Auf die Müllhalde geflüchtet

2018 fing es an – immer wieder massive Konflikte zwischen den Ethnien der Peulh und der Dogon. Das jahrhundertelange Zusammenleben von Viehhirten und Ackerbauern wurde durch wechselseitige tödliche Angriffe abrupt beendet. Hass statt friedlicher Nachbarschaft. Gewalt statt Konfliktlösung durch Verhandlungen. Dort wo mehrheitlich Peulh wohnten, wurden die Dogon vertrieben und umgekehrt. Wem sein Leben lieb war, der suchte das Weite. Aber was heißt „das Weite“? Im Lande herumirren, vielleicht zu irgendwelchen entfernten Verwandten, oft in die Hauptstadt Bamako, die eh schon völlig überfüllt ist und ständig wächst. Aber was sollen Nomaden, Viehhirten in der Großstadt? Einziger Platz, wo man sich niederlassen konnte, war eine riesige Müllkippe, wo die Bewohner Bamakos ihre Abfälle hinbringen ließen. Das war das neue Zuhause: Leben auf Plastiktüten, Autoreifen, Blechdosen, Essensresten – natürlich alles illegal. Die lokalen Behörden griffen irgendwann ein, versuchten eine Umsiedlung in andere Gebiete außerhalb der Stadt, aber mittlerweile hatte sich ein neues Gefüge entwickelt. Manche verdienten sich mit etwas Brauchbarem aus dem Müll etwas Geld, ein paar Hirten kauften sich krankes Vieh, päppelten es auf und verkauften es weiter. Ein kleiner Markt war entstanden – das bisschen, was man sich erarbeitet hatte, wollte man nicht einfach aufgeben – selbst wenn es auf einer Müllhalde ist. Mit Hilfe von diversen Organisationen und Privatinitiativen wurden die Lebensbedingungen ein wenig verbessert: Etwas Erde auf den Müll kippen, eine Tiefbohrung für das Trinkwasser und hier und da ein ummauertes Loch als Toilette. So etablierte sich das Flüchtlingscamp in Bamako-Faladié und mittlerweile leben hier fast 650 Familien bzw. 4.000 Menschen. Auch an den Hütten lässt sich erkennen, wie zusammengewürfelt alles ist: hier und da gibt es ein paar Sperrholzhütten mit Blechdach, direkt daneben solche, die komplett aus Blech sind – mittags im Mai bei schon im Schatten 45°C kann sich dort wohl kaum ein menschliches Wesen aufhalten. Und vor allem Hütten aus Stroh, Zweigen, Karton, Plastiktüten – halt alles, was man so finden kann. Zweimal schon hat es ein großes Feuer in diesem Flüchtlingslager gegeben und es ist nicht schwer sich vorzustellen, wie schnell dort alles niederbrennen kann.

Wir bewegen uns fröhlich grüßend und schwatzend zwischen den Hütten. 70% der Leute hier sind Peulh und da wir ihre Sprache sprechen, sorgen wir für viel Verwunderung und wirken vielleicht etwas weniger als Fremdkörper. Die Stimmung ist keineswegs gedrückt oder hoffnungslos. Es fühlt sich fast an wie früher bei meinen Reisen in die Peulhdörfer – aber alles improvisiert und im Hintergrund die Skyline of Bamako.

Cissé, der uns alles erklärt und uns diversen Menschen vorstellt, arbeitet schon lange hier – wohl zu Beginn ehrenamtlich, jetzt aber hauptberuflich – sieben Tage die Woche. Er zeigt uns einen kleinen Raum, der als Krankenstation dient. Dreimal pro Woche kommt hier ein junger Arzt hin, um zu konsultieren und ein paar Medikamente zu verschreiben, die im Nachbarraum, der „Apotheke“, aufbewahrt werden. Dreimal pro Woche für 4.000 Menschen in erbärmlichen hygienischen Verhältnissen – keine Ahnung, wie das gehen soll. In Leipzig habe ich selbst mehrere Jahre in einem Flüchtlingscamp Sprechstunde gehalten. Da fand ich die Möglichkeiten schon sehr begrenzt, aber hier… Und im Moment ist Trockenzeit – ich möchte mir gar nicht vorstellen, was hier in der Regenzeit abgeht!

Was hier an Hilfe ankommt, ist ein bunter Flickenteppich von staatlichen Maßnahmen und diversen Menschen und Organisationen, die mal hier mal da etwas beisteuern und dann wieder verschwinden. Cissé versucht das irgendwie zu koordinieren und dabei im Auge zu behalten, dass niemand bevorzugt wird. Respekt!

Wir verabschieden uns, Amadou fährt uns mit seinem Motorrad voraus, damit wir den Weg aus dem Camp finden. Dogon und Peulh zusammen – beide auf der Flucht vor dem jeweils anderen und doch jetzt verbunden in ihrer Heimatlosigkeit. Könnte das hier nicht ein Beginn für Versöhnung sein? Mitten auf der Müllkippe? Könnten unsere mehrheitlich von Dogon besuchten Kirchen in Mali vielleicht eine Rolle dabei spielen?

