht weiter. Nach 3 Stunden dann der erste Stopp bei Pastor Jean in Ségou. Was bisher nur ein nach allen Seiten offenes Wellblechgerüst war, ist jetzt ein Kirchgebäude und auch sein Wohnhaus ist fertig geworden. Endlich nicht mehr die beengten Verhältnisse in einem Mietshaus, was gleichzeitig als Gemeindesaal diente. Jean zeigt uns stolz die neuen Gebäude.

Dann geht es weiter nach San. Dies Straßenverhältnisse werden deutlich schlechter und wir müssen so manches Loch umkurven. Bei Pastor Ezechiel haben wir uns angemeldet. Früher tauchten wir einfach spontan auf, aber heute gibt es Handy, da kann man sich vorher erkundigen, ob der Besuchte auch da ist. „Bitte bereite nichts vor, wir haben schon gegessen, wenn wir zu dir kommen“, sagen wir ihm. Als wir ankommen hat seine Frau natürlich doch für uns gekocht und so halten wir uns deutlich länger auf als gedacht. Auch Ezechiel ist umgezogen aus einem Mietshaus in das neue Pastorenhaus. Gerade in Mali ist sanes wichtig, dass die Pastoren und Gemeinden eigene Räumlichkeiten haben, damit sie nicht von der Laune und Toleranz des jeweiligen Vermieters abhängig sind. Wir trinken noch einen Tasse Kaffee zusammen, da kommen zwei Nachbarn um uns zu begrüßen. Sie hörten, dass Ezechiel Besuch bekommt und da machen sie sich auf den Weg, um uns zu zeigen, dass auch sie sich über unseren Besuch freuen. Es ist schön, dass Ezechiel und seine Familie schon so schnell Kontakte geknüpft haben in der neuen Umgebung. Nach San ist die Straße nun kaum noch als solche zu bezeichnen. Der Asphalt ist ein einziger Flickenteppich – nur leider oft ohne Flicken auf den Löchern. Umfahren geht dabei häufig nicht mehr und die Kunst besteht darin einerseits das Fahrwerk nicht zu ruinieren und andererseits den Bussen und LKWs auszuweichen, die nicht immer rücksichtsvoll die größten Löcher umfahren.

Nächster Stopp dann in Téné bei Pastor Benjamin. Es ist Erntezeit und eigentlich wäre er jetzt auf dem Feld, denn sein Gehalt reicht nicht aus um nur als Pastor zu arbeiten. Für uns ist er aber schon früher nach Hause gekommen und wir haben eine Stunde Zeit um Neuigkeiten und Gedanken auszutauschen. Dann geht die holprige Fahrt weiter. Immer wieder vergesse ich, dass die Sonne hier im Norden Malis schon eine halbe Stunde eher untergeht als in der Hauptstadt und so ist es fast finster, als wir um 18:30 endlich „zu Hause“ ankommen. Wir packen eben unsere Sachen aus, da kommt auch schon Coulou, ein langjähriger Freund und Mitarbeiter zu uns um uns zu begrüßen und wir sitzen noch länger zusammen und er erzählt von der Überschwemmung im Dorf seiner Eltern, die die Häuser eines ganzes Stadtviertels zum Einsturz gebracht hat…

An diesem Abend gehen wir früh auf unserem Dach unterm Sternenhimmel und Moskitonetz schlafen. Der ganze Tag war gefüllt von Autofahren und Reden miteinander. Danke Jesus für die Bewahrung und danke für diese kurzen aber wertvollen Zeiten mit unseren malischen Geschwistern!

späte Frucht

Bassian, ein Dorf ca. 2 Stunden mit dem Auto von Bamako entfernt. Auf der Suche nach bisher unerreichten Dörfern in der Umgebung der Kirchen hier, besucht eine Gruppe von Christen diesen Ort und sieht zunächst eine sehr große Moschee. So scheint sofort deutlich zu werden, wer hier Einfluss moscheenimmt. Trotzdem gehen sie ins Dorf und fragen, ob es ihnen erlaubt sei, christliche Schriften zu verteilen. Der Dorfchef empfängt sie und erkundigt sich nach dem, was sie da mitbringen. Die Schriften sind auf Französisch und so wird ihm übersetzt, um was es geht. Bei dem Namen „Jesus“ wird der alte Mann hellhörig. „Jesus? Ist das der Jesus, von dem damals die Weißen meinem Vater erzählt haben?“ Man kommt ins Gespräch und es stellt sich heraus, dass zur Kolonialzeit Christen in seinem Dorf waren – damals war er noch ein Kind. Sie erzählten davon, dass Jesus für die Sünden der Menschen gestorben ist. Der Vater des Dorfchefs wehrte ab: „Vielleicht ist er ja für andere Menschen gestorben, aber auf jeden Fall nicht für unser Dorf!“, war seine Antwort. Und doch, dies hatte sich in den Kopf und ins Herz des jetzigen Dorfchefs eingegraben und er empfängt die Christen freundlich, lässt sie im Dorf von Jesus erzählen und gibt ihnen sogar ein großes Grundstück zur freien Verfügung, damit sie wieder kommen und sich in seinem Dorf ansiedeln.

Nur wenige Zeit später ist dieser alte Mann gestorben. Es hat lange gedauert, bis das, was Gott in sein Herz gesät hat, zum Wohle seines Dorfes aufgehen konnte. Kaum zu glauben, dass Jesus schon vor vielleicht 70-80 Jahren an dieses Dorf gedacht und vorbereitet hat, dass heute die malischen Christen dort eine offene Tür antreffen.

Klimawandel

Da treffen wir uns heute morgen mit Enoc um das Programm zu besprechen und ein paar wichtige Themen schon mal anzutippen. Als wir uns im März mit ihm trafen, waren wir sehr verunsichert, weil einige Unstimmigkeiten in Bezug auf die Zusammenarbeit zwischen der Allianz-Mission und der malischen Partnerkirche aufgekommen waren und wir uns fragten, ob ein gemeinsames Arbeiten noch wirklich gewünscht wurde. Damals haben wir über einiges sprechen können und dann letztlich das Thema noch einmal vertagt. Heute empfinden wir die Begegnung ganz anders. Sehr engagiert spricht Enoc über das, was in Mali noch alles zu tun ist und wie nötig es ist, dass wir uns ergänzen, zusammen arbeiten, uns nicht auseinander bringen lassen. Es geht dabei nicht um Geld, sondern gerade um inhaltliche Ergänzung, dass jeder mit seinen Gaben das einbringt, was ihm Gott gegeben hat. Das macht uns viel Mut. Vielleicht war es gut, dass wir uns beim letzten Besuch auch mal stärker aneinander gerieben haben als das normalerweise der Fall ist. Und wir sind gespannt, wie die nächsten Wochen diesbezüglich noch verlaufen werden.

gekkoAm Nachmittag gehen wir dann einer unserer „Lieblingsbeschäftigungen“ nach: auf dem Markt Kunstgewerbeartikel kaufen. Für das Schulprojekt „Kinder helfen Kindern“ (www.i-ni-sini.de) brauchen wir diesmal besonders viel und die Händler freuen sich…

Als es dann um 18:30 dunkel geworden ist, kommt uns noch ein „alter“ Freund und Mitarbeiter, Olivier, besuchen. Wir tauschen Neuigkeiten aus und, wie sollte es anders sein, zeigen wir Bilder von unseren (Enkel-) Kindern, ehemaligen Missionaren und stellen fest, dass wir alle älter (und mancher auch dicker) geworden sind – wen wundert’s??