nicht nur im eigenen Saft

Bamako, die Hauptstadt: hier ist das Leben und das auch für die Kirchen. Denn hier tummelt sich alles: Leute, die aus entfernten Dörfern kommen um Arbeit zu suchen, Menschen mit einem guten Job und viel Geld, Männer und Frauen, die aus Nachbarländern kommen und eine andere geistliche Prägung haben… Hier wachsen die Gemeinden, hier ist die Toleranz größer als im Inland und daher finden hier Leute zum Glauben an Jesus Christus ohne unbedingt Repressalien von ihren Familien fürchten zu müssen. Aber die Gemeinden hier sonnen sich nicht im „Erfolg“ ihrer wachsenden Zahlen und oft vollen Kirchen. Wie auch in anderen Städten Malis sehen sich die Christen hier in Bamako verantwortlich dafür, die gute Nachricht von Gottes Gnade auch in die Dörfer und Orte zu bringen, die um die Hauptstadt herum liegen. Und so fahren wie heute nach Dangassa, einem Ort 90 km vom Zentrum Bamako entfernt und da nach 50 km die Straße aufhört, sind das mit dem Auto 3 Stunden Fahrt. Hier hat der Kirchenbezirk Bamako vor einigen Jahren angefangen eine christliche Gemeinde zu gründen und Menschen in die Nachfolge Jesu einzuladen. Noch immer sind dort nur eine Handvoll Leute – in den Dörfern ist die Arbeit eben wesentlich schwerer und langwieriger – und doch wohnt hier ein junger Pastor mit seiner Familie, sucht Kontakt zu den Bewohnern von Dangassa und Umgebung und hilft den wenigen Christen im Ort, den Mut nicht zu verlieren und in ihrem Glauben zu wachsen. Dangassa ist nicht die einzige Gemeinde dieser Art und so haben sich die größeren unserer Partnerkirchen in Bamako die Verantwortung aufgeteilt und sind zuständig dafür, kleine Kirchen in der Umgebung zu unterstützen. Das finde ich schon sehr beeindruckend und stelle mir vor, wie das in deutschen Kirchen wäre, wenn gut situierte Gemeinden in größeren Städten sich die Verantwortung für die umliegenden Ortschaften aufteilen würden: zum Einen Jesus gute Botschaft dorthin zu bringen, wo kaum Christen sind und dann die kleinen Gemeinden zu unterstützen, die Hilfe von außen gut gebrauchen können. Und es gäbe in Deutschland ja kaum jemanden, der dafür 3 Stunden mit einem 4×4 fahren müsste…

Fotomodell Marthe

Gestern hatte ich zwischen einigen Sitzungen und Gesprächen eine nette Begegnung. Für eine Kinderzeitschrift in Deutschland wurde ich gebeten ein paar Fotos aus dem Alltag eines „ganz normalen“ malischen Kindes zu machen. Mit Etiennes Hilfe fanden wir dann auch eine Familie, die sich auf ein solches Unternehmen einließ und so habe ich eine Stunde lang alle möglichen Alltagsszenen mit der 8-jährigen Marthe gespielt und fotografiert. Und Marthe hat voller Eifer und trotzdem ganz natürlich mitgemacht und alle 9 Familien, die in demselben Hof wohnen, hatten ihren Spaß – und stellten sich dann auch noch zum Gruppenfoto zusammen. Schon oft hatte ich den Eindruck, dass vielen Maliern „Theaterspielen“ viel leichter fällt als uns und sie das ganz selbstverständlich hinbekommen.

Und heute habe ich mit unserem „alten Weggefährten“, Daniel, Bassian und den Nachbarort N’gouraba besucht. Wer sich nicht mehr an Bassian erinnern kann, der schaue doch noch mal auf die Einträge von Oktober 2016. Unsere Hilfsorganisation möchte gerne – neben dem, was die Kirche dort schon tut – aktiv werden. Die damals verfallene Entbindungsstation wurde mittlerweile durch ein neues Gebäude von einer anderen Organisation ersetzt. In N’gouraba, wo die zentrale Krankenstation ist, treffen wir auf 2 Krankenpfleger, die uns mit den Gegebenheiten vertraut machen. Eine Hilfe von unserer Seite würden sie sehr begrüßen und auf dem Rückweg über eine völlig ausgefahrene Piste diskutieren Daniel und ich bei satten 20 km/h über die Möglichkeiten, sich sinnvoll einzubringen. Ich glaube, es hat uns beiden Freude gemacht, nochmal miteinander zu planen und Gedanken auszutauschen in einem Bereich, in dem wir vor vielen Jahren lange zusammengearbeitet haben.