 

Josué – ein Nachruf

Schon in der Zeit als wir noch dauerhaft in Mali lebten kannten wir Josué. Er war damals Schüler am Gymnasium und ab und zu besuchte er uns und wir erinnern uns gerne an die offenen Gespräche und seine positive Art. Später machte er eine Ausbildung als Krankenpfleger, arbeitete mit unserer Hilfsorganisation (Stiftung AGAPE) und ging 2001 als Leiter der Krankenstation in Mankoina in die Nähe der Grenze zu Burkina Faso. Obwohl er zu einer anderen Ethnie gehörte als die Bevölkerung dort, lebte er sich gut ein und versorgte über viele Jahre die Menschen in dieser sehr abgelegenen Gegend. Leider veränderte sich dort seine Lebensweise: kaum Bewegung, viel Schweinefleisch und reichlich Karitebutter (beides ist dort sehr üblich) führten dazu, dass er immer mehr an Gewicht zunahm. Dadurch wurde seine Beweglichkeit weiter eingeschränkt und bald machten ihm schon kleine Strecken große Mühe. Der malische Verantwortliche versetzte ihn zuerst ins AIDS-Zentrum im Nordosten des Landes und später in die Nähe von Bamako, um dort eine neue Gesundheitsarbeit in einer abgelegenen Gegend zu beginnen.

Josué, Daniel und Manuel auf der Fahrt nach N’Gouraba

Trotz Gewichtsabnahme und mehr Bewegung erlitt er vor wenigen Jahren einen Herzinfarkt und war seitdem noch weniger leistungsfähig. Dennoch versuchte er seinen Aufgaben weiter nachzukommen, denn die Menschen in den Dörfern der neuen Arbeit lagen ihm am Herzen. Trotz der Medikamente, die er nun regelmäßig einnahm, wurde seine Gesundheit nicht besser. Mehrmals musste er Fahrten abbrechen, weil sein Brustkorb schmerzte. Einmal, so wurde uns erzählt, ließ er sich einen Eisblock bringen, um ihn auf sein Herz zu legen, weil er so starke Schmerzen hatte. Aber es gab keinen Herzkatheter, keinen Stent und erst recht keine Bypass-OP – wir sind eben in Mali. Im März noch habe ich ihn und seine Familie besucht. Sein lebendiger Glaube, sein Engagement für seine Kirchengemeinde und auch seine positive Art als Familienvater haben uns immer wieder imponiert.

Vor 3 Wochen ist Josué mit 47 Jahren gestorben – höchstwahrscheinlich wieder ein Herzinfarkt und keine Klinik weit und breit, die ihm helfen konnte.

Heute haben wir seine Frau besucht, um ihr unser Beileid auszusprechen. Sie ist nun mit ihren 5 Kindern allein, das heißt ohne Ehemann und Vater, denn immerhin sind die Familienbande hier viel enger als bei uns und so wird sie die Großfamilie unterstützen.

 

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Wenn wir an Gesundheit in Afrika südlich der Sahara denken, dann fallen uns Malaria, AIDS, Mangelernährung und ähnliches ein. Aber immer mehr wird das ein Problem, was wir in Deutschland verrückterweise „Zivilisationskrankheiten“ nennen: Bluthochdruck, Diabetes, Fettstoffwechselstörungen… Und während wir uns in Deutschland darüber aufregen, wenn wir 3 Monate auf einen Facharzttermin warten müssen, fehlen hier oft ganz einfache Dinge wie Aufklärung über gute Ernährung, das Wissen um die Notwendigkeit von sportlicher Betätigung und richtig dosierte Basismedikamente bei diesen Erkrankungen.

 

 

