Jetzt kann es losgehen

Montag – Oliver haben wir gestern Abend dann doch noch am Flughafen abholen können – alles Gepäck dabei. Und so haben wir dann heute unser Programm noch normal durchführen können: Nach Frühstück, Andacht und gemeinsamem Gebet ging es an die FATMES (die theologische Ausbildungsstätte) um sich mit dem Dekan zu treffen. Danach kam Paul uns besuchen. Er ist schon lange im Fußballgeschäft – als Fanclubbegleiter, als „Funktionär“ und und und. Er kennt Hinz und Kunz und hat ein Anliegen seinen Glauben durch den Fußball bekannt zu machen. Vor seinem geistigen Auge entstehen da schon so manche Dinge, was man alles machen könnte und ich trete erst mal auf die Bremse – wir sind erst mal hier um zu gucken und zu hören… Am Nachmittag dann Training mit ein paar Torschussjungen Männern im „Ohne-Kabel“-Viertel (das heißt so, weil dorthin lange noch kein Strom gelegt wurde). Die Jungs haben Spaß am Fußball und machen gut mit. Ein Trainer aus Deutschland, das motiviert! …ein weites Feld um hier auch den Glauben zu teilen.

Und dann habe ich noch ein Gespräch mit Enoc, unserem Präses und er spricht erfreulich offen manche Missverständnisse an, die in den letzten Monaten aufgetaucht sind. Es ist erfrischend, wie klar er Dinge benennt, wo er Klärungsbedarf sieht. Und er betont immer wieder, dass wir zur selben Familie gehören. Evangelisation mit Sport zu verbinden ist für viele hier neu und da gibt es wie überall die, die gerne Neues wagen und andere, die eher auf die Bremse treten und sich überfahren fühlen. Gerade das wird die Herausforderung in der nächsten Zeit sein: Wie können wir auch die Christen mit ins Boot nehmen, die eher skeptisch sind ohne dass die Arbeit davon ausgebremst wird und die, die gerne nach vorne gehen möchten, nicht den Mut und die Geduld verlieren? Kein unbekanntes Problem in Deutschland… Und ich bitte Gott immer wieder um Weisheit in diesem Spagat den richtigen Weg zu finden.

Flucht nach Europa – eine malische Perspektive

Nach einem warmen, munteren, langen Gottesdienst sitze ich mit ein paar Christen zusammen und wir unterhalten uns über mache aktuelle Entwicklung in Mali. Dabei erzähle ich, wie uns in Europa die Flüchtlingsströme aus Afrika beschäftigen und frage nach ihren Gedanken:

Das sind vor allem junge Leute, die keine Ahnung haben, auf was sie sich einlassen. Mittlerweile gibt es einige Organisationen, die darüber aufklären, auch ein Film ist schon dazu gedreht worden, aber die jungen Leute nehmen das nicht wahr. Und dann kommt mal einer aus Frankreich oder Spanien wieder, hat einiges an Geld dort verdient und baut sich nun ein schickes Haus – dann wollen alle jungen Leute aus seinem Dorf los und auch ihr Glück versuchen. Die, die ertrunken sind, erzählen ja ihre Geschichte nicht mehr. Und es gibt so viele Leute, die sind zwar nach Europa gekommen, aber leben unter schlimmen Umständen, schlafen wie die Sardinen in einer Büchse in irgendeiner Massenunterkunft. Die würden gerne wieder zurück nach Mali, aber dafür haben sie kein Geld und selbst wenn sie welches hätten, dann schämen sie sich so sehr, dass sie sich nicht mehr nach Hause trauen. … die sieht hier natürlich keiner. Und die, die mit Geld zurück kommen, die haben in Europa hart dafür gearbeitet. Das finden die ja nicht einfach so. Also, wenn die hier in Mali genauso fleißig arbeiten würden, dann könnten sie hier auch eben soviel Geld verdienen.“

Bei uns in Europa denken viele, wer um ein solches Risiko weiß und es trotzdem auf sich nimmt, dem muss es wirklich sehr schlecht gehen, sonst würde er ein solches Wagnis nicht eingehen – was denkt ihr dazu?

Das ist einfach nur Unwissenheit. Viele junge Malier denken, sie würden in Europa alles geschenkt kriegen und weil sie keine Lust haben zu arbeiten, wollen sie nach Europa. Sie sehen da alles mögliche im Fernsehen und denken, das würde man alles umsonst bekommen. Aber hier in Mali gibt es doch alles: wir haben Wasser, wir haben Land, du kannst alles kaufen. Die Chinesen kommen hierhin um bei uns Reis anzubauen. Wenn die Menschen in Europa wüssten, was wir hier alles haben könnten, dann würden sie doch fragen: „Aber warum kommt ihr denn dann noch nach Europa?“

Und dazu kommt noch, dass es hier viele Marabouts gibt, die dir gegen Geld alles mögliche erzählen: du musst dieses oder jenes Opfer bringen und dann kann dir nichts passieren, dann bist du auf der Überfahrt geschützt. Die Leute glauben so was und denken dann, ihnen würde nichts zustoßen.“

Sicherlich ist das nicht die ganze Wahrheit und es gibt unterschiedliche Sichten und Realitäten. Und doch habe ich mich manchmal bei den Presseberichten der letzten Monate gefragt, ob wir wirklich meinen, die Dinge im Kern begreifen zu können, um dann unsere Lösungen anzubieten.