 

Ausflug nach San

Dacharbeiten

Auch wenn die Reisen in Mali nicht mehr so gefahrlos möglich sind wie früher und ich diesmal nicht bis in den Norden nach Sévaré reisen konnte, wollte ich doch sehen, wie denn der Bau unserer zweiten I-ni-sini-Schule fortschreitet und so sind wir Mittwoch früh aufgebrochen um nach San zu fahren. Über eine Straße, die teilweise gut geteert ist und manchmal eher ein Flickenteppich ging es also die ca. 400 km nordöstlich von der Hauptstadt. Als wir ankommen, besuchen wir zuerst Pastor Hesekiel und seine Familie und werden dort freundlich empfangen und beköstigt. Nachdem wir viel geplaudert und uns ein bisschen ausgeruht haben, fahren wir dann die wenigen Kilometer zum entstehenden Schulgebäude. Ich bin erstaunt, wie schnell di

mit dem Bauteam

e Arbeiten voran gehen, denn das Bauteam ist schon bei den Vorbereitungen für das Betondach – danach kommen noch die Innenarbeiten und so wird der Bau vermutlich schon Mitte April fertig werden. Der Bauleiter erklärt mir seine Strategie: „Die Schreinerarbeiten lasse ich von Schreiner hier aus der Stadt machen, aber die Maurer habe ich alle aus der Hauptstadt mitgenommen. Bei Arbeitern von hier kann es schnell Probleme geben: da wird ein Kind krank oder es gibt einen Todesfall in der Familie und schon fallen sie ein paar Tage aus und die Arbeit muss warten. Nehme ich Leute von Bamako mit, dann sind sie sehr daran interessiert, dass sie möglichst schnell den Bau abschließen und wieder nach Hause können…“

Und so schauen wir uns an, was schon geworden ist: mit vielen Hölzern wird das Dach abgestützt, so dass spezielle Ziegel daraufgelegt werden können. Die Eisenbetonträger sind schon gegossen. Wenn das alles vorbereitet ist, kann der Beton darauf gegossen werden und nach 3 Wochen ist alles fest genug, dann können die Balken entfernt werden. Niangaly, der schon seit vielen Jahren mit uns arbeitet, stellt sich schon mal al

erster Schüler Niangaly

s ersten Schüler zur Verfügung. Ein Arbeiter leiht mir seinen Hut, damit ich mit meiner weißen Haut und den wenigen Haaren auf dem Kopf keinen Sonnenstich bekomme. Und dann muss natürlich ein Gruppenfoto her.

Als wir vor ein paar Monaten zuletzt hier waren, waren in der Umgebung nur wenig Häuser zu sehen, jetzt aber wächst das Stadtviertel Zusehens. Das liegt auch an unserer Schule: Der Bauleiter erzählt mir, wie ihn schon manche, die hier ein Grundstück gekauft haben, angesprochen haben, was denn hier entsteht und als sie hören, dass hier eine Schule gebaut wird, meinten sie: „Oh, dann wird es Zeit, dass wir schnell bauen und hier hinziehen, wenn für die Schulausbildung unserer Kinder schon gesorgt ist!“