Fahren als gäbe es kein Morgen

Heute habe ich ein Treffen auf der anderen Seite des Nigers. Ein Mitarbeiter warnt mich schon mal vor, ich solle ein bisschen eher fahren, ein Teilstück der Straße sei gesperrt und er erklärt mir, welche Alternativroute ich nehmen kann. Also 10 Minuten eher losfahren als geplant. Kein Problem: die „Straßen“ sind zwar alles andere als frei, aber man kommt vorwärts und die ca. 8 km sind in 45 Minuten geschafft. An den Ampeln stehen blau-uniformierte Polizisten und regeln den Verkehr bzw. winken Autos raus, um sie zu kontrollieren. Augen geradeaus, unauffällig gucken, entspannt weiter fahren, sonst kann man bei den Kontrollen und beim Argumentieren über den vermeintlichen Fahrfehler schon mal leicht eine halbe Stunde verlieren. Der Rückweg allerdings gestaltet sich etwas schwieriger: Die Brücke wird wegen des Berufsverkehrs in eine Richtung gesperrt und so muss man einen Umweg über die zweite Brücke nehmen. Der Verkehr ist jetzt dichter, an manchen Stellen schiebt man sich nur durch – immer auf der Hut vor den grünen Sammeltaxis, die sich überall vorbei drücken, keine Rücksicht auf Verluste: sieht man sich ihr Blech an, wird schnell klar, dass man sich vor ihnen in Acht nehmen muss. Etwas später komme ich dann an der Umleitung an. Jetzt wird es immer enger. Autos, Busse, dreirädrige Motorräder und Unmengen von Zweirädern aller Größen, alle schieben sich in einen winzigen Korridor, den ein parkender Bus gelassen hat. Würde alles gehen, wenn nicht von der anderen Seite genauso viele Autos, Busse, dreirädrige Motorräder und Unmengen von Zweirädern dieselbe Lücke in Anspruch nehmen wollten. Nach kurzer Zeit ist alles dicht. Nichts geht mehr, rien ne va plus! Fahrer steigen aus, schütteln den Kopf über so viel Dreistigkeit der jeweils anderen Seite. Motorräder versuchen, ob sie nicht doch noch irgendwo eine Lücke finden können. 2 Fahrradfahrer heben ihre Räder über Autodächer und Köpfe und marschieren so durch das Chaos. Ich stehe mittendrin, kein Vor, kein Zurück. Früher stellte sich in diesen Situationen eine gewisse Panik ein: Hier kommst du nie wieder raus – wie auch, vor dir und hinter dir nichts als blockierte Fahrzeuge! Mittlerweile habe ich genug Erfahrung, um zu wissen: irgendwann geht es weiter, einfach stehen bleiben und abwarten. Nach ausreichend Kopfschütteln und Gestikulieren der jeweiligen Fahrer fängt dann irgendwo eine kleine Bewegung an: ein paar Autos fahren ein Stückchen rückwärts. Ein wenig Platz entsteht, der jetzt dazu genutzt werden könnte, dass vielleicht ein blockiertes Fahrzeug etwas Spielraum bekommt. Aber nein, sofort stürzen sich gefühlt hunderte von Motorrädern in die Lücke wie Fliegen auf frische Hundesch… Wieder Gestikulieren, wieder Kopfschütteln, wieder ein paar energische Kommentare. Doch dann irgendwann, wie aus dem Nichts, löst sich der Knoten. Ein blockiertes Auto findet eine Lücke, öffnet ein Stück Straße, andere folgen und der Verkehr rollt wieder, langsam, aber es geht. Leider nur bis zur nächsten Querstraße, da fängt alles wieder von vorne an. Irgendwo steht ein Polizist, nimmt seine Pfeife in den Mund und stellt sich ein paar zu dreisten Autofahrern in den Weg. Aber auch er kann nicht viel machen, holt sein Motorrad und fährt wieder weg.

Mitten in diesem nicht enden wollenden Gedränge sitze ich in meinem klimatisierten Auto – wenigstens etwas! Aber kann ich das verantworten? Den Motor ständig laufen zu lassen, während der Verkehr steht. Nein! Ein bisschen Ökologie muss schon noch möglich sein. Also Motor aus und Fenster runter. Uff, 34 °C, die Sonne noch am Himmel und was ich da alles einatme, möchte ich gar nicht wissen. Also Fenster wieder hoch, Motor und Klimaanlage wieder an. Nach 3 Minuten ohne Bewegung wieder das schlechte Gewissen, Motor wieder aus, Fenster wieder runter und so weiter und so weiter.

2 Stunden war ich insgesamt im schönen Chaos Bamakos unterwegs und das Beste: Mein Gesprächspartner hatte den Termin vergessen und war nicht da. Es war ihm peinlich, er musste sich um einen kranken Freund kümmern, da war ihm das völlig entfallen. Vielleicht an einem anderen Tag nochmal?

Während ich so im Hier-geht-gar-nichts-mehr-Smog stehe, sinniere ich darüber nach, wie stark doch der Verkehr die Kultur widerspiegelt: Wenn sich irgendwo ein Weg öffnet, dann muss man ihn nutzen. Nicht lange nachdenken, was das für Konsequenzen hat, das kann man später ja sehen. Das Hier und Jetzt zählt. Irgendwie wird es dann doch weiter gehen und tatsächlich – irgendwie geht es immer weiter. Und genauso wie ich im Straßenverkehr immer wieder hin und her gerissen bin zwischen Faszination und Entsetzen, geht mir das in dieser Kultur auch so. Und es geht immer weiter. Man improvisiert, man stopft Löcher, man nutzt spontan sich bietende Möglichkeiten.

 

P.S.: Tatsächlich ist gestern unser Gepäck angekommen – alles wohlbehalten! Schön, mal wieder etwas anderes anziehen zu können!

 

eng, laut, erfrischend

Sonntagmorgen in einer Gemeinde etwas außerhalb von Bamako:

Das Begrüßungsteam weist uns unsere Plätze zu: Karsten, der die Predigt halten wird, sitzt mit dem Pastor und den Ältesten vorne -der Gemeinde gegenüber. Manuel kommt nach links auf die Seite der Männer, ich nach rechts auf die Seite der Frauen und Kinder. Einmal mehr tauche ich in ein Meer an Farben ein, die bunten, aufwändig genähten Kleider der Frauen! Mehrere Paare großer dunkler Kinderaugen fixieren mich.