P.S.: O. ist heute abend angekommen! Inklusive Koffer! Hallelujah!

Dumm gelaufen…

hier sitze ich im Flieger nach Bamako und der Platz 21 B neben mir ist frei. Obwohl ganze 2 Stunden Transitzeit waren, kam O’s Flieger aus Frankfurt so viel verspätet in Istanbul an (ob da auch die GDL mitgemischt hat??), dass er den Anschluss nicht mehr bekommen hat. Und wir konnten nicht mal miteinander reden, denn als er das Handy anmachen konnte, durfte ich meines im Flieger nicht mehr benutzen. Das ist  ausgesprochen blöde, denn da wir eh nur 7 Tage haben, spielt jeder Tag natürlich eine große Rolle. Nun, die Tatsache, dass ich Euch diese Mail schicke, zeigt, dass ich zumindest in Bamako angekommen bin. Nun hoffen und beten wir, dass O. morgen einen Flieger bekommt – der freundliche Stewart hier meinte, das müsse wohl gehen. Und ich frage Jesus, was wohl Seine Gedanken dabei sind…

Start nach Mali

Flughafen Leipzig, kurz vor 11. Hier ist es echt gemütlich und entspannt – nicht die für einen Großstadtflughafen normale Hektik. „Logischerweise“ fliegen wir erst mal nach Istanbul um dann nach Bamako zu kommen. Die Dame am Schalter schaut mich fragend an: „Sie fliegen nach Bamocko?“, na ja, so ähnlich… In Istanbul treffe ich dann (hoffentlich) auf O. und wir haben so auf dem Flug einige Zeit uns schon ein bisschen mehr kennen zu lernen. Was erwartet uns? Eigentlich könnte man meinen, das sei eine Fitnesswoche für mich, denn auf dem Programm steht jeden Tag Fußball: Training mit der Gemeindejugend, Training mit einer Stadtteilmannschaft, Training mit Kindern und am Freitag dann ein Spiel. Angesichts meines fortgeschrittenen Alters und den vermutlich fast 40 °C werde ich mich allerdings nicht zu sehr ins Geschehen einmischen… Und zwischendurch dann verschiedene Treffen: mit dem Kirchenpräses und den Sportverantwortlichen der Jugend (wie integriert man sportmissionarische Arbeit in die Gemeindearbeit?), mit dem Leiter der theologischen Ausbildungsstätte (kann man langfristig auch einen Kurs „Sportmission in Mali“ anbieten), mit Leuten vom führenden malischen Fußballverein (ist eine Zusammenarbeit mit dem Profifußball in Mali auf lange Sicht sinnvoll und möglich?). Ehepaar Meier hat seit Wochen die Treffen geplant, da Sportmission einer ihrer Schwerpunkte ist. Das ist alles zunächst ein erstes „Beschnuppern“ – aber ich freue mich auf die diesmal ganz anderen Begegnungen und Themen und darauf, dass wir gemeinsam nach vorne schauend daran arbeiten, wie Missionsarbeit in Mali neue Wege gehen kann. Und vielleicht lerne ich dabei auch einiges für Deutschland…

Ich freue mich über jedes Gebet, jeden Gruß, jeden Gedanken von Euch.

Karsten

 

Stipvisite in Mali

Das war eigentlich gar nicht geplant, aber am nächsten Samstag reise ich, Karsten, erneut für eine Woche nach Mali. Nein, das liegt nicht daran, dass es hier noch nicht so richtig Sommer werden will und ich Wärme tanken möchte. Vielmehr begleite ich O. auf einer „Erkundungsreise“. Er ist Fußballtrainer und würde gerne mit seiner 7-köpfigen Familie in Mali als Sportmissionar arbeiten. Sportmission in Mali – macht das Sinn? Auch ohne gewonnene Weltmeisterschaft sind sehr viele Malier sport- und auch gerade fußballbegeistert. Und so viele Werte im Sport haben eine enge Verbindung zu dem, was die Bibel lehrt. So kann man einerseits gut Kontakte knüpfen und Freunde gewinnen aber auch Weitergeben, was uns Jesus lehrt.