Straßeneltern

Paco ist Schreiner, aber sein eigentlicher Beruf ist es, Kindern, die in Bamako auf der Straße leben, ein Zuhause zu geben. Er kommt aus Burkina Faso, so wie auch seine junge Frau. Beide waren – wie alle „Hauseltern“ bei ihrer Organisation „REMAR“ – selbst Straßenkinder, haben dann Menschen gefunden, die sie wertgeschätzt und die ihnen Jesu Liebe vorgelebt haben und sind dabeigeblieben um selbst Kinder ohne Heim aufzunehmen. Den Bock zum Gärtner gemacht? Ganz im Gegenteil! Heute besuche ich zwei der „Großfamilien“ von REMAR und da sitzen mir Ex-Drogensüchtige, Prostituierte, Diebe u.s.w. gegenüber, die mit ganzen Herzen und ganzem Einsatz das weitergeben wollen, was sie selbst empfangen haben. Kein Gehalt – sie bekommen Essen, Kleidung, ein Dach über dem Kopf und was man sonst noch zum Leben braucht, aber sie verdienen nichts. Sozialversicherung? Wer nichts verdient ist auch nicht versichert! Alles Geld, was durch irgendwelche Arbeiten verdient wird, geben sie ab für die Arbeit. Und sie sind eine große Familie – das ist kein Heim für Ausgestoßene, sondern die Straßenkinder gehören mit dazu genauso wie die eigenen Kinder. Und auch hier, wie wohl überall, wo Menschen mit diesen Kindern arbeiten, braucht man einen langen Atem und die Fähigkeit viele Rückschläge verdauen zu können: der Sog der Straße bleibt und viele Kinder hauen wieder ab, wählen das demütigende Leben mit Drogen, Freiern und Kleindiebstählen statt die Wärme einer Familie. Aber, wie gesagt, Paco ist Schreiner. „Wenn die jungen Leute nichts zu tun haben, keine Perspektive bekommen, dann landen sie früher oder später alle wieder auf der Straße.“ Deshalb bringt er ihnen sein Handwerk bei. Mit ausgesprochen einfachen Mitteln und Abfallholz schreinern sie Möbelstücke, die zwar nicht viel einbringen, aber ihnen Fähigkeiten beibringen, mit denen sie sich später selbst versorgen können. Ich darf zuschauen, wie Paco mit 2 seiner Jungs einen Fernsehtisch zusammenzimmert. Als er zur Säge greift, wird mir klar, wie einfach seine Werkzeuge sind: sie knabbert sich mehr durchs Holz als dass sie schneidet. Ich stelle ihm ein paar Fragen zu seinem Leben, seiner Arbeit und darf Fotos machen, während seine Frau im Hof ihre Tochter einseift und Enten gemütlich ein Schlammbad nehmen – typisches malisches Hofleben. Wovon Paco träumt? Eine richtige Lehrwerkstatt, wo sie Holz lagern und Möbel so bauen können, dass die Kids lernen mit richtigen Werkzeugen umzugehen und sehen, dass es etwas einbringt.

Unsicher, unsicherer, am unsichersten…

Was ist hier eigentlich los in Mali? Ständig hören wir und sagen es auch so weiter, dass sich die Sicherheitslage weiter verschlechtert hat und man fragt sich, ob denn das überhaupt noch geht. Heute Morgen saß ich lange mit einem der verantwortlichen Pastoren unserer Partnerkirche zusammen und eine meiner ersten Fragen war, wie er denn die Situation einschätzt und auch da war zu hören, dass es immer schwieriger wird. Daher fasse ich hier mal zusammen, was ich von dem Einen oder Anderen so verstanden habe:

In einigen Gebieten Malis herrscht schlicht Anarchie. Der Staat mit Polizei und Militär hat sich nahezu komplett aus diesen Gebieten zurückgezogen. Die gewählten Bürgermeister der Dörfer und Kleinstädte wohnen aus Angst vor Anschlägen in größeren Städten und reisen nur hier und da mal kurz in „ihre“ Dörfer. In diesen Gebieten herrschen zum Teil Islamisten aber auch traditionelle Strukturen werden wiederbelebt. So ist es in einigen Dörfern die Kaste der Jäger, die praktisch die Rolle der Polizei spielt. In manchen Gebieten herrschen alle oder keiner – jeder macht, was er für richtig hält mit Selbstjustiz oder auch gar keiner Justiz. (Zum Glück beschränkt sich dieser Zustand noch nur auf einige Gebiete im Land!)