Als der Gottesdienst recht pünktlich beginnt, ist der Gemeindesaal schon recht voll. Das scheint mir ungewöhnlich, denn meistens kommen vor allem die Frauen erst nach und nach an. Ich beobachte fasziniert und amüsiert, wie immer noch Platz geschaffen wird. Das „Platzanweise-Team“ hat gut zu tun.

Kurze Zeit später wird das Platzproblem von vorne thematisiert: Der Pastor appelliert an die Mitglieder aufmerksam auf Gäste zu achten. Letztens seien Besucher gekommen, hätten gesehen, dass kein Platz mehr war und seien wieder gegangen. Das ginge nicht! Zur Not müsse der Chor (der im vorderen Seitenteil seinen festen Platz hat) diesen Bereich freimachen und nur zum Singen reinkommen. Das sei doch kein Problem, oder? – fragt er seine Gemeinde. Nein, kein Problem, wird ihm laut bestätigt.

Das Problem des zu klein gewordenen Raumes sei nicht einfach und schnell zu lösen. Bis sie gemeinsam eine Lösung gefunden hätten, zu der sie auch gemeinsam (durch Spenden für eine bauliche Erweiterung -Anm. der Redaktion 😉) beitragen könnten, müssten sie zusammenrücken und auch immer mal Platz für andere machen.

Wie viele Gemeinden in Deutschland hätten gerne dieses Problem?

Die 90 Minuten bis zur Predigt sind mit viel Gesang gefüllt. Während die Männer hier recht ruhig sitzen und singen, ist auf unserer Seite viel Bewegung. Mehrere Frauen stehen auf, klatschen im Rhythmus und tanzen im Rahmen dessen, was in den engen Reihen möglich ist.

Die Frau vor mir mit dem Baby auf dem Schoß bittet eine andere hinter ihr, den Reißverschluss ihres Kleides zu öffnen, damit sie ihr Kind besser stillen kann. Ich genieße dieses natürliche, unkomplizierte Miteinander.

Nach einigen gemeinsamen Lieder ist der Chor an der Reihe. Die meisten hier haben deutlich kräftigere Singstimmen als wir und regelmäßig frage ich mich, ob das Mikro wirklich nötig ist. Ein interessantes Phänomen ist auch, dass die Lieder von Sängern angestimmt werden. Das stammt aus der Zeit, als die Begleitung nur aus Rhythmusinstrumenten bestand. Für die inzwischen hinzugekommenen Gitarristen und Pianisten ist die Herausforderung oft groß, sich dann nachträglich „einzuklinken“.

Heute fällt mir die Lautstärke wieder stark auf. Liegt es an den vielen kleinen Kindern um mich herum, die mich an meine Enkel in dem Alter erinnern? Unsere Kinder (ihre Eltern) hätten beim Einsetzen der Musik panikartig den Raum mit ihnen verlassen, um ihre zarten Ohren zu schonen! Die Kids hier sind es offensichtlich gewohnt, keines wirkt auf mich irgendwie verstört.

Nach 90 Minuten verlassen dann ca. 40 Kinder den Raum zum Kindergottesdienst. Dadurch entsteht freier Platz und einige rutschen gerne wieder etwas auseinander.

Da Karsten nicht in der üblichen Sprache der Gemeinde, sondern auf Französisch predigt, dauert dies mit der nötigen Übersetzung auch seine Zeit.

Nach dem Gottesdienst spreche ich mit einem Mitglied der Gemeindeleitung über das schnelle Wachstum der Gemeinde in den letzten Jahren. Die meisten sind- wie er und seine Familie- zugezogen, weil sie in diesem Stadtteil ein Grundstück gekauft und darauf gebaut haben. Wie an vielen Orten „verschieben“ sich so die Mitglieder von einer Gemeinde in eine andere.

Danach haben einige Frauen für uns gekocht. Eine große Platte mit tollem Salat und eine Platte mit Hühnchen und Pommes. Wir sitzen alle um eine Bank zwischen uns und essen mit der Hand von den Platten. Da wir nicht alle gleichzeitig an alles drankommen, schlägt Djob, der Pastor, vor, dass wir mit der Salatplatte beginnen. Das wird auch angenommen, aber nach einigen Minuten wird zwar spaßig, aber wohl doch mit einem ernsten Hintergrund, die Befürchtung geäußert, dass wir uns an dem „Grünfutter“ sattessen und dann nicht mehr zu dem „eigentlichen“ Essen kommen. Also werden die Platten getauscht und es ist offensichtlich, was unsere malischen Brüder lieber essen…🙂 Dass wir uns in Deutschland größtenteils fleischlos ernähren, thematisieren wir hier eher nicht.