Nun wollen wir bei dem Besuch miteinander schauen, ob ein solcher Einsatz denkbar und von den malischen Partnern gewünscht und das Leben für O’s Familie in Bamako realisierbar ist. … das lässt sich nicht von Deutschland aus planen und so freue ich mich, dass ich in einer Woche wieder malische Luft atmen kann – wenn auch diesmal leider ohne Gerlind…

die Welt schöner machen?

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Dienstag früh – ich mache mich fertig für den ersten Tag in der Praxis – vor 24 Stunden landete unser Flugzeug in Paris – ich schaue aus dem Fenster – das orange Licht der Straßenlaterne wird reflektiert von zahlreichen Schneeflocken – na klasse! – gestern Nachmittag kamen wir in Leipzig an und wurden von unseren Kindern abgeholt – ich kenne mittlerweile das Gefühl – einerseits freue ich mich total die Kinder und Enkel wiederzusehen – andererseits würde ich mich am liebsten in irgendeine dunkle Ecke setzen und erst mal nichts sehen, nichts hören und nichts denken – aber das Gefühl schon zu kennen ist hilfreich – ich lese die ersten Nachrichten: Griechenland hat Vorschläge für Reformen vorgelegt, die reichen der EU nicht; jetzt wird die Zeit knapp… – nanu, war ich überhaupt weg? Ist die Zeit hier stehen geblieben? Waren das nicht genau dieselben Zeilen vor 2,5 Wochen? – und das erinnert mich daran, dass das Leben über die eigenen finanziellen Verhältnisse und mit dem Geld von anderen kein afrikanisches Problem ist sondern ein universelles – wichtig, das nicht zu vergessen – mein Blick fällt auf das Frühstücksbrettchen vor mir, dass mir ein Freund geschenkt hat: „Opas machen die Welt schöner“, steht darauf – das macht mich nachdenklich – für die Enkel mag das (noch) gelten – aber machen Gerlind und Karsten die Welt auch schöner für die malischen Geschwister – oder eher komplizierter? – die Tatsache dass wir uns einsetzen ist keine Garantie dafür, dass das auch hilfreich ist – und wir dürfen nicht aufhören uns da kritisch zu hinterfragen – es ist Gnade, wenn wir als Gerlind und Karsten, als Allianz-Mission, als Menschen des Westens in Bezug auf unsere Schwestern und Brüder in Mali …

… trotz kultureller Unterschiede zueinander finden.

… trotz unterschiedlicher Denkweise einander Ergänzung sind.

… durch den Einsatz unseres Geldes nicht Abhängigkeit sondern Eigenständigkeit fördern.

… uns in Jesus auf Augenhöhe begegnen.

Darum ist es unser Gebet, dass wir gemeinsam die Welt schöner machen können – in Mali, in Deutschland.

kurz vor dem Rückflug

Und wieder geht ein Besuch in Mali zu Ende und wir treten heute Abend den Rückflug an. Gestern sind wir in aller Ruhe zurück gefahren, haben hier und da nochmal Halt gemacht und uns angeschaut, was sich in den letzten Jahren verändert hat. Da ist zum Beispiel der Ort Hamdallay, wo das Reich der Peulh unter einem islamischen Führer im 19ten Jahrhundert seine Hauptstadt hatte, die aber nach wenigen Jahren durch Krieg und einen Brand praktisch dem Erdboden gleich gemacht wurde. Nur ein paar alte Mauern sind noch geblieben. Aber immer noch ist es einen HamallajPilgerstätte. Irgendwann einmal kam das Gerücht auf, dass jemand, der aus der Quelle dort getrunken hat, davon gesund geworden sei. Noch lange danach kamen Leute mit ihren Wasserkanistern um ihren Kranken von dem Quellwasser zu bringen. Auch ließ Gaddafi vor einigen Jahren dort eine Moschee bauen. Erinnerungen an eine längst vergangene Zeit, die aber in den Köpfen der Leute noch fest verankert ist.

Heute noch einmal im Gottesdienst – diesmal in einer recht großen Kirche in Bamako. In den vergangenen Monaten haben wir in sehr verschiedenen Kirchen Gottesdienst gefeiert: in einer kleiner Dorfkirche, auf einer Veranda eines Privathauses und heute in einer großen Kirche. Faszinierend wie die Musik im Gottesdienst generationsübergreifend gestaltet wird. Heute singt ein Chor von Chorjungen Leuten mit Schlagzeug, E-Gitarre und Bass – alle in Choruniform. Und dazu tanzt eine alte Frau mit einer traditionellen Rassel, hat eine unglaublichen Groove mit anspruchsvollen Rhythmisierungen und gibt mit ihrer kleinen Rassel den Takt an. Und das passt wunderbar zusammen, wie aus einem Guss.