Niemand kann mehr auseinanderhalten, wer eigentlich was ist. Da gibt es die gut bewaffneten Jihadisten, die für viele Anschläge verantwortlich sind. Aber dann sind da genauso auch zwischenethnische Konflikte, die jahrelang ein gewisses Gleichgewicht hatten, jetzt aber bei fehlender staatlicher Autorität ausgetragen werden. Und dann gibt es „einfach“ Racheakte, zwischen einzelnen Personen oder Familien, zwischen den Viehhirten und den Forstwirten – oft seit Jahren angestaute Wut, die jetzt zum Ausbruch kommt, weil niemand da ist, der einschreiten kann. Und zuletzt freuen sich die „ganz normalen Kriminellen“ an der allgemeinen Unsicherheit. Und „Allahu Akbar“ kann ja jeder schreien – ob das dann irgendwas mit seinen Motiven zu tun hat, weiß ja auch bei den Attentaten in Europa oft keiner.

Wie kommt man aus diesem – im wahrsten Sinne des Wortes – Teufelskreis wieder heraus? Der Staat hat keine wirkliche Antwort darauf, sondern zieht sich eher zurück. Wir beten, hoffen und glauben, dass Gott interveniert und wir versuchen als Christen Frieden und Versöhnung zu praktizieren – schließlich ist Jesus der Friedefürst!

P.S.: Dass mein Koffer wieder da ist, ist zwar schön, aber in diesem Kontext eigentlich völlig unwichtig!

Kinder, Kinder…

Kindersegnung in Quinzambougou

Gottesdienst in der Gemeinde Quinzambougou (wollt Ihr mal „googeln“, wo das ist?): Und wie fast jedes Mal, wenn ich da bin, werden auch heute wieder ein recht frisch geborener Säugling und seine Eltern gesegnet. Mittlerweile hat es sich durchgesetzt, dass nicht jeder danach eine Party schmeißen muss und so lassen auch die, die weniger Geld haben, ihre Kinder im Gottesdienst segnen. Früher hat der soziale Druck manchmal dazu geführt, dass das Kind solange nicht in der Gemeinde gesegnet wurde, bis genug Geld für ein Fest zur Verfügung stand (erinnert irgendwie an manche deutsche Vorstellung vom Heiraten…). Aber die Ältesten und Pastoren haben lange sensibilisiert und das scheint nun kein Thema mehr zu sein. Dieses fröhliche Segensgebet und so manch andere Situation im Gottesdienst lassen mich nachdenken über Kinder in Mali:

Fast die Hälfte der Menschen, die hier leben sind jünger als 15 Jahre und somit spielen Kinder eine ganz andere Rolle als im relativ kinderarmen Deutschland. Und ich stelle fest, wir ambivalent vieles im Leben der Kinder hier von mir empfunden wird:

Kinder sind immer mit dabei, ob im Gottesdienst, in der Familie, bei Freunden und oft selbst bei der

Kinder der Lehrerin sitzen im Unterricht mit dabei

Arbeit. Säuglinge auf den Rücken geschnallt, Kleinkinder mal spielend in einer Ecke, mal auf dem Schoß der Eltern und da hat keiner etwas dagegen – das empfinde ich als sehr natürlich: Kinder als Teil der Gesellschaft – egal wo und wann. Die andere Seite der Medaille ist, dass es für Kinder dann aber auch oft nichts Eigenes gibt, was eher ihrem Alter und ihrem Auffassungsvermögen entspricht. Selbst im Kindergottesdienst, den es in den meisten Gemeinden gibt, scheint das Programm manchmal nur eine Kopie dessen der Erwachsenen zu sein und wenig kreativ auf die Kinder abgestimmt.

Die Gesellschaft sieht sich in Mali mit verantwortlich für die Erziehung der Kinder und betrachtet das nicht nur als

friedlich bei Papa schlafen im Gottesdienst

Aufgabe von Eltern und Schule. Es besteht eine große Offenheit Kindern Liebe und Zuneigung zu zeigen, auch wenn man nicht mit ihnen verwandt ist und genauso nehmen auch Außenstehende an der Erziehung teil – was manchmal sehr entspannend aber wohl auch in Mali nicht immer nur eine Freude für die Eltern ist.