Der Pastor ist gleichzeitig ein Missionar aus Kamerun, der von einer dänischen Missionsgesellschaft nach Mali gesandt wurde. Im nächsten Jahr wird er mit seiner Familie in den Senegal weiterziehen. Warum? Zum einen reagiert die Missionsleitung auf die sich weiter verschlechternde Sicherheitslage. Man will vermeiden, dass die Mitarbeiter „Hals über Kopf“ eine Arbeit verlassen müssen. Und zum Zweiten liegt Job die Gründung und Unterstützung kleiner Gemeinden am Herzen. Hier ist viel gewachsen, reife Christen gehören zur Gemeinde.

Wir freuen uns über seine engagierte Art und klare Überzeugung. Und sein lautes, herzliches Lachen steckt an und tut gut!

 

Pastor, Gärtner, Fischzüchter

David kennen wir schon viele Jahre. Gemeinsam haben wir in den 90ern unsere ersten Jahre in Sévaré im Nordosten des Landes verbracht – er als Pastor in seiner ersten Stelle nach der theologischen Ausbildung, wir als frisch eingeflogene Missionare. Nun ist er schon seit Jahren Pastor einer Kirche in Bamako. Immer wieder sind wir beeindruckt davon, wie offen er für Neues ist. Wir genießen den Austausch mit ihm, weil man auch mal miteinander Ideen entwickeln, ins „Unreine“ sprechen kann. Aber auch in wirtschaftlicher Hinsicht ist David kreativ und probiert gerne Neues. Ein Pastorengehalt in Mali – davon kann in der Regel keiner seine Familie ernähren, besonders, wenn man noch erwachsene Kinder „durchfüttern“ muss. Also lässt sich jeder etwas einfallen, aber oft genug funktioniert das nicht so, wie man sich das wünscht. Heute werden wir Zeuge von dem, wie David sein Gehalt aufbessert:

Da ist zunächst einmal sein Salatprojekt: Neben Wohn- und Gemeindegrundstück hat er ein Stück Land genutzt und pflanzt dort Salatköpfe. Gedüngt wird nur mit natürlichem Material und das Wasser zum Gießen kommt nicht aus dem verdreckten Fluss oder sonstigen zweifelhaften Quellen, sondern aus seinem sauberen Brunnen. Auch verwendet er keine Insektizide. Da die Leute hier mehr und mehr darauf achten gesunde Lebensmittel zu sich zu nehmen, kommt mittlerweile das halbe Stadtviertel zu ihm, um Salat zu kaufen. Das bringt Geld in die Haushaltskasse und außerdem nimmt es Berührungsängste, denn so kommen ständig Leute auf das Grundstück der christlichen Kirche und machen ein Schwätzchen mit dem Pastor oder seiner Frau.

Dieses Jahr aber hat David noch etwas anderes ausprobiert: Fischzucht. Fisch ist sehr begehrt in Mali und der Niger wird immer fischärmer durch zu geringe Regenfälle und Überfischung. David hat nun in seinem Hof ein Becken aufgestellt, in das er kleine Fische setzt und sie aufzieht. Alle paar Tage wird das Wasser gewechselt. Das nimmt er, um den Salat zu gießen und hat dadurch ohne zusätzlichen Aufwand wertvollen Dünger. Nach der ersten Aufzuchtperiode tummelten sich 413 kg Fisch in dem Becken. Das meiste davon wurde verkauft, ein Teil selbst verzehrt und manches vor dem Verkauf geräuchert.

Nur ein einziger Durchgang reichte, um vom Gewinn die gesamten Investitionskosten, die neuen Setzlinge und Futter für die zweite Aufzucht zu finanzieren. Wenn das mal kein florierendes Geschäft ist…

Aber David denkt nicht nur an seine eigenen Einnahmen. Ihm ist es ein Anliegen, dass die jungen Leute in seiner Kirche auf eigenen Füßen stehen können: „Mali bildet viel zu viele junge Leute für Berufe aus, die keiner gebrauchen kann. Wir haben z.B. hunderte von studierten Soziologen, die keine Arbeit finden und frustriert auf der Straße stehen. Wer aber ein vernünftiges Handwerk gelernt hat, der wird in Mali immer eine ausreichend bezahlte Beschäftigung finden!“, sagt er und lässt sich gerne über die Schulter schauen von solchen, die bei ihm abgucken wollen.

 

 

Düstere Aussichten?

Verantwortliche Mitarbeiter der evangelischen Allianz in Mali sitzen zusammen und überlegen gemeinsam, was auf uns als Kirche zukommen kann. Was da zusammen getragen wird, ist nicht gerade ermutigend: Zum ersten Mal verschwand mitten in Bamako ein europäischer katholischer Priester. Auch wenn sich bisher niemand dazu bekannt hat, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass er entführt wurde. Aber wer steckt dahinter? Kriminelle? Leute, die noch eine Rechnung mit ihm zu begleichen hatten? Islamisten? Lange Zeit haben die islamistischen Bewegungen in West-Afrika die Kirchen einigermaßen in Ruhe gelassen. Das scheint sich aber immer mehr zu ändern. Ein mehrheitlich christliches Dorf wurde vor wenigen Wochen mit Gewalt dazu aufgefordert, seinem Glauben zu entsagen und den Islam anzunehmen. In einem anderen Dorf wurden, so hört man, alle Männer, egal welcher Religion sie angehörten, getötet. Manchmal hat man Augenzeugen, die einem aus erster Hand Bericht erstatten können, manchmal sind es nur Gerüchte, die schwer nachzuprüfen sind.