2 Wochen in Mali. Sicher noch nicht die Zeit um ein Resümee zu ziehen. Aber Gelegenheit Euch zu danken für Eure Anteilnahme, Eure Gebete und auch die Rückmeldungen aus der Heimat!

Der Alte ist der Neue

Nach einem Tag mit heißen Diskussionen wurde heute der Präses unseres Partner-Gemeindebundes gewählt – zusammen mit dem Leitungskomitee: Enoc Sagara, der schon 8 Jahre lang die Leitung hatte, wurde jetzt, nach vierjähriger Pause, wiedergewählt. Und Ezechiel, der bisherige Präses, wurde sein Stellvertreter. Das waren auch für uns spanndende Momente, denn die Zusammenarbeit hat natürlich auch viel mit Personen zu tun. (Für die, die sie kennen hier auch noch die anderen Gremienmitglieder: Abdias Diarra, Moussa Dabou, Emmanuel Sogoba).

Symbolisch wurden dann vom „alten“ an den „neuen“ Präses ein Hirtenstab und ein Hirtenhut übergeben. Auf eine gute Zusammenarbeit!

stabübergabe

und noch mal Sitzung…

Und heute der zweite Sitzungstag. Zu unserem Glück haben die Temperaturen wieder etwas den Rückwärtsgang eingelegt, denn wir sitzen – mit wenigen viel zu kurzen Unterbrechungen – von 8:00 bis 21:00 Uhr mit 50 Pastoren und Gemeindeältesten unter einem Wellblechdach, hören uns Berichte an über die verschiedenen Arbeiten, stellen Fragen, geben Anregungen und wundern uns auch nach vielen Jahren Erfahrungen dieser Art immer wieder, mit welcher Ausdauer Malier solche Mammutsitzungen durchhalten. Dabei stellen wir fest, dass sich manche Dinge überhaupt nicht geändert haben (wenn das Geld nicht reicht, ist immer die erste Frage, welche Partnerorganisation es wohl geben kann) und Anderes sich deutlich weiter entwickelt hat (als sich herausstellt, dass ein Komitee nur mit Pastoren besetzt ist – obwohl das gegen die Satzung ist – setzt die Hauptversammlung diesem eine Frist von 3 Monaten um Neuwahlen einzuleiten – das wäre noch vor 10 Jahren fast undenkbar gewesen). Ja, und morgen geht es dann weiter. Besonders wichtig sind dabei die Wahlen des nationalen Leitungskomitees – da freuen wir uns, wenn Ihr mit uns für weise Entscheidungen betet!

AG

Szenen eines Sitzungstages

M. soll etwas vorlesen und hat Schwierigkeiten mit der kleinen Schrift. Sofort reißen sich alle Sitzungsteilnehmer die Brille von der Nase: „Hier, Du kannst meine haben“, „Nein, nimm lieber die hier, die passt bestimmt besser!“…

Es stellt sich die Frage, wo die drei Bibelschüler demnächst ihr Praktikum absolvieren sollen. Zwei von drei Kirchendistrikten wollen jeweils zwei Bibelschüler haben. Der dritte Distrikt hat zurzeit keinen Bedarf. Eine heiße Diskussion beginnt zwischen den beiden Distriktverantwortlichen, wer den größeren Bedarf hat. Nach einer viertel Stunde dann das salomonische Urteil auf malisch: jeder der 3 Distrikte bekommt einen Bibelschüler – auch der, der keine Bedarf angemeldet hat.

Wort des Tages des ehemaligen Präses: „Versöhnung, die nicht von Herzen kommt, ist wie ein Kuhfladen, der außen getrocknet innen aber noch ganz feucht ist!“

In diesem Jahr reicht das Geld nicht für die Durchführung einer Jüngerschaftsschulung. „Das ist nur, weil ihr im letzten Jahr alles Geld auf den Kopf gehauen habt, statt etwas für dieses Jahr aufzuheben.“, sagt einer der Pastoren. Eine heiße Diskussion schließt sich an mit gegenseitigen Vorwürfen, Rücktrittsdrohungen und immer wieder (nanu!) fröhlichem Gelächter. Und wir sitzen dabei und wundern uns. Schamkutur? Man hat uns immer gesagt, dass man in Mali niemanden in der Öffentlichkeit bloßstellen darf und hier geht es zur Sache, wie wir es uns in einem deutschen Leitungsgremium nicht vorstellen können. Und doch… in der Pause werden sich fröhlich weiter Dinge an den Kopf geworfen, man diskutiert, flaxt und dann essen alle gemeinsam und scheinbar problemlos miteinander.

… die Feinheiten der internen Kommunikation haben wir wohl noch wenig verstanden! (Ob wir das besser kapieren würden, wenn wir Bambara sprächen und nicht auf die Übersetzung angewiesen wären?)