Gerade in der Familie ist die Konzentration auf die Eltern wesentlich weniger ausgeprägt als bei uns. Tanten, Onkel, Oma, Opa, die Geschwister u.s.w. sind oft wichtige Bezugspersonen für die Kinder und sie lernen früh ein wesentlich breiteres Umfeld an Vertrauenspersonen zu haben. Die Ferien im Dorf bei der Oma zu verbringen ist völlig normal, den Neffen bei sich aufzunehmen, wenn im Dorf der Eltern keine Schule ist, ebenfalls. Aber andererseits findet man auch z.B. Mädchen, die zur Tante geschickt werden, dort aufwachsen aber eigentlich eher als Haushaltshilfe fungieren.

… nichts hier ist einfach nur gut oder schlecht, aber wenn ich den Schlagzeuger sehe, wie er mit seinen Kindern auf dem Schoß den Chor begleitet, dann wünsche ich mir, dass wir von dieser malischen Selbstverständlichkeit lernen können.

Familienschlagzeug

P.S.: mein Koffer Nr 2 irrt immer noch in der Weltgeschichte rum.

Mal ein bisschen anders reisen…


Diesmal nicht über Istanbul oder Paris, sondern günstig und auf relativ direktem Wege über Tunis und Dakar nach Bamako. Pünktlich in Tunis angekommen werden mir am Transitschalter erst mal mein Pass und meine Bordkarte abgenommen. Es gäbe da ein Problem mit dem Intranet ist die mir nicht ganz einsichtige Erklärung. Also sitze ich erst einmal 1,5 Stunden rum ohne zu wissen, was denn jetzt kommt, aber da alle freundlich und entspannt sind, bin ich das halt auch. Irgendwann wandert dann jemand mit den eingesammelten Pässen zwischen den wartenden Passagieren herum, ruft sowas ähnliches wie unsere Namen auf und drückt uns die Papiere wieder in die Hand und wir dürfen weiter gehen, bis zum Gate etwa 30 Meter entfernt. Mit reichlich Verspätung steigen wir in den Bus, fahren zum Flieger und warten. Eine Dame in Sicherheitsweste geht ins Flugzeug und kommt dann auch nach 10 Minuten wieder raus. Wir müssen im Bus bleiben. Irgendwas ist wohl nicht ganz so wie geplant. Aber was?? Dann setzt sich der Bus plötzlich wieder in Bewegung. Haben wir vor dem falschen Flieger gehalten? Nein, scheinbar nicht, denn der Bus fährt gemütlich einmal um die Maschine herum um dann an derselben Stelle wieder zu halten. Sightseeing am Flughafen! Jetzt dürfen wir aussteigen, also doch noch! Als ich dann mühsam an meinem reservierten Platz angekommen bin, sagt mir die Stewardess, dass diese Plätze reserviert seien – ja, grundsätzlich bin ich da mit ihr einer Meinung, nur leider findet sie, dass die Reservierung nicht für mich ist. Sie hätten leider ein Netzproblem (wusste ich schon – wer hat das nicht?) und dadurch hätte die Hälfte der Leute einen reservierten Sitzplatz und die andere Hälfte nicht. Also: freie Platzwahl (außer eben in dem Bereich, in dem ich reserviert hatte). Macht aber nichts, ich finde noch einen netten Platz am Fenster. Die abgeschabten und mit Kuli beschmierten Kunstledersitze erinnern mich irgendwie an die Fernbusse in Mali. Kopfhörer? Musik? Bildschirm? Leider nicht – ich wusste gar nicht, dass es das noch gibt, verwöhnt wie ich bin. Dafür sind die freundlichen Senegalesen neben mir aber umso unterhaltsamer und diskutieren und lachen den ganzen Flug über: gute Stimmung ist besser als Fernsehen! Mit 1,5 Stunden Verspätung kommen wir in Dakar an. Wer nach Bamako weiter fliegt, wird gebeten sitzen zu bleiben. Vom Fenster aus müssen wir zusehen, wie unser Gepäck, das sich nicht wehren kann, das Gepäckband runterfährt. Unten angekommen schauen dann zum Glück noch Leute nach und schicken die Hälfte der Koffer wieder nach oben. Ob meiner dabei ist, kann ich nicht sehen. Und nun steigen die Passagiere, die von Dakar nach Bamako fliegen, ein. Sie haben hier scheinbar kein Netzproblem, kommen mit Platzkarten in den Flieger und finden überall schon Leute sitzen, die nicht weichen wollen. Es wird ein bisschen rumgeschimpft, aber irgendwie finden dann doch noch alle einen Platz und irgendwann, mitten in der Nacht, komme ich doch noch in Bamako an, wo mich Diallo, ein freundlicher Taxifahrer aus den Nachbarschaft unserer Zentrale mit seinem Golf 2 abholt. Na gut, ein Koffer hat das Hin und Her nicht bis Bamako geschafft, also stehe ich um 2 Uhr morgens vorher noch eine halbe Stunde an einem Schalter um meine Reklamation aufzugeben. Immerhin: ich bin da und die Reise war nicht langweilig!