Auch der Ton mancher bisher eher moderater Imame wird schärfer und sie greifen die Christen in ihren Predigten offen an. Der neue Verfassungsentwurf, der gerade auf vielen Ebenen diskutiert wird, sieht weiterhin vor, dass Mali ein laizistischer Staat (Trennung von Staat und Religion) bleibt, aber viele Kräfte kritisieren das und versuchen durchzusetzen, dass der Islam Staatsreligion wird.

Christen stellen sich darauf ein, dass es schwerer wird ihren Glauben hier in Mali frei zu leben. Aus dem Norden und dem Zentrum des Landes flüchten immer mehr Menschen in den Süden und in die großen Städte, darunter viele Christen, die sich bedroht sehen. Die Kirchen in Bamako bereiten sich darauf vor, wie sie die Flüchtlinge in Zukunft aufnehmen können. Auch im Nachbarland Burkina-Faso sieht es nicht besser aus: man zeigt uns eine Liste von über 170 namentlich genannten Pastoren, die ihre Dörfer verlassen mussten und in umliegende Städte geflüchtet sind.

Das sind noch schleichende Entwicklungen, aber es ist unübersehbar, dass das tolerante Mali, in dem wir früher gelebt haben, sich stark verändert. Wo geht das hin? Jesus sagt im Lukasevangelium: „Wenn diese Dinge zu geschehen beginnen, richtet euch auf und fasst Mut, denn dann ist eure Erlösung nahe.“ Diesen Mut, diese Gewissheit wünschen wir unseren malischen Mitchristen!

 

 

Abendlicher Freiluftgottesdienst

Manuel und Enoc nehmen mich mit zu einer abendlichen Gebetsversammlung. Keine Ahnung, was mich da erwartet. Das Ganze findet statt im Hof einer Frau, die als Unternehmerin tätig ist: ganz klein hat sie angefangen mit dem Verkauf von Kleie als Tierfutter mit einem winzigen Lädchen. Ihr Pastor hat ihr immer mal ein bisschen Geld zugesteckt, damit sie überhaupt erst mal mit diesem kleinen Gewerbe anfangen kann. Sie war fleißig und auch treu im Umgang mit dem Geld. Stück für Stück hat sie sich hochgearbeitet und hat mittlerweile auch für deutsche Verhältnisse viel Geld, mit dem sie jetzt wiederum großzügig die Arbeit der Kirche unterstützt.

Nun sitzen wir mit etwa 40 meist Kindern und Jugendlichen in einem bescheidenen Hof. Es wird gesungen und getanzt. Nach den Liedern erzählen manche über das, was sie mit Gott erlebt haben oder wofür sie gerne Gebetsunterstützung hätten: ein junger Mann berichtet, wie er nach langem Warten jetzt eine gute Arbeit bekommen hat, es wird für die Kranken gebetet, dafür, dass die ständigen Streiks der Lehrer oder Schüler aufhören und endlich wieder kontinuierlicher Unterricht möglich ist und natürlich für die Sicherheitslage in Mali… Hier und da läuft mal jemand eingewickelt in ein großes Stück Stoff vorbei, weil er sich gerade in der Open-Air-Dusche gewaschen hat. Es findet halt das ganze Leben im Hof statt. Die ersten Kinder schlafen ein und werden entweder einfach auf eine Matte gelegt oder ins Haus gebracht. Dann darf ich auch ein paar Worte sagen. Ich teile mit ihnen meine Freude, dass wir trotz aller Unterschiede – den sichtbaren wie den nicht ins Auge fallenden – eine Familie sind und obwohl wir uns nicht kennen, doch denselben himmlischen Vater haben. Pastor Enoc schließt dann noch ein paar Worte zu einem Bibeltext an, der die jungen Leute darauf vorbereitet, dass sie aufgrund ihres christlichen Glaubens verachtet, verfolgt und getötet werden können. Das scheint so gar nicht zu dem fröhlichen Abend zu passen. Aber es ist in Mali in vielen Teilen des Landes Realität und es macht keinen Sinn, davor die Augen zu schließen. Die jungen Leute hören aufmerksam zu. Wie wünsche ich mir, dass Gott sie vor dem bewahrt, was anderswo schon zum täglichen Leben gehört.

Am Schluss gibt es noch ein Geschenk für alle: die Hofbesitzerin hat T-Shirts mit dem Aufdruck: „Joyeux Noël“ (Frohe Weihnacht) gekauft und jeder (auch ich!) bekommt eines. Mit lautem Jubeln und Klatschen wird diese Überraschung gefeiert und gleich noch ein spontanes Lied angestimmt.

Dann fahren wir wieder zurück. Eine kurze Begegnung, nichts Besonders, aber sie hat mein Herz erreicht.

 

 

 

Nebenbeigespräche

Treffen mit dem Kirchenleitungskomitee: nicht mehr stickige Hauptstadt Bamako – stattdessen frische Luft am Rande de Nigerflusses in Segou. Nicht mehr schlafen bei Straßenlärm und Staub im Haus – stattdessen im Zelt auf dem Hof des Gemeindezentrums. Der Wechsel tut gut. Auf der Tagesordnung stehen viele wichtige und zum Teil auch anstrengende Gespräche aber auch wegweisende Überlegungen zur Zukunft der malischen Kirche. Zwischendurch und am Abend sitzen wir zusammen und unterhalten uns über ganz andere, manchmal viel spannendere Themen. Ein paar kleine Beispiele gefällig?

Das war für uns neu: bei einigen Ethnien geht traditionell der Brautvater nicht zur Hochzeit seiner Tochter (hat er jetzt ausgedient??). Er bleibt einfach zuhause – immerhin, man bringt ihm seine Portion des Hochzeitsessens, aber sonst hat er keine Funktion mehr bei Trauung und Fest. Die Mutter ist da, die

Wo ist der Brautvater?

Geschwister, die ganze Großfamilie – aber Papa sitzt zu Hause und tut nichts. Zwar halten sich da mittlerweile nicht mehr alle dran und das sei auch o.k., sagt uns M., der uns diese Geschichte erzählt, aber bei vielen wird das noch so gehandhabt. Er allerdings habe seine Tochter beim Einzug in die Kirche bis nach vorne gebracht und wurde dafür auch nicht schief angesehen.

E. erzählt uns von einer Karte, die ältere Leute vorzeigen können, damit sie beim Schlagestehen z.B. bei Behördengängen nach vorne gelassen werden. Das sorgt nicht bei allen Beteiligten immer für Freude und Verständnis. Bei einer Gelegenheit regt sich ein junger Mann darüber auf, der meint, er hätte es doch mindestens genauso eilig. E., der auch mit in der Reihe steht, ist da ganz praktisch und erläutert dem jungen Meckerer, dass es ja sein könne, der „Alte“ müsse mal auf Toilette, dann könne er das nicht halten und dann… Wie peinlich das doch wäre! Ein überzeugendes Argument, das sieht auch der junge Mann ein und wie zur Bestätigung passierte genau das und die Dunkelfärbung der Hose eines älteren Mannes unterstreicht die Erläuterungen von E., Sozialkunde mal ganz praktisch!

R., eine gestandene und sehr gebildete Frau Ende 50 erläutert uns und dem dabei sitzenden Pastor, wie schwierig es für Frauen in der Menopause sei, was sie alles für Beschwerden hätten und dass man manches einfach nur ertragen müsse. Verständnisvoll nickt der Pastor, lächelt und fügt hinzu, dass man dann auch keine Freude mehr an dem hätte „wovon man den Namen jetzt nicht sagt…“ Es ist schon manchmal sehr verblüffend bodenständig, was hier so an Nebenbeigesprächen läuft…

Gespräche im vorweihnachtlichen Gemeindehaus in Segou

T., ein Pastor, der mit uns bisher nur selten ernsthafte Gespräche geführt hat, sondern lieber rumblödelt, spricht sehr leise und heiser – ganz anders als wir es sonst von ihm gewohnt sind. Wir fragen nach und er erzählt sehr offen, dass im vergangenen Jahr einige Familienmitglieder, darunter auch sein jüngerer Bruder, gestorben sind. Erst habe er den Stimmverlust, der nun schon einige Monate andauert und seine Arbeit als Pastor sehr erschwert, für eine organische Krankheit gehalten. Irgendwann aber wurde ihm klar, dass das eine Reaktion auf die schwere Belastung durch die Todesfälle in seiner Familie ist. Wir sind überrascht davon, wie offen er uns gegenüber eine mögliche psychosomatische Ursache thematisiert.

Oft sind es gerade diese kleinen Gespräche hier und da, die viel wichtiger sind als die offiziellen Sitzungen, um sich zu verstehen, Zwischentöne wahrzunehmen und sich weiter kennen zu lernen.

P.S.: unser Gepäck liegt oder fliegt immer noch an unbekannten Orten. Unsere Garderobe ist etwas reduziert, aber zum Glück trocknet ja hier alles schnell und wir hatten Zahnbürsten im Handgepäck 🙂

 

Kommunikation zum Verzweifeln

Auch das gehört zu unseren Aufgaben: die Scherben aufsammeln von dem, was in den letzten Monaten ohne direkte Begegnung kaputt gegangen ist. Wie schwer ist schon in Deutschland oft die Kommunikation. Wie leicht interpretieren wir Dinge, die wir möglicherweise falsch verstanden haben. Um wie viel komplizierter ist das, wenn zwei so verschiedene Kulturen miteinander im Gespräch sind und dann noch Monate dazwischen liegen, wo wir uns nicht sehen, wo wir nur schriftlich oder fernmündlich kommunizieren können.