Flüchtling

Da sitze ich im Zug nach Frankfurt um dann morgen den Flieger nach Mali zu nehmen, flüchte vor 13 °C minus in Leipzig um mich in den 40°C in Bamako zu baden. Schon seit Wochen freue ich mich auf die Wärme! Und ich flüchte mich vor den seit Wochen hustenden und schniefenden Patienten (sie mögen es mir verzeihen!) und der dieses Jahr wirklich besorgniserregenden Grippewelle in Deutschland. Ich mache mich aus dem Staub in den Staub, von Alltag zum Besonderen, vom Winterblues in den Brutkasten.

Und diesmal ist viel anders: Gerlind fliegt nicht mit und auch sonst werde ich in Mali keine anderen Missionare der AM antreffen. Und wie schon beim letzten Mal angekündigt, wird es aus Sicherheitsgründen diesmal nicht möglich sein in den Norden, nach Sévaré, zu fahren. Mali zu besuchen ohne in unserer alten Heimat sein zu können, das kann ich mir noch gar nicht vorstellen, aber die Empfehlungen unserer malischen Freunde war eindeutig: bitte diesmal nicht! Auch die Jahreshauptversammlung der malischen Kirche, die in 2 Wochen stattfindet, wurde vom Gemeindezentrum in Soufouroulaye – also im Norden – in die Hauptstadt Bamako verlegt, auch wenn das für viele der Delegierten deutlich teurer wird. Warum? Was hat sich denn geändert?

Die Überfälle auf alle möglichen Ziele werden immer unkontrollierbarer, die bewaffneten Gruppen immer unverfrorener und niemand hat so richtig eine Antwort darauf. Der malische Staat versucht mit diversen Einschränkungen Herr der Lage zu werden, aber wie will man in einem so großen Land kleine Banden von bewaffneten Motorradfahrern kontrollieren, die mitten in der Nacht eine Polizeistation aus dem Hinterhalt angreifen und auf alles schießen, was sich bewegt?

Seit ein paar Wochen ist es nun in einigen Teilen des Landes grundsätzlich verboten sich mit einem Pick-up oder einem Motorrad fortzubewegen – eben weil das die Haupttransportmittel der Rebellen, Banditen und Freiheitskämpfer sind. Mir ist noch völlig schleierhaft wie das Alltagsleben der Malier aussieht: wie geht das ohne Motorrad – das Hauptfortbewegungsmittel der meisten „normalen“ Leute oder Pick-ups, ohne die die meisten Hilfsorganisationen etc. ihre Arbeit gar nicht tun können. Ich bin gespannt, wie sich das Leben in Mali gestaltet…

Und so sitze ich hier im Zug und bereite meine Predigt für Sonntag vor zu Lukas 12,32. Da sagt Jesus zu seinen Jüngern: “Fürchte Dich nicht du kleine Herde, denn es hat Eurem Vater gefallen, Euch das Reich zu geben.“ Na, wenn das mal keine Ansage ist! Ich freue mich darauf zu sehen, was Gott bei allen äußeren Einschränkungen in Mali tut!

Da waren’s plötzlich vier…

SIE: HIV-positiv, nicht verheiratet, betreut im AIDS-Projekt, Muslima. Dann schwanger von irgendeinem Kerl aus einem Dorf, der sich dann höflich zurückhält und damit nichts zu tun haben will.

ER: Christ, Mitarbeiter im AIDS-Projekt, 3 schon große Kinder und Eltern, die auch mitversorgt werden wollen.