Und so diente unser erstes Treffen heute in weiten Teilen dazu, Missverständnisse auf beiden Seiten auszuräumen, zu erklären, was sich wer wobei gedacht hat und wo wir aus unserer Sicht heraus die falschen Schlüsse gezogen haben. Manchmal bin ich dann kurz vor dem Verzweifeln, habe den Eindruck, dass diese Fehlschlüsse vorprogrammiert sind und unser Umgehen damit so hoffnungslos unterschiedlich. Und das, obwohl wir schon so viele Jahre miteinander unterwegs sind, uns eigentlich besser kennen und leichter verstehen sollten.

Und doch: Letztlich gelingt es uns dann trotzdem immer wieder uns gegenseitig zuzuhören, manche Missverständnisse auszuräumen, uns gegenseitig in unserer Andersartigkeit stehen zu lassen und uns als Brüder und Schwestern des einen Gottes zu begegnen. Da ist dann doch das über Jahre gewachsene Vertrauen, durch das es uns gelingt, die vielen kulturellen Unterschiede zwar nicht zu überwinden, aber zumindest mit ihnen leben zu können – wissend, dass dies auch in Zukunft nicht zu vermeiden ist.

Gepäck is‘ weg

Ankunft in Bamako um 1 Uhr nachts. 3 Stunden Flug nach Istanbul und dann noch einmal 6 Stunden bis nach Mali. Lesen, essen, Film schauen, vergeblich versuchen zu schlafen – irgendwie geht die Zeit dann rum. Und dann die üblichen Formalitäten: Nachweisen, dass man auch Corona-geimpft ist, Passkontrolle – mittlerweile sind so viele Visa von Mali in unserem Pass, dass man uns in Istanbul schon gefragt hat, warum wir uns nicht einen malischen Pass besorgen (wenn das so einfach wäre…) und dann das übliche Warten aufs Gepäck. Ein paar Koffer drehen Runde um Runde auf dem Gepäckband aber es kommen keinen neuen mehr dazu. Kennen wir schon, also warten wir brav. Skeptisch werden wir, als immer mehr Passagiere das Band verlassen und zum Reklamationsschalter gehen. Dann bleibt das Band irgendwann stehen. Tatsächlich: heute ist wohl (fast) gar kein Gepäck mitgenommen worden – alles wartet (hoffentlich) noch in Istanbul.

Also stellen wir uns auch an am Schalter – aber wo ist hier das Ende der Schlange? Eine Traube von nahezu allen Passagieren versammelt sich um die 3-4 Mitarbeiter, die hinter eine Glasscheibe versuchen, Herr oder Frau der Lage zu werden. Ich stelle mich irgendwo hinten rein und hoffe, dass ich im Laufe der Zeit weiter nach vorne rücke – wird wohl eine lange Nacht werden. Zwischendurch plaudern wir mit den ebenfalls wartenden Maliern und dieses Kulturstudium ist wirklich interessant: Die Malier drücken und schieben, plaudern, rufen – klar, jeder wäre jetzt gerne mit seinem Koffer zu Hause, aber jetzt ist es halt so…, fühlt sich aber auch nicht viel anders an als am Eingang zum Stadion vor einem Fußballspiel. Und dann sind außer mir noch 3 Nicht-Schwarzafrikaner in der Traube und ihr Verhalten ist so völlig anders: einer, vermutlich ein Nordafrikaner, ist zwar insgesamt recht guter Stimmung, ruft aber ständig lautstark den Mitarbeitern zu, sie sollten doch mal endlich schneller arbeiten. Ein anderes „Bleichgesicht“ ist sichtlich genervt und gummelt ständig vor sich hin, mal lauter mal leiser, macht er seiner Unzufriedenheit Luft und drückt sich vorwärts zum Schalter. Eine Dame – vermutlich aus Asien steht schweigend in der Schlange, drängelt sich dann aber, als sich eine Gelegenheit bietet, kommentarlos vor. Da wiederum verstehen die Malier keinen Spaß und sofort wird geäußert, dass sie nicht denken solle, nur weil sie eine Weiße sei, könne sie sich über die Reihenfolge hinwegsetzen. Die Dame sagt dazu kein Wort, wartet nur stoisch auf ihre Papiere, bittet nicht um Entschuldigung. Das ärgert um so mehr, aber da sie eine Frau ist, äußert man zwar seinen Missmut, aber lässt die Sache nicht eskalieren.

Und wie habe ich mich verhalten? Na, das schreib ich natürlich nicht. War ich doch in erster Linie damit beschäftigt zu beobachten, wie verschieden man mit einer solchen Situation umgehen kann. Und dabei bewundere ich immer wieder diese malische Mischung aus Chaos und Gelassenheit