Dann kommt der Anruf bei IHM kurz vor der Geburt mit der Frage von IHR, wie denn SEINE Frau mit Vornamen heißen würde. Da wird man hier schon hellhörig, denn mit der Namensgebung wird auch immer eine gewisse gesellschaftliche Verpflichtung verbunden.

Ein Mädchen kommt zur Welt, heißt nun so wie SEINE Frau – ist HIV-negativ. Gewollt hat sie eigentlich keiner, sie läuft halt so mit, mit kranker Mutter und verdünnisiertem Vater. Wächst so nebenbei mit auf. Der Mann, der dann irgendwann wieder in IHR Leben tritt, meint, SIE ja, aber ein Kind von einem anderen könne er nicht gebrauchen. Was tun, das Mädchen ist mittlerweile 7 Jahre alt? Aber da ist ja noch ER, von dessen Frau das Kind seinen Vornamen hat…

SIE: steht bei IHM im Hof, bringt das Mädchen, kann es nicht mehr gebrauchen. Sieht hier die letzte Möglichkeit.

ER: macht keine große Sache daraus, sondern nimmt das Kind auf in SEINE Familie, schult es ein, betrachtet es wie SEIN eigenes, erzieht es zusammen mit SEINER Frau – trotz allem, was schon gelaufen ist, erntet dafür manchen verständnislosen Blick (auch von den Christen), trotz aller sozialen mehr-oder-weniger-Verpflichtungen durch die Namensgebung.

Das war nicht vorgesehen, nicht gewünscht, nicht lange geplant und überlegt, einfach reagiert. Eine Zukunft im Leben dieses Kindes und die eigenen Interessen einfach außer Acht gelassen. Von heute auf morgen. Ja, das gibt es noch!

 

(P.S.: die Bilder zeigen natürlich nicht die Menschen aus der Geschichte)

I ni sini

… und heute konnten wir die Schule des I ni sini-Projektes (i-ni-sini.de) besuchen. Wir brechen um 7 Uhr auf, denn am Morgen ist der Verkehr in Bamako ziemlich dicht – da braucht es einige Zeit, bis wir im Viertel „Niamana“ ankommen. Und wir wollen den Start nicht verpassen, denn um Punkt 8 versammeln sich die Schüler und der Lehrer um den Fahnenmast, singen die Nationalhymne und hissen die malische Flagge. Na, der Gesang kommt noch etwas zögerlich, aber die Schule hat ja erst vor 4 Wochen begonnen, da ist noch Luft nach oben. Der Direktor, Yacouba, zeigt uns alles und dann dürfen wir zuschauen und Bilder machen während des Unterrichtes. Das Schulgrundstück ist sehr groß und die Toilette aus hygienischen Gründen genau auf der anderen Seite gegenüber der Klassenräume. Das ist für die Erstklässler schon ein ziemlich weiter Weg, wenn die Blase drückt und nach dem ersten Zwischenfall wurden dann kurzerhand in Klassennähe noch ein paar Ziegel in U-Form übereinandergestellt – als Miniklo für Kurzentschlossene.

Die jetzt 13 Kinder haben natürlich wirklich gute Voraussetzungen (im Gegensatz zu einer Klasse mit über 100 Kindern) und so staunen wir, wie gut manche schon erste Buchstaben und Zahlen schreiben können. Na gut, nicht alle, irgendwie scheinen die Jungen da doch etwas langsamer zu sein. Und da die Schulsprache Französisch ist, die Kinder das aber noch nicht sprechen, wird ganz viel wiederholt: é,é,é,é,è,è,è,è, fenêtre, fenêtre, fenêtre. Ein bisschen gewöhnungsbedürftig ist das schon… Das sind hier schon ganz andere Herausforderungen, wenn Kinder in die erste Klasse kommen – aber die 13 heute sind voll dabei und die Tatsache, dass hier noch ein paar Weiße mit Kameras rumlaufen, motiviert möglicherweise noch zusätzlich. Als wir gehen wollen bittet uns Yacouba noch mit ihnen zu beten. Das tut er sonst mit den Schülern jeden Morgen, aber wir haben ja heute das Programm etwas durcheinandergebracht…